Die Trauung.

[104] Diese verrichtete der alte Superintendent Tanatos. –

Sein Urältervater hieß Tod, und nannte sich Tanatos, als er in Erfurt Magister wurde.

Der alte Superintendent Tanatos verrichtete die Trauung selber, weil er seinen Substituten die Gebühren nicht gönnte.

Er wußte nicht, daß dieser Trauungsakt sein letzter war.

Der weite Priesterrock hieng über der hagern Gestalt – die Augen lagen tief im Kopf. –

Die Knie wankten – das Haupt bebte – die Zähne schlotterten im Munde. –

Mit beiden Händen faßte er das hundertjährige Formular, das eiserne Klammern hatte, und las die Flüche des alten Testaments dem neuen Ehepaare vor: Zu dem Manne sagte er:[105]

»Verflucht sey der Acker um deinetwillen. Dorn und Disteln soll er dir tragen und im Schweiß deines Angesichts sollst du dein Brodt essen, bis daß du wieder zur Erden werdest, von der du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zur Erden werden.«

Und zum Weibe sprach er:

»Mit Schmerzen sollst du Kinder gebühren, und dein Wille soll deinem Manne unterthan seyn, und er soll dein Herr seyn.«

Es kam an die Worte: »bis der bittere Tod euch scheidet!« –

In sich gekehrt und ernst stand das Brautpaar da. –

Die letzte entscheidende Frage wurde mit einem leisen Ja! beantwortet – die Ringe wurden gewechselt – das Band war geknüpft, und die furchtbare Ceremonie endigte sich mit der Gratulation des alten Superintendenten Tanatos, dessen Gesicht sich zu einem Lächeln verzog, womit er dem Brautpaare Glück wünschte, und Hartknopfen und Sophien die knöcherne Hand reichte.

Quelle:
Karl Philipp Moritz: Andreas Hartkopf. Prediger Jahre, Berlin: Johann Friedrich Unger, 1790. , S. 104-106.
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