Fünfter Auftritt.

[45] Rührendes Ritornell.

Vom Hügel herab Colas, eine Soldatenmütze auf dem Kopf, Christine hält ihn fest umklammert. Später Gontran. Bombardon. Therese.

Nr. 4. Duo, Trio, Quintett.


COLAS.

Courage! Kind, such dich zu fassen.

CHRISTINE.

Nein, nein, du darfst uns nicht verlassen,

Ich klammre mich an deine Knie!

COLAS.

Und gehst mit mir zur Kompagnie?

CHRISTINE.

Wohin du willst, eh' ich ertrage,

Daß du verloren für mich bist.

COLAS.

:|: Das ist 'ne fürchterliche Lage, :|:

Wenn man :|: als Held :|: geboren ist!

CHRISTINE.

Zum blut'gen Krieg? Welch ein Entschluß!

COLAS.

Man faßt ihn leicht


Beiseite.


ach, wenn man muß!


Zu Christine.


Ganz Rußland gilt es zu gewinnen,

Und da – begreifst du – braucht man mich!

CHRISTINE.

Das geht gewiß auch ohne dich.

Nein, ich laß dich nicht von hinnen!

Ich geh' zum Maire –

COLAS.

Der nahm mich her!

CHRISTINE.

Zum Gouverneur!

COLAS.

Der hört dich schwer!

CHRISTINE.

Zum Kaiser selber will ich gehen,

Um ihm zu klagen meine Not.

COLAS.

Ach, eh' den Kaiser du gesehen,

Lieg' ich vielleicht in Rußland tot!

[45] CHRISTINE.

Ha, welch ein Wort!

COLAS.

Ach, :|: laß mich fort! :|:

:|: Weil es doch einmal so muß sein! :|:

:|: Ach, laß mich fort. :|:

CHRISTINE.

:|: Nein, nein, nein, ich laß dich nicht :|: –

Nein, nein, nein, nein.

GONTRAN am Fenster.

Wie rührend klingen diese Töne,

Welch Antlitz, klar wie Sonnenschein!

BOMBARDON hinter ihm.

Seht, Kamerad, die zweite Schöne,

Das wird gewiß die Schwester sein!

THERESE tritt auf.

Colas! Was seh' ich – weh und ach!

COLAS.

Nun wird mir die Courage schwach!

THERESE.

So nahmen sie dich also doch?

Du mußt marschieren?

COLAS kleinlaut.

Heute noch!

THERESE.

An unserm Hochzeitstage! Nie!

COLAS.

Danach fragt nicht die Kompagnie.

THERESE.

Das werden wir einmal probieren,

Nein, du gehörest mir!

CHRISTINE.

Und mir!

THERESE UND CHRISTINE ihn umklammernd.

:|: Wir lassen dich nicht fortmarschieren,

Nur die Gewalt bringt dich von hier! :|:

COLAS kläglich.

:|: Da nützt nicht mehr das Lamentieren,

Ich bin nun einmal Grenadier. :|:

COLAS.

Warum macht ihr das Herz mir schwer?

THERESE.

Das Weinen macht das Herz ihm schwer.

COLAS.

Geschehen ist einmal geschehen.

THERESE.

Er soll nicht meinen Jammer sehen.

GONTRAN am Fenster, ohne von Christine gesehen zu sein.

:|: Dies Auge mild und tränenschwer,

Wer könnt' es ohne Rührung sehn? :|:

BOMBARDON.

Sie machen ihm den Abschied schwer,

:|: Nein, das laß ich nicht geschehn! :|:[46]

COLAS.

Ich bin nun einmal Militär,

So laßt mich denn in Gottes Namen gehn!

THERESE.

Therese, frisch! Verzag nicht mehr!

Will's Gott, so wird ihm ja kein Leid geschehn.

CHRISTINE gegen die Eremitage gewandt, mit gefalteten Händen.

Du, der du Waisen Schutz und Wehr,

:|: Allmächtiger! Erhöre du mein Flehen,

Erleuchte du dies Auge tränenschwer, :|:

Ein Rettungsmittel für ihn auszuspähn!

CHRISTINE UND THERESE.

Nein! Wir lassen dich nicht fortmarschieren,

Nur die Gewalt bringt dich von hier.

BOMBARDON.

Fort, fort, du alter Militär,

Um dem Rekruten beizustehn.

COLAS.

Da nützt nicht mehr das Lamentieren,

Ich bin nun einmal Grenadier.

GONTRAN.

Sei stark, mein Herz, vertrau nicht mehr,

Vergiß nicht, was mit dir geschehn.

COLAS. Also Kinder, Courage, die große Armee verlangt nach mir; jeder Soldat trägt einen Marschallstab in der Tasche, und wenn ich zurückkehre, mache ich dich Zu Therese. zur Marschallin, und dich Zu Christine. zu meiner Generaladjutantin.

BOMBARDON tritt bei den letzten Worten aus der Eremitage, Gewehr im Arm. So ist's recht, wackrer Rekrut, so muß ein braver Soldat denken, und ihr schönen Kinder bewährt euch jetzt als wackere Töchter des Vaterlands.

THERESE. Sie haben gut reden, Herr Sergeant, Sie stehen nicht am Vorabend der Hochzeit.

BOMBARDON. Weiß man das, Mademoiselle? Ich möchte auch lieber als Gefangener in solchen Banden liegen. Aber wenn die Trommel ruft! Ferner Trommelschlag. Horch, man bildet schon die Kompagnie.[47]

THERESE. Und wenn sich ein Stellvertreter für meinen Colas –

BOMBARDON. Stellvertreter! – ja freilich, aber –

CHRISTINE aufschreiend. Stellvertreter? Wenn sich einer fände?

BOMBARDON. Ja freilich, dann wäre er frei, aber wo finden Sie den, wenn Sie ihn nicht vom Himmel herunterholen?

CHRISTINE. O Gott!

BOMBARDON. Drum vorwärts, junger Held, die Trommel ruft. Kurzen Abschied, frohen Humor, frische Courage; das Soldatenleben, sappristi, wird dir schon gefallen.

Nr. 5. Arie.


:|: Bombombom; trarara,

In Reih' und Glied gestanden, :|:


Zu Colas.


Gewehr im Arm, Kopf in die Höh',

:|: So marschiert die große Armee

Lustig in Feindes Landen. :|:

In ihren Reihen ist kein Poltron,

Kein Hasenfuß, kein Scheuer,

Sie kennt nicht Rückzug, nicht Pardon,

Steht lust'gen Muts im Feuer.


Mit Colas exerzierend.


Bombombom usw.


Zu Therese gewendet.


Und kehrt man heim mit Sieg gekrönt,

Von Pulver schwarz und schartig,

Wo uns die Liebste heiß ersehnt,

Und treu geharrt und artig.

Da wirft man von sich das Gewehr

Und zieht das Mädel zu sich her.

:|: Bombombom, trarara,

In Reih' und Glied gestanden, :|:

Mädel im Arm, Kopf in die Höh',

:|: So ergibt sich die große Armee

Allein zu ew'gen Banden! :|:


Er geht nach hinten.


BOMBARDON umkehrend. Beim zweiten Trommelzeichen rangiert sich die Kompagnie; beim dritten wird abmarschiert.[48] Vorwärts, junger Held, ich erwarte dich. Er geht ab nach rechts.

COLAS. Also, schnürt mir mein Bündelchen, und dann in Gottes Namen. Er will ins Haus.

CHRISTINE die in Nachdenken versunken stand, plötzlich. Halt, Colas, sie hält ihn zurück Gott gibt mir einen Gedanken, der dich uns erhält!

GONTRAN aus der Eremitage tretend, ungesehen. Es ist Zeit, daß ich das Feld räume, wenn nicht aufs neue diese Augen mich berücken sollen!

Bauern und Bäuerinnen treten im Hintergrunde auf, die jungen Männer voran.


CHRISTINE. Hört mich! Unter den Glücklichen unseres Dorfes, die das Los nicht getroffen, sind viele, die mich seit Jahren umworben und mir Liebe zugeschworen haben, ich will –

COLAS. Du wolltest –

CHRISTINE. Ah, da kommen sie zur rechten Zeit! Freunde, Mathieu, Joseph, Seraphin, Claude Marie – um Gottes willen! Hört mich an!


Quelle:
Ignaz Brüll: Das goldene Kreuz, nach dem Französischen von H.S. von Mosenthal, Leipzig [o. J.], S. 45-49.
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