Sechster Auftritt.

[27] Salomon. Assad.


SALOMON.

Ich les' auf deinem bleichen Munde,

Was deine Lippe stumm verschweigt.

Dein Herz war Sulamith geneigt –


Assad bejaht schmerzlich.


Und du begehrtest sie zum Bunde –


Ebenso.


Doch seit der Fahrt ins fremde Land

Hat sich dein Herz von ihr gewandt.

ASSAD.

Mein Herr und König, du sprichst wahr,

Dir sind die tiefgeheimsten Falten

Der Menschenseele offenbar.[27]

Du kennst die finsteren Gewalten,

Die zwischen Erd' und Himmel

Uns mit Zauberbann umgeben,

So bann den Dämon auch, den ich erblickt,

Der mir das Herz mit Zaubermacht bestrickt.


Zu den Füßen des Königs.


Erlöse mich, sonst ist's um mich geschehn!

SALOMON.

Erzähle, sprich, was du gesehen.


Assad erhebt sich.


ASSAD.

Am Fuß des Libanon traf ich der Königin Schar

Und bracht' ihr deine Botschaft dar,

Allein sie selbst sah keiner von uns allen,

Nur vor dem König soll ihr Schleier fallen.

Und in den Zedernwald, müd' von des Tages Schwüle,

Schlich ich gedankenvoll und suchte Ruh' und Kühle,

:,: Dort in dem heimlich grünen Schoß

Lautloser Einsamkeit, sank ich ins Moos. :,:

Da horch! da plätschert eine Silberquelle,

So schmeichelnd lockt es, plaudert süß und leise,

Entzückt mein Herz mit träumerischer Weise,

Und durch die grünen Zweige schimmert's helle.


Geheimnisvoll flüsternd.


Ich hebe mich zu lauschen und zu spähen,

Und – ewige Mächte – was hab' ich gesehen!


Zart und innig.


Aus klaren Fluten steigt ein Schwanenleib,

Auf Wellen ruht das himmlisch schönste Weib.

Das schwarze Haar hüllt ihren Nacken ein

Wie Ebenholz ein Bild von Elfenbein.

Zwei Sterne blitzen durch der Wimper Nacht,

Zwei Rosen halten über Perlen Wacht,

Zwei Arme schlingen sich zum Lilienkranz,

:,: Das Aug' erblindet vor der Schönheit Glanz. :,:

Es zieht mich hin, und sie entflieht mir nicht,[28]

Sie neigt mir zu das lichte Angesicht,


Mit immer steigender, leidenschaftlicher Erregung.


:,: Sie schlingt den Arm mir um den Nacken fest,

Sie hält mich an die süße Brust gepreßt! :,:


Immer anwachsend.


:,: Und taumelnd sink' ich und verworren hin, :,:

Zu Füßen ihr der holden Zauberin.

Da rauscht's im Schilfe, sie erschrickt und späht,

Sie hebt sich, flieht, und ist in Luft verweht.

O zauberhafter Traum, :,: der meine Seel' erfüllt! :,:

SALOMON.

Ob dich ein böser Zauber quäle,

Ob jenes Bild voll Reiz und Lust

Ein Dämon deiner eignen Seele,

Noch bin ich mir's nicht klar bewußt.

Doch über mir, im Reich der Geister

Mit ewig unverhülltem Blick,

Schwebt Adonai, mein Herr und Meister,

Und ihm befehl' ich dein Geschick.

ASSAD.

Mein Mut flammt auf, mein Herz wird frei,

:,: Der Hoffnung Strahl belebt mich neu. :,:

Ich darf Versöhnung, Gnade hoffen,

Der Himmel steht mir wieder offen.

Mein Herr und König magst du's künden,

Wo werde ich Erlösung finden?

SALOMON.

Tritt mit der Braut zum Hochaltare

Und fasse ihre reine Hand,

Und heil'ger Friedens-Hoffnungsschein

Zieh tröstend in das Herz die ein!

Mein Assad, :,: vertrau dem Herrn dein Geschick. :,:

ASSAD.

Auf, auf zum heiligen Altare

Mich führet deine weise Hand!

Und Friede zieht nach banger Pein

Versöhnend in das Herz mir ein!


Beide gehen nach links ab.
[29]


Quelle:
Karl Goldmark: Die Königin von Saba, nach einem Text von H.S. Mosenthal, Leipzig [1912], S. 27-30.
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