Siebenter Auftritt.

[43] Die Vorigen. Salomon. Assad. Gefolge. Dann Königin. Astaroth. Salomon mit Assad und Gefolge von der Estrade links. Assad trägt ein weißes Kleid, goldenen Gürtel, er schreitet schwankend und mit am Boden haftenden Blicken.


SALOMON einen Augenblick feierlich gegen das Allerheiligste gewendet, dann zu Assad.

Blick empor zu jenen Räumen

Zu des Höchsten Majestät!


Sehr ruhig und sanft.


Rüttle dich aus deinen Träumen,[43]

Die Erlösung wird nicht säumen,

Wenn dein Herz in Demut fleht.

Tritt ihr zum Altar entgegen,

Des Himmels Segen bringt entgegen

Der Jungfrau reine Hand.

Sulamith legt die Hand auf Assads Schulter.


SALOMON zum Hohenpriester, der aus dem Allerheiligsten tritt.

Priester Gottes sprich den Segen,

Weihe dieses heil'ge Band.

Assad schauert zusammen. Er steht neben Sulamith, Jünglinge mit grünen Zweigen treten zu Assad, Mädchen zu Sulamith.


HOHEPRIESTER auf der Höhe stehend.

Der Ew'ge segne und behüte euch!

CHOR.

Amen!

HOHEPRIESTER.

Er lasse euch sein Antlitz leuchten!

CHOR.

Amen!

HOHEPRIESTER.

Und gebe euch den Frieden!


Er steigt herab.


CHOR.

Amen!

HOHEPRIESTER zwischen das Paar tretend, er hält Assad den Ring hin.

Durch diesen Ring gelob' ich dir –

Hier erscheint die Königin mit Astaroth auf der Estrade.

ASSAD erblickt die Königin.

Durch diesen Ring –


In heftigster Erregung.


Weh mir, wer naht sich mir!


Er wirft den Ring weg, nach der Stirn greifend.


Ich träume nicht, nein, nein, ich sehe!

ALLE.

Der Wahnsinn faßt ihn, wehe, wehe!

SALOMON betreten.

Du, Kön'gin, hier?

KÖNIGIN näher tretend.

Ich bin's fürwahr!


Sie zeigt auf eine goldene Schale voll Perlen, die Astaroth trägt. Diese geht damit auf Sulamith, die sich heftig abwendet.


Ein Brautgeschenk bring' ich der Jungfrau dar![44]

ASSAD glühend.

Ob du aus Duft und Schein,

Ein Schatten, wirst verwehen,

Ob du ein irdisch Sein,

Bei Gott, ich will es sehen!


Assad stürzt auf die Königin zu und erfaßt ihren Schleier, die Leviten halten ihn.


ALLE.

Wahnsinn'ger, halte ein!

Willst du des Tempels Hallen

Durch sünd'ge Tat entweihn?

PRIESTER UND LEVITEN.

Er ist Scheol verfallen!

SULAMITH.

O Ew'ger, welche Pein!

KÖNIGIN.

So soll der Bund zerfallen!

SALOMON.

Mir tagt der Wahrheit Schein!

ASSAD.

Ob ich dem Wahn verfallen –

Sie soll mein Richter sein!


Er tritt vor die Königin.


Du, der des Herzens Flammen

In wilder Glut entbrennen,

Wirst du mich auch verdammen,

Wirst du mich rasend nennen?

SALOMON zur Königin.

Sprich, lehr dies Rätsel mich verstehn.

ALLE.

O sprich, was ist mit ihm geschehn?

KÖNIGIN schwankt einen Augenblick und tritt dann stolz zurück.

Ich kenn' ihn nicht, ich hab' ihn nie gesehen!

CHOR.

Weh, so ist's klar, Schrecken und Bangen,

Ein Dämon hält ihm die Seele befangen,

Der ihn besessen hält tückisch und dreist,

Priester Gottes, banne den Geist!

KÖNIGIN UND ASTAROTH.

Das Bündnis soll zerfallen,

Triumph, es ist getan,

Kein andres Weib von allen

Wird seinem Herzen nahn![45]

ASSAD UND SULAMITH.

Es faßt mit wilden Krallen,

Verzweiflung faßt mich an,

Dem Tod bin ich verfallen,

Es ist um mich getan!

SALOMON.

Es faßt mit wilden Krallen

Mich banger Argwohn an,

Den Schleier seh' ich fallen

Und die Entscheidung nahn!

HOHEPRIESTER.

Hör meinen Ruf erschallen,

Laß deine Hilfe nahn,

Du Herrscher über allen

Vertilge Trug und Wahn!

BAAL-HAANAN. PRIESTER UND LEVITEN. CHOR.

Laß heil'gen Schwur erschallen,

Vertilge Trug und Wahn!

Ein Wunder sei getan!

HOHEPRIESTER die Hände gegen Assad; dieser hat sich wie gebannt immer mehr dem Hohenpriester mit kurzen Schritten und gebeugten Hauptes genähert.

Ihr Geister, die dem Satan dienen,

Bestrickend dieses Mannes Sinn,

Weicht vor dem Thron der Cherubinen,

Und flieht ins Reich der Nacht dahin!


Er schreitet zum Allerheiligsten. Große Spannung und Aufregung bemächtigt sich der ganzen Volksmasse. Posaunen auf dem Theater, hinter der Szene. Er gibt ein Zeichen. Mit dem Tamtamschlag rollt der Vorhang im Hintergrunde auf. Man sieht die Bundeslade, auf der die goldenen Cherubim lagern. Der Chor stürzt aufs Angesicht nieder.


ALLE.

Halleluja!

Assad überwältigt, laut atmend.

Königin verhüllt sich.

Salomon richtet seinen Blick auf die Königin.


HOHEPRIESTER zurückkommend.

Erhebe dich in Gott, mein Sohn![46]

KÖNIGIN rasch, flüsternd.

Assad!

ASSAD heftig.

Das ist ihr Zauberton!


Rasend.


Fort! Ihr sollt mich nicht betören,

Ich verfluche euern Wahn!

Mögt ihr mich bei Gott beschwören,


Er will auf die Königin zustürzen, die Leviten halten ihn.


Meine Göttin bet' ich an!

Tamtamschlag auf der Bühne. Allgemeines Entsetzen; das Volk flieht aus den Galerien über die Bühne. Der Vorhang des Allerheiligsten schließt sich. Die Priester stürzen in den Vordergrund. Salomon tritt zwischen Assad und die Königin.


CHOR.

Gotteslästerung, laßt uns fliehn!

Wehe! Wehe!

Er hat befleckt Jehovas Haus!

PRIESTER UND LEVITEN.

Anathema über ihn!

Der Hohepriester zerreißt sein Gewand. Die Flammen des Altars, die Kerzen, werden von den Leviten ausgelöscht.


EINZELNE STIMMEN AUS DEM VOLKE.

Schleppt ihn fort! Er sterbe!

Zum Blutgericht! Schleppt ihn fort!

SULAMITH UND CHOR.

Gott! Erbarmen! Sieh mein Bangen,

Geh mit ihm nicht ins Gericht,

O rette ihn!

ASSAD.

Ha, der Tod ist mein Verlangen,

Führt mich hin zum Blutgericht!


In wilder Raserei.


Ich verfluche euren Wahn,

Meine Göttin bet' ich an!

KÖNIGIN.

Weh, zu weit bin ich gegangen,

Götter helft, verlaßt mich nicht!

ASTAROTH.

Welcher Schreck hält sie befangen,

Es erbleicht ihr Angesicht![47]

SALOMON.

Es gestehn die bleichen Wangen,

Und die stumme Lippe spricht!

HOHEPRIESTER.

Fluch ihm, der sich so vergangen

Vor Jehovas Angesicht!

ALLE ANDERN.

Fluch ihm, der sich so vergangen,

Schleppt ihn fort zum Blutgericht!


Sie zerren Assad fort in den Hintergrund. Die ganze Chormasse wild um ihn herum zum Knäuel geballt.


SALOMON.

Haltet ein!

Der König wird sein Richter sein!

KÖNIGIN, SULAMITH UND ASTAROTH.

O rett' ihn!

DIE ÜBRIGEN.

Er sterbe!

Baal-Haanan tritt mit den Wachen vor. Die Priester lassen Assad los. Baal-Haanan und die Wachen treten hinzu. Die Königin will auf Assad zu, Salomon dazwischentretend, weist sie majestätisch zurück. Sulamith stürzt zu des Königs Füßen, seine Knie umklammernd; die Priester heben drohend die Hände.

Der Vorhang fällt schnell
[48]

Quelle:
Karl Goldmark: Die Königin von Saba, nach einem Text von H.S. Mosenthal, Leipzig [1912], S. 43-49.
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