Zweiter Auftritt

[31] Falstaff. Kellner.


KELLNER eintretend. Habt Ihr gerufen, Sir John?

FALSTAFF. Kannst du bei dem Gebrülle noch fragen,[31] harthöriger Schlingel? Ich will dir die Ohren abschneiden und sie als Delikatesse nach Konstantinopel schicken. Hol Sekt, du Schuft!

KELLNER. Ja, Sir John, aber erst, wenn Ihr die alten Schulden bezahlt habt.

FALSTAFF. Schulden bezahlen, das tue ich nie, das ist doppelte Arbeit. Wer Schulden bezahlt, dem sollte man mit einer Wagendeichsel einen Nasenstüber geben. Jetzt, Sklave, gehorche oder ich lasse die Klinge auf deinem Rücken tanzen, daß du glauben sollst, es sei des Teufels Fiedelbogen und du die Geige dazu. – Kerl, schaffe Sekt oder ich verdurste, ich verschmachte, ich schrumpfe zusammen wie ein gebratener Apfel und werde melancholisch wie ein Affenpintscher, hol Sekt, süßer Knabe!

KELLNER. Nein!

FALSTAFF. Du Schuft, hole Sekt oder ich prügle dich in einen Flaschenhals hinein.

KELLNER. Hört auf, Sir John, ich will noch welchen holen. Er geht ab.

FALSTAFF allein. Oh, was habe ich erleben müssen, mich, den ehrenwerten Sir John Falstaff, auf die Bleiche tragen und in den Schlamm ausschütten wie einen elenden Lappen! Wasser, abscheuliches Wasser strömte mir in meine Gurgel. Oh, es war entsetzlich! Ich wäre ertrunken, wäre das Ufer nicht so seicht und sandig gewesen. Wasser trinken! Brrr! Das schwellt den Menschen auf, und was für eine Figur wäre aus mir geworden, wenn ich noch in Schwellung geraten wäre!

Kellner bringt Sekt und geht wieder.


FALSTAFF setzt sich und greift nach der Kanne. Komm her, alte Freundin, und mache mich die fürchterliche Strapaze vergessen! Er schenkt ein und trinkt. Was aber werd'ich nun unternehmen? Ich muß Künste ersinnen, ich muß mein Glück verbessern! – Mit jenen schmucken Weibchen wäre das herrlich gegangen, denn beide haben steinreiche Männer und führen die Schlüssel zu den Geldkästen. Die sollten meine Schätze werden, und ich wollte sie brandschatzen![32] – Aber nun? Er sinnt nach. – Der Kellner tritt ein mit einem Brief.

KELLNER. Hier, Sir John, bringe ich Euch ein Briefchen, das eine Frauensperson soeben abgegeben hat.

FALSTAFF. Gib her! Der Kellner bleibt neugierig stehen; Falstaff fährt ihn an, worauf er erschrocken hinter die Schenkbank läuft, wo er sich zu schaffen macht. Falstaff öffnet den Brief. Wie? Von Frau Fluth? Ärgerlich. Ach was! Ich habe ihretwegen den ganzen Bauch voll Flut bekommen! Aber laß doch sehen! Er liest mit Mühe. »Ich bin untröstlich über Euren gestrigen Unfall! Doch seid verschwiegen und kommt heute wieder. Um neun Uhr geht mein Mann zur Vogelbeize fort und dann ...« In Ekstase. Ha, siehst du nun, alter Hans?! Nur immer vorwärts! Schielen sie noch nach dir? Das verdankst du deiner wackern Figur, die du mehr in Ehren halten solltest, als du bisher getan hast! Vorwärts drauf! Die Weiber sollen meine Taschen wieder füllen.

STIMMEN VON AUSSEN. Heda! Sekt her! Kellner!


Quelle:
Otto Nicolai: Die lustigen Weiber von Windsor. Stuttgart 1962, S. 31-33.
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