14. Auftritt.

[88] Wilhelmine. Ludmilla. Bolzau.


WILHELMINE durch die Mitte. Scheffler und Bertha zärtlich Arm in Arm – was ist denn das?

BOLZAU. Ein Stiftungsfest – Schatz! Ich habe das besorgt!

WILHELMINE eintretend. Ludmilla – bleib' hier – geh' nicht etwa fort!

LUDMILLA bleibt an der Thür – sieht hinaus.

BOLZAU. Ich möchte heut noch eins feiern. Hör' mal, Alte – im Ernst – ich habe nicht lange Zeit. Umfaßt sie.

WILHELMINE rufend. Ludmilla! – Nun was hast Du denn?

BOLZAU sich zusammraffend. Minona – es giebt Augenblicke – wo der Mann ganz Mann sein muß – wo er auf seinem Willen bestehen muß – weil er seinen Willen für den richtigen hält.[88]

WILHELMINE. Wir Frauen haben auch Augenblicke, wo wir ganz Frau sein müssen.

BOLZAU. Wir sind bei solchem Augenblick angekommen!

WILHELMINE. Nun?

BOLZAU. Ich werde ganz Mann sein. – Wilhelmine – ich habe einen braven jungen Mann wirklich gefunden!

WILHELMINE. Dacht's ich's doch. Besorgt sich umsehend.

BOLZAU. Er liebt Ludmilla!

WILHELMINE. Mag er sie lieben!

BOLZAU. Er soll sie haben!

WILHELMINE entschieden. Nie –

BOLZAU. Damit Du ganz klar bist – ich habe ihm ihre Hand versprochen!

WILHELMINE. Bolzau!

BOLZAU. Er wird sehr bald hier sein – es ist mein fester Wille. Ich denke. Du machst mir keine Scene.

WILHELMINE. Denke Du – ich werde handeln.

SCHNAKE hinter der Scene. Herr Commerzienrath! Herr Commerrath!

LUDMILLA. Lieber Oheim – Herr Schnake –

BOLZAU ärgerlich. Hat den der Kukuk schon wieder! Er geht durch die Mittelthür – so daß man Bolzau mit Schnake sprechend, letzteren heftig gestikulirend außen sieht.

WILHELMINE. Die Sache wird ernst – ich gebe nicht nach! – Ludmilla!

LUDMILLA vortretend. Liebe Tante!

WILHELMINE. Du weißt, liebes Kind, wie ich Dich liebe – wie ich für Dich besorgt bin!

LUDMILLA. Gewiß, liebe Tante.

WILHELMINE in Aufregung. Alles, was ich vornehme – geschieht nur zu Deinem Besten – fürchte Dich also nicht, Kind! Streichelt ihr die Backen.[89]

LUDMILLA. Das klingt so gefährlich – was willst Du thun?

WILHELMINE Ludmilla bei der Hand nehmend. Komm – ich muß für Deine Sicherheit sorgen – ich werde Dich einschließen.

LUDMILLA. Aber Tante!

WILHELMINE. Es ist nur zu Deinem wahren Wohl – Führt sie an die Thür rechts. Geh' in dies Zimmer – ich schließe hinter Dir zu.

LUDMILLA. Aber Tante!

WILHELMINE. Folge mir – mach' nur schnell. Oeffnet die Thür und läßt Ludmilla eintreten.

LUDMILLA. Wie Du wünscht, Tante!

WILHELMINE schließt die Thür mit dem Schlüssel zu – zieht den Schlüssel ab. So – nun wollen wir sehen.

BOLZAU in der Thür zu Schnake. Ich komme gleich! Tritt ein, sieht Wilhelmine. Was machst Du denn da, Schatz?

WILHELMINE zeigt den Schlüssel. So – ich habe gehandelt! Ludmilla unter Schloß und Riegel –

BOLZAU. Da drin?

WILHELMINE. Allerdings – sie ist sicher aufgehoben!

BOLZAU. Aber – das Mädchen dort eingeschlossen. Weißt Du auch, was Du thust?

WILHELMINE. Allerdings weiß ich das!

BOLZAU. Nun, meinethalben, aber Du trägst die Verantwortung.

WILHELMINE. Ganz gewiß, Ludmilla's Vater wird mir danken!

BOLZAU. Na, ich wasche meine Hände in Unschuld – aber nun kann ich endlich beruhigt in die Sitzung gehen – die Sache hast Du prompt erledigt.

WILHELMINE. Geh' Du ruhig – ganz ohne Sorgen – ich bleibe hier auf meinem Posten.

BOLZAU rufend. Franz! Bei Seite. Das wird eine gute Geschichte geben. Franz – meinen Rock! Ab nach links.[90]

WILHELMINE. Aha – die starken Männer – so wie sie sehen, daß man Ernst macht – geben sie doch schnell nach – wie jetzt mein starker Mann! Oh, wohin kämen sie wohl, wenn wir nicht so überlegt handelten.


Quelle:
Gustav von Moser: Lustspiele. Band 1, Berlin 1873, S. 88-91.
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