17. Auftritt.

[93] Schnake. Bolzau. Vorige.


BOLZAU in schwarzem Rock und Hut in der Hand von links. So – endlich bin ich so weit!

SCHNAKE. Herr Commerzienrath – In großer Eile eintretend. Ist denn der Doctor Steinkirch nicht hier? Meine Herren – wo ist denn der Doctor Steinkirch? Ich suche ihn wie eine Stecknadel – wenn er nicht gleich kommt, verlassen die Mitglieder der Polihymnia die Sitzung. Er wohnt ja bei Ihnen, Herr Commerzienrath![93]

BOLZAU. Jawohl, Schnake, – meine Frau wird's wissen!

SCHNAKE. Frau Commerzienräthin?

WILHELMINE. Ach – was soll ich wissen!

SCHNAKE. Herr Commerzienrath?

BOLZAU. Meine Frau schließt heut Alles ein – sie hat auch den Doctor Steinkirch unter Schloß und Riegel.

SCHNAKE. Frau Commerzienräthin!

WILHELMINE. Laß Deine Scherze heut, Bolzau – dazu bin ich nicht aufgelegt!

BOLZAU. Ich sage Dir aber im Ernst – Du hast den braven jungen Mann eingeschlossen! Da drin!

SCHNAKE in Verzweiflung. Was soll daraus wohl werden! Ab.

WILHELMINE. So – An die Thür rechts tretend. Ludmilla – bist Du noch da?

LUDMILLA von innen. Jawohl, liebe Tante!

WILHELMINE. Hörst Du's, Ludmilla ist drin!

BOLZAU. Na, dann erlaube mir auch! Tritt an die Thür rechts. Wie geht's Ihnen, lieber Steinkirch.

STEINKIRCH von innen etwas laut. Sehr gut, Herr Bolzau!

WILHELMINE erschreckt zurückfahrend. Was ist das?

BOLZAU. Hörst Du Schatz? Laß den braven jungen Mann heraus! –

WILHELMINE. Du Ungeheuer, das ist mein Tod! Sinkt in einen Stuhl, giebt Bolzau den Schlüssel.

BOLZAU schließt die Thür auf. Aber was ist das für eine Aufführung Ludmilla – junger Mann!

LUDMILLA. Ich bin unschuldig. Oheim!

STEINKIRCH. Ich ebenfalls, Herr Bolzau.

BOLZAU. Was soll ich nun mit euch machen?

WILHELMINE aufspringend. Oh, wir sind noch nicht zu Ende –

[94] STEINKIRCH. Frau Commerzienräthin!

LUDMILLA. Liebe Tante!

WILHELMINE. Gut denn, ich gebe meine Einwilligung, aber nur unter einer Bedingung.

ALLE. Aha!

WILHELMINE. Morgen reise ich mit Ludmilla nach Hamburg, sie mag sofort nach Amerika reisen und sich die Einwilligung Ihres Vaters holen, eher wird nichts, so wahr ich Wilhelmine Christiane Amalie Bolzau heiße, so lange wird sich der brave junge Mann wohl noch gedulden können!

ALLE. Oh!

LUDMILLA. Oh, wenn es nur das ist, da brauch' ich nicht nach Amerika, Tante, mein Vater schrieb mir vor einem halben Jahre einen Brief für den Fall, daß mich einmal Jemand haben wollte.

BOLZAU. Aber warum sagst Du das nicht eher, Kind!

LUDMILLA. Es hat mich ja noch Niemand haben wollen. Ich hielt aber den Brief für so wichtig und werthvoll, daß ich ihn für diesen Fall stets bei mir trage. Einen Brief reichend. Hier ist der Brief, hier.

WILHELMINE. Gieb her. –

BOLZAU. Erlaube – Den Brief nehmend. ich werde Euch vorlesen! Lesend. »Im Großen und Ganzen taugen eigentlich die Männer alle nicht Viel.«

WILHELMINE bei Seite. Ein vernünftiger Mann, mein Bruder!

BOLZAU lesend. »Dennoch seid ihr Weiber selbst so schwach, daß ihr ohne diese schwache Stütze nicht leben könnt.« Sprechend mit Beziehung zu Wilhelmine. Ganz vernünftige Ansichten, Dein Bruder!

HARTWIG UND SCHEFFLER zugleich. Sehr richtig!

BOLZAU weiter lesend. »Auch Deine Stunde wird schlagen, mein gutes Kind.« Sprechend. Ist bereits geschehen! Lesend. »Sieh' Dir[95] den Mann, den Du liebst, recht genau an; – wenn sie verliebt sind, verstehen die Männer ihre Fehler am besten zu verbergen.«

WILHELMINE. Da hat er Recht.

BERTHA. Sehr richtig.

LUDMILLA. Das glaub' ich.

BOLZAU. »Sie erscheinen dann viel besser, als sie wirklich sind.«

ALLE DAMEN. Sehr richtig!

BOLZAU lesend. »Ebenso wie ihr vor der Hochzeit Sammtpfötchen zu machen wißt und die Krallen zu verbergen versteht.« – Sprechend. Da hat er Recht.

SCHEFFLER UND HARTWIG zugleich. Sehr richtig.

BOLZAU liest jetzt etwas schneller, damit keine Länge entsteht. »Dein Gefühl wird Dich hoffentlich richtig leiten, auf jeden Fall ziehe Deinen Onkel Bolzau zu Rathe. Sprechend. Aha! Lesend. »Meine Schwester läßt sich zu sehr von Aeußerlichkeiten bestechen als schwache Frau.«

WILHELMINE ihn unterbrechend. Das laß nur – das laß nur. Sieht in den Brief. Unsinn!

BOLZAU schnell durchfliegend. Hmhmhm – Lesend. »Wenn also Bolzau seine Zustimmung giebt, so gebe ich Dir im Voraus meinen Segen.«

WILHELMINE. Da habe ich das Mädchen nun umsonst so ängstlich aufgehoben!

BOLZAU. Also Ludmilla liebt, der brave junge Mann ist da, ich sage: »Ja« – nein, Wilhelmine Treuherzig, indem er Wilhelmine bei der Hand nimmt. wir sagen zusammen ja – nicht wahr?

WILHELMINE. Nun ja denn, Kinder!

LUDMILLA. Liebe Tante – guter Oheim. Bewegung in der Gruppe – Gratulation.


Quelle:
Gustav von Moser: Lustspiele. Band 1, Berlin 1873, S. 93-96.
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