[123] Stern fährt fort, wird aber durch Luise Rosemeyer unterbrochen. Droogstoppels Sorgen, und Hochwürden Wawelaars Ansichten über die Bekehrung der Heiden. Droogstoppels große Idee über Lebak.
Ich gab zwar an, mit Bestimmtheit zu wissen, Leser, wie lange ich nun eine Heldin sollte in der Luft schweben lassen, bevor du, bei der Beschreibung eines Schlosses, mein Buch mutlos aus der Hand legen würdest, ohne abzuwarten, bis das Menschenkind auf die Erde gelangte. Wenn ich in meiner Erzählung solch einen Luftsprung brauchte, würde ich vorsichtshalber immer ein erstes Stockwerk als Abreise-Station wählen, und dazu ein Schloß, von dem wenig zu sagen wäre. Sei übrigens vorläufig beruhigt: Havelaars Haus hatte kein oberes Stockwerk, und die Heldin meines Buches, – die liebe, treue, anspruchslose Tine, eine Heldin! – ist nie aus dem Fenster gesprungen.
Als ich im vorigen Kapitel mit einer Anweisung auf etwas Abwechselung im folgenden schloß, war das eigentlich mehr ein oratorischer Kunstgriff, und um einen Schluß zu machen, der gut abschnitt, als daß ich in der That meinte, das folgende Stück solle nur »zur Abwechselung« Wert haben. Ein Schriftsteller ist eitel wie ... ein Mann. Sprich schlecht von seiner Mutter, oder von der Farbe seiner Haare, sag', daß er einen Amsterdamer Accent hat, was kein Amsterdamer zugiebt, – vielleicht verzeiht er dir diese Dinge: aber rühre niemals an die Außenseite des kleinsten Teilchens einer Nebensache, die in der Nähe seiner Schreiberei lag ... denn das vergiebt er dir nicht. Wenn du also mein Buch nicht schön findest und du triffst mich irgendwo, dann thue, als ob wir uns nicht kennten.
Nein, selbst solch ein Kapitel »zur Abwechselung« kommt mir durch das Vergrößerungsglas meiner Schriftsteller-Eitelkeit als höchst wichtig und unentbehrlich vor, und wenn du es überschlägst und später nicht nach Wunsch von meinem Buche entzückt bist, werde ich nicht verfehlen, dir dieses Überschlagen als Ursache vorzuhalten, daß du mein Buch nicht richtig beurteilen kannst, weil du nämlich gerade das »Wesentliche« nicht gelesen hast. So würde ich – denn ich bin Mann und Schriftsteller – jedes Kapitel für wesentlich halten, das du in unverzeihlichem Leser-Leichtsinn überschlagen hättest.[124]
Ich stelle mir vor, daß deine Frau fragt: »Ist etwas an dem Buch dran?« Und du sagst zum Beispiel – schrecklich zu hören für mich! – mit dem Wortreichtum, der verheirateten Männern eigen ist: »Hm ... so ... ich weiß noch nicht.«
Nun, du Barbar, lies weiter! das Wichtige steht gerade vor der Thür. Und mit bebender Lippe starre ich dich an, und mit der Dicke der umgeschlagenen Blätter ... und ich suche auf deinem Gesicht den Wiederschein des Kapitels, »das so hübsch ist« ... »Nein,« sage ich, »er ist noch nicht da ... nachher wirst du aufspringen ... vor Rührung irgend etwas umarmen ... deine Frau vielleicht ...«
Aber du liest weiter; das »hübsche Kapitel« muß vorbei sein, dünkt mich ... du bist nicht im mindesten aufgesprungen, und du hast nichts umarmt ...
Und immer dünner wird das Bündel Blätter unter deinem rechten Daumen, und immer kleiner wird meine Hoffnung auf die Umarmung: – ja, wahrhaftig, ich hatte sogar auf eine Thräne gerechnet!
Und du hast den Roman ausgelesen, bis »sie sich kriegen,« und du sagst gähnend – das ist ein anderer Ausdruck der Beredsamkeit im Ehestande: »So ... so ... es ist ein Buch, das ... ach! man schreibt gegenwärtig so viel!«
Aber weißt du denn nicht, Untier, Tiger, Europäer, Leser! weißt du denn nicht, daß du da eine Stunde damit hingebracht hast, auf meinen Geist zu beißen, wie auf einen Zahnstocher, mit Knabbern und Nagen auf Fleisch und Bein von deinem Geschlecht? Menschenfresser! Darin stak meine Seele, die du wiedergekäut hast wie schon einmal gegessenes Gras ... das war mein Herz, das du heruntergeschluckt hast wie ein Naschwerk ... denn in dem Buche hatte ich Herz und Seele niedergelegt: es fielen so viele Thränen auf die Schrift, und mein Blut wich aus den Adern, je mehr ich weiter schrieb, und das gab ich dir alles, und das kaufst du für wenige Stüber ... und du sagst »Hm!«
Der Leser begreift, daß ich hier nicht von meinem Buche spreche.
Ich will bloß, um mit Abraham Blankaart zu reden ...
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»Wer ist das, Abraham Blankaart?« fragte Luise Rosemeyer, und Fritz erzählte es ihr, was mich sehr freute.[125] Denn das gab mir Gelegenheit, einmal aufzustehen, und, für diesen Abend wenigstens, der Vorlesung ein Ende zu machen. Du weißt, daß ich Makler in Kaffee bin (Lauriergracht Nr. 37), und daß ich für mein Fach alles übrig habe: du wirst dir daher vorstellen können, wie wenig ich mit dem Werk Sterns zufrieden war. Ich hatte auf Kaffee gehofft und er gab uns ... ja, der Himmel weiß, was.
Mit seiner Ausarbeitung hat er uns schon drei Theeabende unterhalten, und was das Schlimmste ist, die Rosemeyers finden es hübsch. Als ich eine Bemerkung machte, berief er sich auf Luise. »Ihre Zustimmung,« sagte er, »wiegt mir schwerer als aller Kaffee der Welt, und dann, wenn das Herz mir glüht ...« u.s.w. (Sieh die Tirade auf Seite so und so, oder sieh lieber nicht.) Da stehe ich nun und weiß nicht, was thun! Das Paket von Shawlmann ist ein wahres trojanisches Pferd; auch Fritz wird dadurch verdorben. Er hat, wie ich merke, Stern geholfen, denn dieser Abraham Blankaart ist zu holländisch für einen Deutschen. Beide sind sie so pedantisch, daß ich wahrhaftig mit der Sache verlegen bin. Das Schlimmste ist, daß ich mit Gaafzuiger ein Übereinkommen getroffen habe, um ein Buch herauszugeben, das über die Kaffeeauktionen handeln muß. Ganz Niederland wartet darauf, und nun geht Stern einen ganz anderen Weg. Gestern sagte er: »Seien Sie getrost, alle Wege führen nach Rom, warten Sie nur erst den Schluß der Einleitung ab« ... (ist das alles noch Einleitung?) »ich verspreche Ihnen, zum Schlusse kommt die Sache auf Kaffee, Kaffee, und nichts als Kaffee. Denken Sie an Horaz,« fuhr er fort, »hat er nicht bereits gesagt: Omne tulit punctum qui miscuit ... Kaffee mit etwas anderem? Handeln Sie nicht selber ebenso, wenn Sie Zucker und Milch in die Tasse thun?«
Da muß ich nun schweigen, nicht weil er recht hätte, sondern weil ich der Firma Last & Co. gegenüber verpflichtet bin dafür zu sorgen, daß der alte Stern nicht in die Hände von Büsselinck und Waterman falle, die ihn schlecht bedienen würden, weil sie Pfuscher sind.
Dir, Leser, schütte ich mein Herz aus; und damit du, nach dem Lesen von Sterns Geschreibe – hast du es wirklich[126] gelesen? – deinen Zorn nicht über ein unschuldig Haupt ausgießest – denn wer wird einen Makler nehmen, der ihn Menschenfresser schimpft? – verlasse ich mich darauf, daß du von meiner Unschuld überzeugt bist. Ich kann doch nun diesen Stern nicht aus der Firma meines Buches herausdrängen, nun die Sachen einmal so weit sind, daß Luise Rosemeyer, wenn sie aus der Kirche kommt (die Jungen scheinen ihr aufzulauern), fragt, ob er diesen Abend ein bißchen früh kommen werde, um doch recht viel von Max und Tine vorzulesen.
Weil du aber doch das Buch gekauft oder geliehen hast, im Vertrauen auf den würdigen Titel, der etwas Solides verspricht, erkenne ich deine Ansprüche auf etwas Gutes für dein Geld an, und darum schreibe ich nun selbst wieder ein paar Kapitel. Du bist nicht auf dem Gesellschaftsabend bei den Rosemeyers, Leser, und darum besser dran als ich, der das alles mit anhören muß. Dir steht es frei, die Kapitel, die nach deutscher Überschwänglichkeit riechen, zu überschlagen, und dich allein zu befassen mit dem, was von mir geschrieben ist, der ich ein würdiger Mann bin und Makler in Kaffee.
Mit Befremden habe ich aus Sterns Geschreibe vernommen, und aus Shawlmanns Paket hat er mir nachgewiesen, daß es wahr wäre, daß in dem Bezirk Lebak kein Kaffee gepflanzt wird. Das ist ein großer Fehler, und ich werde meine Mühe für reichlich belohnt erachten, wenn die Regierung durch mein Buch auf diesen Fehler aufmerksam gemacht wird. Aus Shawlmanns Papieren soll sich ergeben, daß der Boden für den Anbau von Kaffee nicht geeignet ist; doch ist das durchaus keine Entschuldigung, und ich behaupte, daß man sich einer unverzeihlichen Pflichtversäumnis gegen Niederland im allgemeinen und die Kaffeemakler im besonderen schuldig macht, ja sogar um die Javanen selbst, wenn man nicht entweder den Boden verändert (der Javane hat doch nichts weiter zu thun), oder, wenn sie meinen, das nicht zu können, die Menschen, die da wohnen, nach anderen Gebieten sendet, wo der Boden für Kaffee gut ist.
Ich sage nie etwas, was ich nicht gut überlegt habe, und ich wage zu behaupten, daß ich hier mit Sachkenntnis spreche, da ich über diese Angelegenheit reiflich nachgedacht habe, seit ich die Predigt von Pastor Wawelaar in der Betstunde zur Bekehrung der Heiden hörte.[127]
Das war Mittwoch abend. Du mußt wissen, daß ich meine Vaterpflicht gewissenhaft erfülle, und daß die sittliche Aufführung meiner Kinder mir sehr am Herzen liegt. Da nun Fritz seit einiger Zeit in Ton und Manieren etwas angenommen hat, was mir nicht gefällt (es kommt alles aus dem verwünschten Paket), habe ich ihn mir einmal vorgenommen und habe gesagt:
»Fritz, ich bin mit dir nicht zufrieden. Ich habe dir stets das Gute vorgehalten, und du weichst ab von dem guten Wege; du bist pedantisch und schwerfällig und machst Verse und hast Betsy Rosemeyer einen Kuß gegeben. Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang. Du mußt die Rosemeyers nicht küssen und nicht so pedantisch sein. Sittenlosigkeit führt zum Verderben: lies in der Schrift und betrachte diesen Shawlmann. Er hat die Wege des Herrn verlassen, jetzt ist er arm und wohnt in einem kleinen Kämmerchen. Siehst du, das sind die Folgen von Unsittlichkeit und schlechtem Betragen: er hat schlechte Artikel in die Indépendance geschrieben und die Aglaja fallen lassen; so geht es, wenn man weise ist in seinen eigenen Augen: er weiß nun nicht einmal, wie spät es ist, und sein Junge hat nur eine halbe Hose an. Bedenke, daß dein Leib ein Tempel Gottes ist, und daß dein Vater immer hart hat arbeiten müssen, um zu leben (es ist die Wahrheit). Schlage die Augen nach oben, und bemühe dich, zu einem anständigen Makler aufzuwachsen, wenn ich nach Driebergen gehe. Und hab acht auf die Menschen, die nicht auf guten Rat hören wollen, die Religion und Sittlichkeit mit Füßen treten, und spiegele dich an diesen Menschen. Und stell dich nicht mit Stern gleich, dessen Vater so reich ist, und der deshalb immer Geld genug haben wird, wenn er auch kein Makler werden will. Denke daran, daß das Schlechte stets bestraft wird: sieh wieder diesen Shawlmann an, der keinen Winterüberzieher hat und aussieht wie ein Komödienspieler. Paß in der Kirche hübsch auf, und drehe dich nicht so hin und her auf deiner Bank, als ob es dich langweilte; und laure nicht auf Mädchen, wenn es aus ist, denn das stört die Erbauung. Bringe auch Marie nicht zum Lachen, wenn ich beim Frühstück aus der Schrift lese; das paßt sich in einem anständigen Hause nicht. Auch hast du auf Bastiaans Schreibunterlage Figuren gemalt, als er wieder nicht da war, weil er öfters die Gicht hat, – das hält die Menschen auf dem Kontor von der Arbeit ab, und es steht in Gottes Wort, daß solche Dummheiten zum Verderben[128] führen. Der Shawlmann that auch solche Dinge, als er jung war: er hat als Kind auf dem Westermarkt einen Griechen geschlagen, jetzt ist er träge, schwerfällig und kränklich. Mach also nicht immer mit Stern solche Faxen: sein Vater ist reich – thue, als sähest du es nicht, wenn er dem Buchhalter Gesichter schneidet, und wenn er außerhalb des Kontors Verse vor hat, dann sage es ihm so gelegentlich, er solle lieber an seinen Vater schreiben, daß er es hier bei uns so gut hat, und daß Marie ihm Pantoffeln gestickt hat. Frag ihn so nebenbei, ob er meint, daß sein Vater zu Büsselinck & Waterman gehen werde, und sag ihm, daß das Pfuscher sind. Siehst du, so bringst du ihn auf den guten Weg, das ist man seinem Nächsten schuldig, und all das Versemachen ist Unsinn. Sei doch artig und gehorsam, Fritz, und zupfe das Mädchen nicht am Rock, wenn sie Thee aufs Kontor bringt, und mach mir nichts zu Schanden, denn dann fällt sie, und Paulus sagt, daß ein Sohn seinem Vater niemals Verdruß machen muß. Ich gehe schon zwanzig Jahre zur Börse, und ich kann sagen, daß ich geachtet bin an meinem Pfeiler. Höre deshalb meine Ermahnungen, Fritz, und hole deinen Hut und ziehe deine Jacke an, und gehe mit zur Betstunde, das wird dir gutthun.«
So habe ich gesprochen, und ich bin überzeugt, daß ich Eindruck auf ihn gemacht habe, besonders da Pastor Wawelaar zum Text genommen hatte: »Die Liebe Gottes, ersichtlich aus seinem Zorn gegen die Ungläubigen« (Samuels Fluch gegen Saul: 1. Sam. 15, 33).
Ich dachte beim Anhören seiner Rede fortwährend, wie himmelweit doch der Unterschied ist zwischen menschlicher und göttlicher Weisheit. Ich sagte bereits, daß in dem Paket von Shawlmann, unter vielem Plunder, auch etwas war, was sich durch Brauchbarkeit und Begründung auszeichnete. Aber wie wenig hat doch so etwas zu bedeuten, wenn man es mit einer Rede wie Pastor Wawelaars vergleicht. Und nicht aus eigener Kraft; denn ich kenne Wawelaar und halte ihn für einen ziemlich mittelmäßigen Menschen, – nein, durch die Kraft,[129] die von oben kommt. Der Unterschied trat um so deutlicher zu Tage, als er viele Punkte berührte, die auch Shawlmann behandelt hatte; denn ihr habt gesehen, daß in dem Paket viel über Javanen und andere Heiden vorkam. (Fritz sagt, daß die Javanen keine Heiden seien; aber ich nenne jeden, der einen falschen Glauben hat, einen Heiden.)
Sowohl, weil ich aus Wawelaars Beweisführung meine Meinung geschöpft habe über die Unmöglichkeit, die Kaffeekultur in Lebak einzuführen, worauf ich noch zurückkomme, – als auch, weil ich es als ehrlicher Mann nicht dulden kann, daß der Leser für sein Geld gar nichts empfange, will ich hier einige Bruchstücke aus der Predigt, die besonders treffend waren, mitteilen.
Er hatte kurz Gottes Liebe aus den angeführten Textworten bewiesen, und war dann sehr schnell zu dem Punkte übergegangen, auf den es hier hauptsächlich ankam, nämlich die Bekehrung von Javanen, Malayers und wie all das Volk da heißen mag.
»So, meine Geliebten! war der Beruf von Israel« (er meinte das Ausrotten der Bewohner von Kanaan) »und so ist der Beruf von Niederland! Nein, es soll nicht gesagt werden, daß das Licht, das uns erleuchtet, unter den Scheffel gesetzt worden ist, nicht, daß wir geizig seien im Mitteilen des Brotes des ewigen Lebens. Wendet die Augen auf die Eilande des Indischen Oceans, bewohnt von Millionen und Abermillionen Kindern des verstoßenen Sohnes – und des zu Recht verstoßenen Sohnes des edlen gottgefälligen Noah. Dort kriechen sie herum in den ekelhaften Schlangenhöhlen heidnischer Unkenntnis, dort beugen sie das schwarze kraushaarige Haupt unter das Joch gewinnsüchtiger Priester. Dort beten sie zu Gott unter Anrufung eines falschen Propheten, der ein Greuel ist vor den Augen des Herrn; und, Geliebte! es giebt ihrer, die, als wäre es noch nicht genug, einem falschen Propheten zu gehorchen, es giebt sogar solche, die einen anderen Gott, was sage ich! die Götzen anbeten, Götzen von Holz oder Stein, die sie selbst gemacht haben nach ihrem Bilde, schwarz, abscheulich, mit platten Nasen, wie die Teufel! Ja, Geliebte, beinahe hindern mich die Thränen, hier fortzufahren, noch tiefer ist die Verworfenheit von Hams Geschlecht. Es giebt unter ihnen welche, die gar keinen Gott kennen, unter welchem Namen auch immer, die es für genügend halten, die Gesetze der bürgerlichen Gesellschaft zu befolgen, die ein Erntelied, in dem sie ihre Freude über den Erfolg[130] ihrer Arbeit ausdrücken, als genügenden Dank für das höhere Wesen betrachten, das diese Ernte reifen ließ. Es sind da Verirrte, meine Geliebte! die da meinen, es sei genug, Weib und Kind lieb zu haben, und dem Nächsten nicht zu nehmen, was ihnen nicht gehört, um des Abends ruhig das Haupt zur Ruhe legen zu können! Schaudert euch nicht bei diesem Gemälde, krampft sich nicht euer Herz zusammen, wenn ihr denkt, was das Schicksal aller dieser Thoren sein wird, wenn die Posaune schallen wird, die die Toten aufrufen soll zur Trennung der Rechtschaffenen von den Sündern? Hört ihr nicht – ja, ihr hört es, denn aus den vorgelesenen Textworten habt ihr gesehen, daß euer Gott ist ein mächtiger Gott und ein Gott der gerechten Rache – ja, ihr hört das Krachen der Knochen und das Prasseln der Flammen in dem ewigen Gehenna, da ist Heulen und Zähneklappen: – dort, da brennen sie und vergehen nicht, denn ewig ist die Strafe – dort leckt die Flamme mit nimmersatter Zunge an den heulenden Opfern des Unglaubens – da stirbt der Wurm nicht, der ihre Herzen durch und durch zernagt, ohne sie zu vernichten, daß immer noch ein Herz überbleibe zu zernagen in der Brust des Gottesleugners. Sieh, wie man die schwarze Haut abzieht von dem ungetauften Kinde, das, kaum geboren, von der Mutter Brust fortgeschleudert wurde in den Pfuhl der ewigen Verdammnis ...«
Hier fiel eine Jüffrouw in Ohnmacht.
»Aber, Geliebte!« fuhr Pastor Wawelaar fort, »Gott ist ein Gott der Liebe. Er will nicht, daß der Sünder verloren gehe, sondern daß er selig werde mit der Gnade in Christus, durch den Glauben! Und darum ist Niederland auserkoren, von den Unseligen zu retten, was zu retten ist. Dazu hat er in seiner unerforschlichen Weisheit einem Lande, klein von Umfang, aber groß und stark durch die Kenntnis Gottes, Macht gegeben über die Bewohner dieser Lande, damit sie, durch das heilige, nie genug gepriesene Evangelium, gerettet werden aus den Strafen der Hölle. Die Schiffe Niederlands befahren die großen Wasser und sie bringen Kultur, Religion, Christentum zu den verirrten Javanen. Nein, unser glückliches Niederland begehrt nicht für sich allein die Seligkeit; wir wollen sie auch den unglücklichen Geschöpfen der fernen Küsten mitteilen, die da gebunden liegen in den Fesseln von Unglauben, Aberglauben und Sittenlosigkeit, – und die Betrachtung der Pflichten, die demzufolge auf uns ruhen, soll den siebenten Teil meiner Rede ausmachen.«[131]
Nämlich, was voraufging, war der sechste. Unter den Pflichten, die wir in Bezug auf die armen Heiden zu erfüllen haben, wurden genannt:
1. das Geben reichlicher Beiträge in Geld an die Missionsvereinigung;
2. das Unterstützen der Bibelgesellschaften, um diese instandzusetzen, Bibeln auf Java auszuteilen;
3. das Errichten von Übungsschulen zu Harderwijk für das koloniale Werbedepot;
4. das Schreiben von Predigten und religiösen Gesängen, geeignet, durch Soldaten oder Matrosen den Javanen vorgelesen oder vorgesungen zu werden;
5. das Aufrichten einer Vereinigung von einflußreichen Männern, deren Aufgabe sein solle, unseren verehrten König zu bitten:
a. nur solche Gouverneure, Offiziere und Beamte zu ernennen, die man als fest im wahren Glauben ansehen könne;
b. den Javanen zu erlauben, die Kasernen, sowie die auf den Reeden liegenden Kriegsschiffe und Kauffahrer zu besuchen, um durch den Verkehr mit niederländischen Soldaten und Matrosen zu dem Gottesreich geleitet zu werden;
c. zu verbieten, daß Bibeln oder religiöse Traktate in Wirtshäusern als Bezahlung angenommen werden;
d. in die Bestimmungen über die Opiumpacht auf Java die Vorschrift aufzunehmen, daß in jeder Opiumkneipe eine Zahl Bibeln vorhanden sein müsse, im Verhältnis mit der vermutlichen Zahl der Besucher einer solchen Einrichtung; und daß der Pächter sich verpflichten müsse, keinen Opium zu verkaufen, ohne daß der Käufer ein religiöses Traktätchen dazu nähme;
e. zu befehlen, daß der Javane durch Arbeit zu Gott geführt werde;
6. das Geben reichlicher Beiträge in Geld an die Missionsvereinigung.
Ich weiß wohl, daß ich diesen letzten Punkt schon unter Nummer Eins aufgeführt habe; aber er wiederholte es, und solche Überzähligkeit kommt mir im Feuer der Rede sehr erklärlich vor.
Aber, Leser, hast du wohl aufgepaßt auf Nummer 5e? Ja, das war etwas, was mich so sehr an die Kaffeeversteigerungen und an die angebliche Unfruchtbarkeit des Lebakschen[132] Bodens erinnerte; es wird dir nun nicht mehr auffallend vorkommen, wenn ich dir versichere, daß dieser Punkt seit Mittwoch abend nicht aus meinen Gedanken gekommen ist. Pastor Wawelaar hat die Berichte der Missionare vorgelesen; kein Mensch kann also seine gründliche Sachkenntnis bezweifeln. Nun, wenn er, mit den Berichten vor sich und mit dem Auge auf Gott, behauptet, daß viel Arbeit günstig wirken werde, um die javanischen Seelen für das Gottesreich zu erobern, dann kann ich wohl sagen, ohne so ganz die Wahrheit zu verfehlen, daß zu Lebak sehr gut Kaffee gepflanzt werden kann, und noch mehr: daß vielleicht das höhere Wesen diesen Boden bloß deswegen so ungeeignet zur Kaffeekultur gemacht hat, um durch die Arbeit, die nötig ist, um einen anderen Grund dahin zu verlegen, die Bevölkerung dieser Strecke für die Seligkeit zugänglich zu machen.
Ich hoffe doch, daß mein Buch dem Könige zu Gesicht kommen wird, und daß bald durch größere Versteigerungen ersichtlich werden möge, wie eng die Kenntnis Gottes in Verbindung steht mit dem wohlverstandenen Interesse der ganzen Bürgerschaft. Sieh einmal, wie der einfache niedrige Wawelaar, ohne Weisheit nach menschlichen Begriffen (der Mann hat nie den Fuß auf die Börse gesetzt), aber erleuchtet durch das Evangelium, das eine Lampe ist auf seinem Pfad, mir, Makler in Kaffee, da plötzlich einen Wink gegeben hat, der nicht allein für ganz Niederland wichtig ist, sondern der auch mich instandsetzen kann, vielleicht, wenn Fritz gut aufpaßt (er hat sehr stillt gesessen), fünf Jahre früher nach Driebergen zu gehen. Ja, Arbeit, Arbeit, das ist meine Parole – Arbeit für den Javanen, das ist mein Prinzip, und Prinzipien sind mir heilig.
Ist nicht das Evangelium das höchste Gut? Geht etwas über die Seligkeit? Ist es nicht also unsere Pflicht, diese Menschen selig zu machen? Und wenn als Hilfsmittel dazu die Arbeit nötig ist – ich selbst habe zwanzig Jahre die Börse besucht – dürfen wir dann dem Javanen die Arbeit verweigern, wo doch seine Seele ihrer bedarf, um später nicht zu brennen? Selbstsucht würde es sein, schändliche Selbstsucht, wenn wir nicht alle Mittel anwendeten, um die armen verirrten Menschen vor der schrecklichen Zukunft zu behüten, die Pastor Wawelaar so beredsam geschildert hat. Eine Jüffrouw ist in Ohnmacht gefallen, als er von dem schwarzen Kinde sprach; vielleicht hatte sie einen Jungen, der etwas dunkel aussah, Frauen sind so.[133]
Und sollte ich nicht auf Arbeit dringen, der selbst vom Morgen bis zum Abend an die Geschäfte denkt? Ist nicht selbst dieses Buch, das Stern mir so sauer macht, ein Beweis, wie gut ich es meine mit der Wohlfahrt des Landes, und wie ich dafür alles übrig habe?
Und wenn ich so schwer arbeiten muß, ich, der ich getauft bin (in der Amstelkirche), soll man dann von dem Javanen nicht fordern dürfen, daß er die Hände ausstreckt, er, der seine Seligkeit noch verdienen soll?
Wenn diese Vereinigung (von Nummer 5e meine ich) zustande kommt, schließe ich mich ihr an, und ich werde auch die Rosemeyers zu gewinnen suchen, denn die Zuckerraffinadeure haben auch Interesse daran, wenn ich auch nicht glaube, daß sie in ihren Begriffen sehr sauber sind, die Rosemeyers meine ich, denn sie haben ein katholisches Dienstmädchen.
Wie es auch sei, ich werde meine Pflicht thun. Das habe ich mir selbst gelobt, als ich mit Fritz von der Betstunde nach Hause ging. In meinem Hause soll dem Herrn gedient werden, dafür werde ich sorgen, und mit um so mehr Eifer, da ich je länger je mehr einsehe, wie weise alles geregelt ist, wie liebreich die Wege sind, durch die wir an Gottes Hand geleitet werden, wie er uns behüten will für das ewige und für das zeitliche Leben, denn dieser Grund und Boden zu Lebak kann sehr gut geeignet gemacht werden zur Kaffeepflanzung.
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