XV. Brief.

Der Herr von S. an den Magister Wilibald.

[101] Grandisonhall den 5 August.


Hochgeehrtester Herr Magister,


Ich lobe Ihren Entschluß, den Doctor Bartlett nachzuahmen; Sie sind aber in gewissen Stücken gar zu zärtlich. Ein Staatskluger muß selbst ein Urbild werden und sich fortzupflanzen suchen. Ich kann Ihnen nunmehro die Gewissens fragen, welche Sie an mich thun, um desto leichter beantworten. Sie können, geliebter Freund, ganz wohl auf der Orgel spielen, ohne daß Doctor Bartlett dergleichen thut. Es würde sich aber dieser rechtschaffene Geistliche gar kein Bedenken daraus machen, wenn ihn Sir Carl nur mit einer Mine ersuchte. Sie können auch nach dem Beispiele Bartletts auf die Jagd reiten, und den Magister dabei eben so wenig als jener den Doctor vergessen. Das Mäntelgen, das er umthut, ist sehr kurz, und[102] wie eine Saloppe gemacht, mit welchem er durch alle Hecken rennen kann. Wie konnte ich aber die Sache mit dem Feuerwerke verschweigen? Sir Carl war außerordentlich darüber erfreut, und wird auf künftige Woche, meinem Oncle zu Ehren, ein Hahnengefechte anstellen, zu welchen Schauspiel alle benachtbarte Edelleute bereits eingeladen sind. Sir Carl bewundert vornämlich Ihren in Gefahr unerschrockenen Geist. Zehen andere Magisters wären für dem schelmischen Bader geflohen, zumal, da ihn sein tölpischer Geselle unterstützte; Allein Sie wissen die Rotte nicht nur zu entwaffnen; sondern auch zu besänftigen. Dieser einzigen Begebenheit wegen verdienen Sie unsterblich zu seyn: und wenn mein Oncle Sie nicht nach Verdiensten belohnt, so werde ich mich von ihm lossagen. Wer wird dabei alle Müh mit mehreren Vergnügen anwenden, als

Dero

getreuer Freund.

v.S.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Erster bis dritter Theil, Band1, Eisenach 1760, S. 101-103.
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