XLVII. Brief.

Der Doctor Bartlett an den Magister.

[366] Grandisonhall den 7 Oct.


Hochgeehrtester Herr Magister,


Wie gerne erfülle ich doch die Befehle meines Gönners, wenn er mir den Auftrag thut, Ihren Herrn Principal sowohl, als Sie selbsten, von seiner Hochachtung und Ergebenheit zu versichern. Er wünschet aufrichtig, mehr als eine schriftliche Versicherung seiner Freundschaft dem Herrn von N. geben zu können: allein jetzo siehet er sich in die verdrüßliche Nothwendigkeit versetzt, solche durch mich nochmals schriftlich wiederholen zu lassen; da alle Hoffnung verlohren ist, solches auf eine nachdrücklichere Art zu thun. Ihr Herr Principal hat vor einiger Zeit die Bittschrift seiner Unterthanen an meinen Gönner mit einem Erzählungsschreiben zu begleiten die Güte gehabt. Sir Carl bezeigte uns sein empfindliches Mitleiden über die unglücklichen Schicksale,[367] welche seit einem Jahrhundert und drüber, das ihm zugehörige Dorf Kargfeld betroffen haben. Er bedauerte hauptsächlich, daß das Absterben der verehrungswürdigen Frau Shirlei zufälliger Weise zu einem neuen Unglücke Gelegen heit gegeben. Wenn ihn nicht schon seine Menschenliebe geneigt gemacht hätte, die Bitte dieser Gemeinde zu erfüllen; so würde doch die Hochachtung gegen seinen Freund, den Herrn v.N., und die Pflicht gegen die fromme Mutter seiner Gemahlin ihn hierzu angetrieben haben. Er bemüthe sich dahero aus allen Kräften, es dahin zu bringen, daß eine Collecte für die Kirche in Kargfeld durch ganz Brittanien möchte ausgeschrieben werden; allein die Sache war zu wichtig, als daß man sie ohne Gutheißung des Parlaments zur Ausführung hätte bringen können. Aus dieser Ursache begab sich der Herr Baronet selbsten nach Londen, und besprach sich von dieser Angelegenheit mit vielen seiner Herren Kollegen, mit vielen Gliedern des Unterhauses. Er war so glücklich, keine geringe Anzahl derselben[368] auf seine Seite zu bringen. Die Sache wurde so gut eingeleitet, daß man an einem glücklichen Erfolg nicht zweifelte. Am 11 Sept. wurde der Bill wegen Einsammlung dieser Collecte durch ganz Brittannien für die Kirche zu Kargfeld, um ersten male gelesen, und paßirte ohne Widerrede. Den 13. Sept. da er zum andern male gelesen wurde, setzte es deswegen heftige Streitigkeiten. Die Gemüther wurden gegen einander erhitzt, und die Sitzung dauerte bis Abends um 9 Uhr. Am 18. da man ihn zum letzenmale las, wurde die, Einsammlung dieser Collecte mit 284 Stimmen gegen 113. verworfen. Herr Grandison war an diesem Tage in dem Unterhause, davon er ein Glied ist, und that alles, die Verwerfung dieses Bills zu hintertreiben; allein diesmal liefen seine Bemühungen fruchtlos ab.


Ich gab ihm hierauf den Rath, auf seine eigene Kosten eine mäßige Glocke gießen zu lassen, und solche der Gemeinde in Kargfeld zu verehren. Er folgte meinem Rathe, und[369] war so eilfertig, dieses gute Werk auszuführen, daß solche schon am 27. September eingeschiffet wurde. Aber wenn Unglück seyn soll; so muß sich alles fügen. Aus Vorsicht war diese Glocke in ein Schlagfaß eingepackt; allein ein vortheilsüchtiger Zollbedienter ließ dieses Schlagfaß mit Gewalt öffnen, und da er eine Glocke darinnen erblickte, erklärte er solche alsbald für Contreband. Sie war verfallen. Ich hatte selbst den Schmerz, sie in Londen in die Stückgießerei bringen zu sehen. Es soll eine sechzehnpfündige Kanone daraus gegossen werden, welche den Namen der Glocke von Kargfeld beibehalten, und vielleicht in der ersten Belagerung einer Vestung sich berühmt machen wird. Sehen Sie, geliebtester Freund, daß es also keinesweges an meinem Gönner lieget, wenn er den Eifer, seinen Freunden in Deutschland Gefälligkeiten zu erzeigen, nicht, wie er wünschet, thätig erweisen kann. Erwarten Sie nebst mir einen günstigern Augenblick, der vielleicht alles das zur Wirklichkeit bringet, was jetzo nur noch bloße Wünsche sind.[370] Sie haben mir in Dero letztern Briefe den unglücklichen Bornseil empfohlen. Wie nahe geht es mir, daß ich auch in Ansehung seiner, nichts anders als gute Wünsche thun kann. Ich wollte, daß er hier wäre, ich wünschte, daß er nur etwas von dem Ueberflusse der Pachter Sir Carls genüßen könnte, und ich bin versichert, daß er vollkommen zufrieden seyn würde. Mit gutem Gewissen kann ich den ehrlichen Mann nicht rathen, eine Reise nach England zu unternehmen. Gesetzt, daß er der stürmischen See und den Kaperschiffen, welche um unsre Insel herum schwärmen, entginge; wie schwer würde es ihm werden, in unsern Häfen sich für größern Gefährlichkeiten zu hüten. Die Matrosenpressung wird jetzo hier mit aller Macht getrieben; wenn dieser gute Mann einem unbarmherzigen Werber in die Hände fiel; so würde er ohne Rettung verlohren seyn. Würde er nicht hernach Ursache haben, mit Rechte so wohl über Sie, als mich, seine Klaglieder anzustimmen? Mein Gönner ist der Meinung, er sollte die Regel des weisen Sittenlehrers[371] beobachten, in seinem Vaterlande bleiben, und sich ehrlich nähren; so würde das alte Schprichwort von ihm erfüllet werden: artem quaevis alit terra. Meine Geschäfte wollen mir das Vergnügen nicht länger erlauben, mich mit ihnen zu unterreden. Ich kann meinem Briefe nichts weiter beifügen, als eine Bitte, meinen Gönner und die Seinigen, wozu ich auch gehöre, dem Herrn von N. bestens zu empfehlen; sich aber selbst zu versichern, daß ich mir jederzeit ein außerordentliches Vergnügen daraus machen werde, mit der vollkommensten Aufrichtigkeit zu seyn,


Meines Hochgeehrtesten Herrn Magisters

ergebenster Diener und Vorbitter,

Ambrosius Bartlett. D.

Quelle:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite,Erster bis dritter Theil, Band 2, Eisenach 1761.
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