[5] Ich hatte mir durch die Geschichte von König Remphis allgemeinen Beyfall erworben; nur Eine Person aus der Gesellschaft schien über dieselbe betroffen und beschämt zu seyn.

Rusma! sagte die königliche Termuthis, indem sie mich umarmte; voll Lehren der Weisheit sind deine Erzählungen, du wähltest diese absichtlich, um thörichten Stolz zu demüthigen, und thörichte Liebe in die Schranken der Klugheit zurück zu weisen. Wie können die Abkömmlinge des Baumeisters von Elephantine sich mit dem Göttergeschlecht des Königs Pharao Menes in eine Klasse setzen? und wird nicht ein verblendetes Mädchen bald[5] einsehen lernen, daß der Elende, der ihr mit Liebe schmeichelt, vielleicht ein Thasus ist, welcher unter der Larve einer rühmlichen Leidenschaft, teuflische Bosheit verbirgt, mit welcher er sie in den Abgrund des Verderbens stürzen wird.

Ich verstand nichts von dem, was Termuthis mit diesen Worten sagen wollte. Die geschwätzige Nephtis öffnete mir hierüber einigermaßen die Augen.

Sahst du, sprach sie bey der ersten Gelegenheit, die sich ihr darbot mit mir allein zu seyn, sahst du, wie sich die hohen Augen der stolzen Amesses zur Erde senkten, als du die Geschichte ihrer Ahnen erzähltest? Sie rühmt sich, vom König Remphis abzustammen, aber die Enkelin des verachteten Thonis wünscht sie nicht zu seyn.

Möchte nur, setzte Iphis hinzu, unsere Prinzessin sich an dem Beyspiel der unglücklichen Faöué spiegeln! Die große[6] Termuthis ließ nicht ohne Ursach so deutliche Winke auf die verrätherischen Bewerbungen des boshaften Thasus fallen. Amur, dessen Vater von dem Geschlecht, aus welchem Zaide stammt, ehedem großes Unrecht erlitten hat, könnte leicht bey seiner betrogenen Liebhaberin so wohl als der Sohn des Baumeisters bey König Remphis Tochter Rache statt Liebe zu befriedigen suchen!

Erst in den folgenden Tagen, da ich die Geschichte Zaidens und Amurs umständlicher erfuhr, lernte ich in dem, was ich heute von diesen Dingen hörte, heller sehen, auch meine Leserinnen werden bis dahin in Dunkelheit bleiben, und ich verspare daher die Andeutung des Einflusses meiner Erzählungen auf das Schicksal mehrerer Personen, – auch auf das meinige, – bis ich mich bestimmter über diese Dinge ausdrücken kann.[7]

Nur noch einen, mir damals höchst seltsam dünkenden Umstand:

Als ich des andern Tages gerufen ward, wieder in Gegenwart der Dame Amesses, und ihrer Almés, welche sich einige Tage bey uns aufhalten wollten, meine Talente zu zeigen, kam mir die Prinzessin Zaide am Eingange der Allee entgegen, welche zu einer Grotte führte, wo ich diesesmal, während Termuthis und Amesses badeten, deklamiren sollte.

Rusma, sagte sie, indem sie mich an ihre Brust drückte, bist du eine Sterbliche oder eine Göttin, die der Himmel ein Paar unglücklichen Liebenden zu Hülfe sandte? – Fahre fort, wie du gestern begonnen hast! Enthält das, was wir heute hören werden, so viel Trost für uns, so viel Unterricht in den Mitteln, ein unerreichbar geglaubtes Glück zu erlangen, als die schöne Geschichte von Thonis und[8] Faöué, und die, von dem treuen1 Phyticus, welcher der äthiopischen Prinzessin zu Liebe sich in Weiberkleider hüllte, so rechne auf meine Dankbarkeit, und auf mein vollkommenes Zutrauen. Zum Unterpfand des letzten erfahre hier den Namen, mit welchem ich mich am liebsten bezeichnen lasse. Nenne mich nicht mehr Zaide, nenne mich Hermunthis, die Ursach hiervon erfährst du künftig, denn siehe, hier werden wir gestört.

Ließ es sich doch fast ansehen, als ob ich, ohne es zu wissen und zu wollen, mit meinen Mährchen jedes Herz auf meine Seite lenkte! Die Mutter und die Tochter dankten mir für das, was ich gesagt hatte, aus ganz verschiedenen Bewegungsgründen. Beyde mußten meine Worte aus sehr entgegengesetzten Gesichtspunkten betrachtet[9] haben. – Mir waren dieses undurchdringliche Geheimnisse. Erläuterung derselben, die ich vielleicht auf der Stelle von der sogenannten Hermunthis würde erhalten haben, ward durch Dazwischenkunft einer dritten Person gehindert.

Es war eine von den mitgebrachten Almés der Dame Amesses, ein großes schönes Mädchen, das etwas Außerordentliches an sich hatte. Hermunthis schien sich mit ihr allein unterhalten zu wollen. Ich entfernte mich und betrat bald darauf in Gesellschaft der beyden Andern, die sich nach wenig gewechselten Worten wieder zu mir gesellten, die Grotte, wo ich folgende Geschichte, nicht nach eigener Wahl, sondern nach Maaßgabe des Buchs des weisen Sopher vortrug.

Fußnoten

1 Sie ist hier, um die Sammlung nicht zu sehr zu mehren, ausgelassen worden.


Quelle:
Benedikte Naubert: Alme oder Egyptische Märchen. Theil [1]–5, Teil 3, Leipzig 1793.
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