Sechstes Kapitel
Gute Lehren einer Matrone vor der Trauung

[37] Dieses kleine Haus, und dieser Garten, das einige was uns von unserm ehemaligen Vermögen übrig ist, war der Ort, wo unsere Verbindung gefeyert ward. – O Kinder! Kinder! ihr glaubt, wie nun die heutige Welt ist, nicht an Ahndungen, aber was würdet ihr sagen, wenn ich euch versicherte, daß, als Madam Haller, mich den Tag nach meiner Ankunft in die Stadt, an diesen angenehmen Ort führte, mir es nicht anders war, als flüsterte mir eins ins Ohr: diese Gegenden werden dich an einem der wichtigsten Tage deines Lebens sehen. – Und sie selbst, meine Wohlthäterinn, war mirs nicht bey ihrem ersten Anblick, als müßte ich ihr in die Arme sinken, und sie Mutter nennen? als säh ich im Geiste voraus, was sie mir einst werden würde? – Zwar, wenn ichs recht überdenke, bey andern mich noch näher angehenden Gegenständen schwiegen diese innern Vorempfindungen; bey Herrn Hallers Anblick, fühlte ich nicht viel, und ich besinne mich nur ein einigesmal, daß mir etwas seinetwegen ahndete: Madam Haller nahm mich kurz vor der Trauung hier in dieses Zimmer; Nichte, sagte sie zu mir, sey hübsch andächtig bey dem, was man dir vor dem[37] Altar sagen wird. Doch noch eins; bey den Worten: er soll dein Herr seyn, kannst du an etwas anders denken; dein künftiger Mann braucht Beherrschung, du aber nicht. Wie ein Pfeil giengen mir diese Worte durchs Herz, es war, als säh ich manche traurige Scenen in der Zukunft vor mir, als fühlte ich es, daß ich glücklicher bey einem Manne seyn würde, dem ich meinen Gehorsam so recht aus ganzem Herzen geloben, bey dessen Führung ich hoffen könnte, alle Tage besser zu werden. – Doch nichts mehr von Ahndungen!

Mein guter Vater erhielt nach vieler Schwürigkeit die Erlaubniß uns zusammen zu geben. Er hielt seine so lang meditirte, so oft wieder beyseite gelegte Trauungsrede. Er stellte im ersten Theile die fromme und geduldige Hanna, und im andern die mit vielen Kindern gesegnete Peninna vor. Die Deutung war, wie ihr denken könnt, ganz auf mich. Es war in der That recht schön zu hören, auch schien Herr Haller, welches mich wunderte, Achtung gegeben zu haben, denn er versicherte mich, als er mich vom Altare führte, daß er mir nie Gelegenheit geben würde, die Geduld der Hanna auszuüben, von welcher mein Vater im ersten Theile so viel gesagt hatte. Ach wie oft hätte ich ihn in der Folge an dieses Versprechen erinnern können, wenn solche Erinnerungen gut thäten![38]

Quelle:
Benedikte Naubert: Die Amtmannin von Hohenweiler. Bdchen. 1–2, Band 1, Mannheim 1791, S. 37-39.
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