22.


Arzney, die auf einmal genommen wurde.

[80] Eine Frau erhielt aus der Apotheke ein Glas voll Arzney, nebst der Verordnung, daß sie alle zwey Stunden einen Löffel voll davon einnehmen sollte. Sie glaubte, daß eine so geringe Portion unmöglich viel wirken könne, und entschloß sich daher, das Arzneyglas auf einmal auszuleeren. Sie wurde hierauf gesund. Als sie der Arzt wieder besuchte, erzählte sie ihm, daß sie gesund geworden sey, aber nicht nach seiner Vorschrift, sondern sie habe es besser gewußt, nämlich sie habe das ganze Glas voll auf einmal genommen. – Der Arzt half sich schnell durch eine List aus der Verlegenheit. »Das habe ich wohl gewußt, sagte er, daß sie davon gesund werden würden, allein das wollte ich nicht haben, daß sie so schnell wieder gesund werden sollten, denn mein eigner Vortheil leidet darunter, wenn ich allzugeschwind kurire.«

Quelle:
[Nebel, Ernst Ludwig Wilhelm:] Medicinisches Vademecum für lustige Aerzte und lustige Kranken [...] Theil 1–4, Frankfurt, Leipzig 1795 (Bd. 1), 1796 (Bd. 2); Berlin, Leipzig 1797 (Bd. 3); Berlin, Leipzig 1798 (Bd. 4), S. 80.
Lizenz:
Kategorien: