[63] 1.2.3.4.
(Bühne frei)Fad (allein)Trüb, dannFroh, Marie,
Brigittedann Schlankel,
dann Hutzibutz
Melancholisch.
TRÜB. Jetzt will ich den Brief wieder hinstecken.
Phlegmatisch.
FAD. Ich hol' mir den Brief jetzt.
Melancholisch.
TRÜB. Ich weiß nun alles.
Phlegmatisch.
FAD. Ich weiß eigentlich noch gar nix, wenigstens nix G'wisses.
Melancholisch.
TRÜB. Meine Tochter ist schuldig. Steckt den Brief wieder in die Rocktasche und hängt den Rock über die Stuhllehne.
Phlegmatisch.
FAD: 's Mädel kann ja unschuldig sein. Nimmt den Brief aus dem Tabakbeutel und entfaltet ihn langsam.
[63] Sanguinisch.
FROH kommt mit Marien, welche beschäftigt ist, das Blumenbukett an einer Haube zu richten, aus der Seite. Das macht alles zusammen vierzehn Personen, das is mir viel zu wenig, du mußt sagen, wer noch eing'laden werden soll.
MARIE. Der Felix wird schon Bekannte haben.
FROH. Wenn er nur da wär', der Bub, der!
Phlegmatisch.
FAD liest. »Seele meiner Seele, Leben meines Lebens!« Das is ein dummer Kerl, der!
Sanguinisch.
SCHLANKEL zur Mitte eintretend. Herr von Froh!
FROH. Na, Sie lassen sich hübsch Zeit!
SCHLANKEL. Bitt' nur Platz zu nehmen, die Frisur wird gleich in der Ordnung sein.
FROH sich setzend. Sie werden so lang meinen Kopf vernachlässigen, bis ich einmal über den Ihrigen komm'.
Melancholisch.
TRÜB in die Seitentüre rufend. Brigitte!
Sanguinisch.
SCHLANKEL hat die Spiritusmaschine hingestellt und das Brenneisen genommen; leise zu Froh. Schicken S' die Fräul'n Tochter fort!
FROH leise. Warum denn?
HUTZIBUTZ mehrere Kleidungsstücke auf dem Arm tragend, tritt zur Mitte ein.
SCHLANKEL Hutzibutz erblickend, leise. Da haben wir's, jetzt is es schon zu spät! Er is schon da.
FROH leise. Wer?
SCHLANKEL ebenso. Der Helfershelfer!
[64] Melancholisch.
BRIGITTE aus der Seitentüre kommend. Was befehlen Euer Gnaden?
TRÜB. Meinen Hut!
BRIGITTE in die Seitentüre ab.
Sanguinisch.
HUTZIBUTZ. So, jetzt is wieder alles sauber g'macht; aber wie Euer Gnaden die Kleider zurichten, das is stark!
FROH. Leg alles dorthin! Zeigt nach dem Stuhl links im Vordergrunde.
Phlegmatisch.
FAD liest. »Alles ist bereitet zur Flucht!«
Sanguinisch.
HUTZIBUTZ für sich. Das is dumm, sie steht auf der andern Seiten drüben. Legt die Kleider auf den Stuhl.
Phlegmatisch.
FAD liest. »Ich hole dich noch heute vormittag.« – – Hm, hm!
Sanguinisch.
Schlankel und Froh sind in der Mitte, Marie rechts, Hutzibutz links.
SCHLANKEL während des Frisierens, leise zu Froh. Jetzt werden Sie gleich was sehen, nur immer ein halbes Aug' auf 'n Hutzibutz, und nix dergleichen tun!
MARIE für sich. Sollte der Hutzibutz keine Nachricht haben an mich?
Phlegmatisch.
FAD liest. »Bis ans Ende der Ewigkeit mit heißer Sehnsucht, mit glühendem Verlangen Dein Robert.« Den Kopf schüttelnd. Hm, hm!
[65] Sanguinisch.
HUTZIBUTZ zeigt Marien verstohlen den Brief.
SCHLANKEL leise zu Froh. Haben Sie bemerkt?
FROH leise. O, du Teuxelsg'schicht'! Ein Brief!
SCHLANKEL wie früher. Nur still!
Melancholisch.
TRÜB. Ich will mich überzeugen, und dann –
Sanguinisch.
HUTZIBUTZ hängt einen Gehrock an einen Nagel in der Wand ganz vorne links auf und steckt den Brief wie einen Haarzopf in den Kragen.
MARIE fängt verstohlen drüber zu lachen an. Nein, was der Hutzibutz treibt!
SCHLANKEL während dem Frisieren, leise. Sehen S', wo der Brief steckt?
FROH mit unterdrücktem Lachen. Als wie ein Haarzopfen.
Phlegmatisch.
FAD den Kopf schüttelnd. Hm, hm – hm, hm!
Sanguinisch.
HUTZIBUTZ laut zu Froh. Ich empfehl' mich! Im Abgehen für sich. Nein, wie ich die ganze Welt papierl', das is wirklich einzig! Zur Mitte ab.
Melancholisch.
BRIGITTE den Hut bringend. Da is der Hut. Ich weiß nicht, Euer Gnaden kommen mir so bedenklich vor.
TRÜB. Bedenklich? Ich habe alles bedacht.
Sanguinisch.
MARIE um Gelegenheit zu finden, zum Brief zu kommen. Der hat aber die Kleider so unordentlich hingelegt –[66]
FROH. Laß du s' nur liegen und geh jetzt hinein, ich hab' mit 'n Herrn Schlankel was z' reden.
MARIE. Aber –
FROH. Hineingehst, hab' ich g'sagt!
MARIE für sich. Jetzt is es unmöglich, dazuzukommen.
Melancholisch.
BRIGITTE. Wohin gehn Euer Gnaden? Welchen Weg?
TRÜB. Gleichviel, alle Wege führen zu den Toten. Geht zur Mitte ab.
BRIGITTE sieht ihm traurig nach und geht in die Seitentüre ab.
Sanguinisch.
MARIE. Wenn der Papa die Korrespondenz erwischt, das wird eine schöne Historie! Geht, kichernd nach dem Brief sehend, in die Seitentüre ab.
FROH zu Schlankel. Was geht denn da eigentlich vor?
SCHLANKEL. Vor geht nichts, aber durch will was gehn.
FROH. Mir geht ein Licht auf!
SCHLANKEL. Nur lesen! Die Frisur ist fertig, ich mach' mein Kompliment! Zur Mitte ab.
Buchempfehlung
Das chinesische Lebensbuch über das Geheimnis der Goldenen Blüte wird seit dem achten Jahrhundert mündlich überliefert. Diese Ausgabe folgt der Übersetzung von Richard Wilhelm.
50 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro