Fünfter Auftritt

[249] Titus Feuerfuchs tritt während des Ritornells des folgenden Liedes erzürnt von rechts vorne auf.


Lied.


1

Der hat weiter net g'schaut,

Beinah' hätt' ich'n g'haut;

Der Spitzbub', 's is wahr,

Lacht mich aus, weg'n die Haar;

Wem geht's denn was an,

Ich hoff' doch, ich kann

Haar' hab'n, wie ich will.

Jetzt wird's mir schon z'viel.

Rote Haar' von ein'm falschen Gemüt zeig'n soll'n,

's is's Dümmste, wann d' Leut' nach die Haar' urteil'n woll'n,

's gibt G'schwufen g'nug mit ein'm kohlrab'nschwarzen Haupt,

Und jede is ang'schmiert, die ihnen was glaubt;

Manch blondg'lockter Jüngling is beim Tag so still

Und schmachtend – warum? bei der Nacht lumpt er z'viel,

Und mit eisgraue Haar schau'n die Herrn aus so g'scheit,

Und sein oft verruckter noch, als d' jungen Leut!

Drum auf d' Haar muß man gehn,

Nachher trifft man's schon schön.


2


Drohend in die Szene blickend, von woher er gekommen.


Mir soll einer trau'n,

Der wird sich verschau'n,

Auf Ehr', dem geht's schlecht,

Denn ich beutl'n recht;

Der Kakadu is verlor'n,

Wenn ich in mein'm Zorn;

Über d' Haar ein'm kumm,

Der geht glatzkopfet um.[249]

Die rothaarig'n Madeln, heißt's, betrüg'n d' Männer sehr;

Wie dumm! Das tun d' Mad'ln von jeder Couleur.

Die schwarz'n, heißt's, sein feurig, das tut d' Männer locken,

Derweil is a Schwarze oft d' fadeste Nocken.

Die Blonden sein sanft. Oh! a Blonde is a Pracht!

Ich kenn' eine Blonde, die rauft Tag und Nacht;

Doch mit graue Haar' sein s' treu, na, da stund man dafur,

Net wahr is, die färb'n sich s', und geb'n auch ka Ruh –

Drum auf d' Haar' muß man gehn,

Nachher trifft man's schon schön.


So kopflos urteilt die Welt über die Köpf' und wann man sich auch den Kopf aufsetzt, es nutzt nix. Das Vorurteil is eine Mauer, von der sich noch alle Köpf', die gegen sie ang'rennt sind, mit blutige Köpf' zuruckgezogen haben. Ich hab' meinen Wohnsitz mit der weiten Welt vertauscht, und die weite Welt is viel näher als man glaubt. Aus dem Dorngebüsch z'widrer Erfahrungen einen Wanderstab geschnitzt, die chiappa-via-Stiefeln angezogen, und's Adje-Kappel in aller Still' geschwungen, so is man mit einem Schritt mitten drin in der weiten Welt. – Glück und Verstand gehen selten Hand in Hand; – ich wollt', daß mir jetzt recht ein dummer Kerl begegnet', ich sähet das für eine gute Vorbedeutung an.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 249-250.
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