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[296] Frau von Cypressenburg, dann Titus. Vorige.
FRAU VON CYPRESSENBURG. Willkommen meine Herren und Damen! Ist's nicht gefällig?
Alle setzen sich zum Tee.
TITUS aus der Seitentür rechts. Ich komme vielleicht ungelegen? –
FRAU VON CYPRESSENBURG. Wie gerufen. Ihn der Gesellschaft präsentierend. Mein neuer Sekretär.
ALLE. Ah, freut mich! –
FRAU VON CYPRESSENBURG zu Titus. Nehmen Sie Platz. Titus setzt sich.
FRAU VON CYPRESSENBURG. Dieser Herr wird Ihnen in der nächsten Soiree meine neuesten Memoiren vorlesen.[296]
ALLE. Charmant!
HERR VON PLATT. Schade, daß die gnädige Frau nichts fürs Theater schreiben.
TITUS zu Herrn von Platt. Warum tun Sie's denn nicht?
HERR VON PLATT. Mein Witz ist nicht in der Verfassung, um etwas Lustiges damit zu verfassen.
TITUS. So schreiben Sie eine traurige Posse. Auf einem düsteren Stoff nimmt sich der matteste Witz noch recht gut aus, so wie auf einem schwarzen Samt die matteste Stickerei noch effektuiert.
HERR VON PLATT. Aber was Trauriges kann man doch keine Posse heißen?
TITUS. Nein; wenn in einem Stück drei G'spaß und sonst nichts als Tote, Sterbende, Gräber und Totengräber vorkommen, das heißt man jetzt ein Lebensbild.
HERR VON PLATT. Das hab' ich noch nicht gewußt.
TITUS. Is auch eine ganz neue Erfindung, gehört in das Fach der Haus- und Wirtschaftspoesie.
FRAU VON CYPRESSENBURG. Also lieben Sie die Rührung nicht?
TITUS. O ja, aber nur, wenn sie einen würdigen Grund hat, und der find't sich nicht so häufig; drum kommt auch eine große Seele langmächtig mit ein'm Schnupftüchel aus, dagegen brauchen die kleinen, guten Ordinariseelerln a Dutzend Fazinetteln in einer Komödie.
FRAU VON CYPRESSENBURG zu ihrer Nachbarin. Was sagen Sie zu meinem Sekretär?
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Der Talisman
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