Vierter Auftritt

[301] Spund. Salome von links auftretend.


SALOME. Sie hab'n also g'wiß nix Übles vor mit ihm?

SPUND. Wann ich schon sag', nein, ich tu' ja nur das, was mir der Bräumeister g'sagt hat, denn das is der einzige Mann, der auf mich Einfluß hat.

SALOME. Und was hat denn der g'sagt?

SPUND. Er hat g'sagt: »Das haben S' davon, weil S' Ihnen von Jugend auf net um ihn umg'schaut hab'n; jetzt geht er durch und macht der Familie vielleicht Schand und Spott in der Welt.« Drum bin ich ihm nach.

SALOME. Und woll'n ihn etwa gar einsperr'n lassen?

SPUND. Ich? für mein Leben gern; aber der Bräumeister hat gesagt: »Das wär' auch eine Schmach für die Familie.«

SALOME. Ah, gengen S', auf'n leiblichen Vettern so bös –

SPUND. Oh, es kann einem ein leiblicher Vetter in der Seel' z'wider sein, wenn er rote Haar' hat.

SALOME. Is denn das ein Verbrechen?

SPUND. Rote Haar' zeigen immer von ein'm fuchsigen Gemüt, von einem hinterlistigen – und dann verschandelt er ja die ganze Freundschaft; es sein freilich schon alle tot, bis auf mich, aber wie sie waren in unserer Familie, haben wir alle braune Haar' g'habt, lauter dunkle Köpf, kein lichter Kopf zu finden, so weit die Freundschaft reicht, und der Bub' untersteht sich, und kommt rotschädlet auf d' Welt.[301]

SALOME. Deßtwegen soll man aber ein'n Verwandten net darben lassen, wenn man anders selber was hat.

SPUND. Was ich hab', verdank' ich bloß meinem Verstand.

SALOME. Und haben Sie wirklich was?

SPUND. Na, ich hoff'. Meine Eltern hab'n mir keinen Kreuzer hinterlassen; ich war bloß auf meinen Verstand beschränkt, das is eine kuriose Beschränkung, das!

SALOME. Ich glaub's; aber –

SPUND. Da is nachher eine Godl g'storben, und hat mir zehntausend Gulden vermacht; denk' ich mir, wann jetzt noch a paar sterbeten von der Freundschaft, nachher könnt's es tun. Richtig! Vier Wochen drauf stirbt ein Vetter, vermacht mir 30000 Gulden, den nächsten Sommer kratzt ein Vetter am kalten Fieber ab, ich erb' 20000 Gulden; gleich den Winter drauf schnappt eine Mahm am hitzigen Fieber auf und hinterlaßt mir 40000 Gulden; a paar Jahre drauf noch eine Mahm, und dann wieder eine Godl, alles, wie ich mir's denkt hab'; na, und dann in der Lotterie hab' ich auch 18000 Gulden g'wonnen.

SALOME. Das auch noch?

SPUND. Ja, man muß net glauben, mit'm Erben allein is es schon abgetan; man muß was andres auch versuchen; kurzum, ich kann sagen: was ich hab', das hab' ich durch meinen Verstand.

SALOME. Na, so g'scheit wird der Mussi Titus wohl auch sein, daß er Ihnen beerbt, wann S' einmal sterben.

SPUND. Mir hat einmal ein g'scheiter Mensch g'sagt: ich kann gar net sterben – warum? hat er nicht g'sagt, das war offenbar nur eine Schmeichelei; aber wenn es einmal der Fall is, so werd' ich schon Leut' nach mein'm Gusto finden für mein Vermögen, ich könnt' das nicht brauchen, daß mir a Rotkopfeter die Schand antät' und erweiset mir die letzte Ehr.

SALOME. Also tun Sie weder jetzt, noch nach Ihrem Tod was für den armen Mussi Titus?

SPUND. Ich tu' das, was der Braumeister g'sagt hat; ich kauf' ihm eine Offizin in der Stadt, das bin ich der verstorbenen[302] Freundschaft schuldig; dann gib ich ihm a paar tausend Gulden, daß er dasteht als ordentlicher Mann; dann sag' ich ihm noch a paar Grobheiten wegen die roten Haar', und dann därf er sich nicht mehr vor mir blicken lassen.

SALOME freudig. Also machen S' ihn doch vermöglich und glücklich?

SPUND. Ich tu' das, was der Bräumeister g'sagt hat.

SALOME traurig für sich. Ich g'freu' mich drüber, und wann er nicht mehr arm is, is er ja erst ganz für mich verlor'n. Seufzend. Mir hat er jo nix wollen.

SPUND. Und als was is er denn im Schloß?

SALOME. Das weiß ich net, aber bordiert is er vom Kopf bis zum Fuß voll goldene Borten.

SPUND. Das is Livree! O Schandfleck meiner Familie! Der Neveu eines Bierversilberers voll goldene Borten! Ich parier', die ganze Freundschaft hat sich umkehrt im Grab; Skandal ohnegleichen! Führ' Sie mich g'schwind hinauf, ich beutl' ihn heraus aus der Livree – nur g'schwind! Ich hab' keine Ruh', bis die Schmach getilgt is, und meine Freundschaft wieder daliegt im Grab, wie es sich g'hört.

SALOME. Aber lassen S' Ihnen nur sagen –

SPUND äußerst agitiert. Vorwärts, hab' ich g'sagt – Leuchter voran! Treibt sie vor sich hinter dem Schlosse ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 301-303.
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