Zweiter Auftritt

[551] Kathi, die Vorigen.


KATHI kommt mit Präsentierteller, Weinflaschen und Gläsern durch die Seitentür rechts herein. Da bin ich schon, Herr Vetter! Setzt das Mitgebrachte auf den Tisch.


Stifler und Sporner zugleich, indem sie sich scherwenzelnd um Kathi drängen.


STIFLER. Reizendes Wesen!

SPORNER. Schöne Miss!


Zugleich mit den Vorigen.


WIXER. Engel von ein'm Schatz!

KRAUTKOPF. Meine liebe Kathi!

KATHI auf den Wein zeigend. Wann's den gnädigen Herrn beliebt –

STIFLER. Von deiner Hand kredenzt, muß jeder Trank zum süßen Nektar werden.

KATHI. Nektar? da wachst keiner bei uns.

WIXER ihre Hand ergreifend. Lieb's Handerl das! Hält seine[551] Hand zu der ihrigen. Was glaubst a so? stünd' gar net übel z'samm, das Paar Händ'?

SPORNER sich ihr zärtlich nähernd. Mistress Kitty! –

WIXER Sporner wegdrängend. Du wirst gleich abfahr'n.

STIFTER zu Kathi. Die elegantesten jungen Leute werden sich bemühen, – ich zum Beispiel – man sieht mir's nicht an: ich bin 45. Die Vierzig sind das schönste Alter für ein'n Ehemann.

KRAUTKOPF zu Kathi kokettierend. Ich bin noch schöner in die Vierzig, ich bin 47.

KATHI halb für sich. Ich weiß gar nicht, was die Herrn alle woll'n? sie schauen mich an mit so wunderbare Augen –

JUSTITIÄR. Sie wünschen samt und sonders die reizende pleno titulo Universalerbin des seligen Herrn von Lips zu eh'lichen.

KATHI verwundert. Wer is Universalerbin? –

KRAUTKOPF. Du, meine Kathi, du!

JUSTITIÄR auf das in Händen haltende Testament deutend. Unstreitbar heres ex asse, hier steht's.

KATHI mit Entzücken. Seine Erbin? – ich – ich bin seine Erbin – Gott, diese Freud'!

KRAUTKOPF. Ich g'freu' mich mit dir, und will mich ewig mit dir g'freu'n, du mein Augapfel du!

KATHI in freudigster Aufregung. Wo ist denn der Steffel? ich muß mit dem Steffel red'n! –

STIFLER, SPORNER, WIXER befremdet. Steffel!? –

KRAUTKOPF ärgerlich. Zu was mit'n Steffel? ich glaub' gar –

KATHI. Wo is er, ich muß ihm's sagen.

KRAUTKOPF. Ich glaub' gar – mir war schon früher so – Du, ich wollt' dir's nicht raten, in den Burschen verliebt zu sein, ich bring' dich gleich um.

STIFLER, SPORNER, WIXER. Wo is der Steffel?

WIXER die Reitgerte schwingend. Ich hab' ein Hausmitt'l, ihm die Lieb' z' vertreib'n.

KRAUTKOPF. Wo steckt denn der Kerl?

KATHI ängstlich für sich. Wenn s' über ihn herfallen, erkennen sie ihn, und er ist verloren.[552]

STIFLER, SPORNER, WIXER. Den Steffel aufg'sucht!


Wollen zur Mitteltüre ab.


KATHI hat eine Idee erfaßt. Halt – halt, meine Herrn!!

STIFLER, SPORNER, WIXER umkehrend. Was ist's, Kathi?

KATHI. Wer sagt Ihnen denn, daß ich in'n Steffel verliebt bin?

STIFLER. Du willst ihm ja so eilig dein Glück verkünden.

KATHI. Das hat ganz einen andern Grund, muß man denn gleich in jeden Steffel verliebt sein, wenn man ihm was zu sagen hat?

STIFLER, SPORNER, WIXER. Also nicht?

KATHI. Könnt' mir nicht einfall'n. Is denn was Schön's an ihm?

STIFLER. Die tölpelhafte Haltung.

KATHI. Nicht wahr?

KRAUTKOPF. Das Kopfhinunterstecken.

KATHI. Keinen aufrichtigen Blick.

SPORNER. Ein Maul wie ein Bulldogg.

WIXER. Mir kommt er kralewatschet vor.

KATHI. Das hab' ich alles auch bemerkt. Wie können Sie mir so einen Geschmack zutrauen?

STIFLER, SPORNER. Verzeih, holdes Kind!

WIXER zugleich. Nur keine Verschmach deßtwegen.

KRAUTKOPF. Ich hab' dir Unrecht getan.

KATHI beiseite. Ich muß alles anwenden, daß sie mir nicht über den armen Herrn kommen. Laut. Um Ihnen einen Beweis zu geben, künd' ich Ihnen allerseits an, daß ich mir noch heut' meinen Zukünftigen wähl'.

STIFLER, SPORNER, WIXER. Charmant! Jeder für sich. Ich bin der Glückliche.

KRAUTKOPF zu Kathi. Könntest du undankbar sein für alle Wohltaten?

KATHI mit Beziehung. Undankbar? – Das soll mir kein Mensch nachsag'n.

KRAUTKOPF zärtlich. Also hab' ich Hoffnung?

KATHI für sich. Der geniert mich am wenigsten, und muß mir helfen, daß ich die andern loswerd'! – Laut und etwas kokett[553] zu Krautkopf. Ich will noch nix verraten: aber – 's hat stark den Anschein, – man kann nicht wissen, Herr Vetter, was g'schieht.


Lauft zur Mitteltür ab.


KRAUTKOPF sich vor Freude mit beiden Händen am Kopfe fassend. Glücklichster aller Krautköpf!! –

STIFLER, SPORNER, WIXER betroffen. Was wär' das? wär' nicht übel – Kathi! – Eilen ihr nach, durch die Mitteltür ab.

JUSTITIÄR für sich. Bin neugierig, ob sie was ausrichten, die pleno titulo Herrn. Geht den vorigen nach.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 551-554.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Der Zerrissene
Der Zerrissene

Buchempfehlung

Neukirch, Benjamin

Gedichte und Satiren

Gedichte und Satiren

»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.

162 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon