Zehnter Auftritt

[423] Weinberl allein, tritt während dem Ritornell des folgenden Liedes ein, er ist dunkelgrau gekleidet mit einer grüntuchenen Schürze.


Lied.


Es sind gewiß in unsrer Zeit

Die meisten Menschen Handelsleut,

Und wer das Ding so observiert,

Muß sag'n, der Handelsstand floriert,

's versetzt ein Vater sein Kaput,

Und führt drei Töchter auf d' Redout,

Damit er s' vorteilhaft bringt an,

No das is doch ein Handelsmann,

»Sie krieg'n mei Tochter, wenn S' vor all'n

Den Vatern seine Schuld'n zahl'n« –

»Das kann ich nicht« – »dann sag' ich nein« –

Das wird doch ferm gehandelt sein.

»Ich hab' dich g'wiß« – sagt eine Braut,

Indem sie so au'm Bräut'gam schaut,

»In zwanzig Jahr'n wie heut so gern« –

Da wird wohl auch was g'handelt wer'n.


's Weib sagt zum Mann: »Du gehst jetzt aus,

Und kommst vor neune nicht nach Haus.«

»Ja«, – sagt er – »wennst mir an Zwanz'ger gibst.«

So a Handel is ja allerliebst.

A alte Schachtel hat viel Geld,

's heirat s' ein junger Guck in d' Welt,[423]

Verkauft sei Freiheit und sei Ruah,

Der Handel kummt gar häufig vur.

's sagt eine: »I bin zwanz'g Jahr« – »Oha,

Ich hab ja Ihren Taufschein da.«

»So« – sagt s' und g'steht ein Vierzger ein,

Das wird doch tüchtig g'handelt sein.

Es prahlet eine Schwärm'rin sich,

»Wenn ich nicht liebe, könnten mich

Zehn Millionen nicht betör'n«,

Da wurd wohl auch was g'handelt wer'n.


Nach dem Liede.


Vor dem Handelsstand kriegt man erst den wahren Respekt, wenn man zwischen Handelsstand und Menschheit überhaupt eine Bilanz zieht. Schaun wir auf'n Handelsstand, wie viel gibt's da Großhandlungen, und schaun wir auf die Menschheit, wie wenig große Handlungen kommen da vor; – schaun wir auf'n Handelsstand vorzüglich in der Stadt, diese Menge wunderschöne Handlungen, schaun wir auf d' Menschheit, wie schütter sind da die wahrhaft schönen Handlungen ang'säet; – schaun wir auf'n Handelsstand, diese vielen Galanteriehandlungen und schaun wir auf d' Menschheit, wie handeln s' da oft ohne alle Galanterie, wie wird namentlich der zarte, gefühlvolle, auf Galanterie Anspruch machende Teil, von dem gebildetseinsollenden, spornbegabten, zigarrozuzelnden, roßstreichelnden, jagdhundkaschulierenden Teil, so ganz ohne Galanterie behandelt! – Jetzt wenn man erst die Handlungen der Menschheit mit Gas beleuchten wollt' – ich frag' wie viele menschliche Handlungen halten denn eine Beleuchtung aus, als wie eine Handlung auf'n Stockameisenplatz? – Kurzum, man mag Vergleiche anstellen, wie man will, der Handelsstand is was Erhabenes, wir haben einen hohen Standpunkt, wir von der Handlung, und ich glaub' bloß wegen dieser schwindelnden Höhe fallen so viel' von der Handlung – der Christopherl tandelt wieder mit'n G'wölbzusperrn.[424]


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 423-425.
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