Sechster Auftritt

[417] Zangler. Melchior.


MELCHIOR schüchtern eintretend zur Mitte. Ich bitt', sein Euer Gnaden der G'würzkramer?

ZANGLER. Eins zuwenig, 's andere zuviel, ich bin nicht Euer Gnaden, sondern nur Herr Zangler, bin aber kein Kramer, sondern vermischter Warenhändler.

MELCHIOR. Ich hab' g'hört, daß der Herr vermischte Warenhändler einen Hausknecht g'habt hab'n, der ein reiner Lump war.

ZANGLER. Ich hab' ihn fortgejagt.

MELCHIOR. Und da hab' ich g'hört, sind Sie in Desperation, daß Sie kein Hausknecht haben.

ZANGLER. In Desperation? Das is gar eine dumme Red, ich glaub', an solchen Schlingeln is keine Not.

MELCHIOR. Das is wahr, eher wird's an Prinzipal'n eine Not sein. Ein Hausknecht halt't lang, aber Prinzipal geht alle Augenblick einer z'grund.

ZANGLER. Er ist etwas vorlaut, scheint mir –[417]

MELCHIOR. Nein, das war nur so eine merkantilische Bemerkung.

ZANGLER. Wo hat Er sein Dienstzeugnis?

MELCHIOR. Im Sack.

ZANGLER. So geb Er's her.

MELCHIOR gibt ihm das Zeugnis, ein ganz zusammengeknittertes Papier. Es is etwas verkribelt, ich trag's schon 4 Wochen herum.

ZANGLER. Hat Er Kenntnisse von der vermischten Warenhandlung?


Durchsieht das Zeugnis.


MELCHIOR. O sehr viel. Wir hab'n zwar da, wo ich war, nur einen Artikel g'habt, aber der war ungeheuer vermischt, ich bin aus einer Weinhandlung.

ZANGLER. Hm, sein Zeugnis lautet ja ganz vorzüglich gut.

MELCHIOR. Ja, meine Aufführung war klassisch.

ZANGLER in dem Zeugnis lesend. Treu, redlich, fleißig, willig, wachsam aufs Haus – Zu Melchior. Er is aufgenommen.

MELCHIOR. Ich küß die Hand.

ZANGLER. Sechs Gulden Monatlohn, Kost, Quartier, Wäsch –

MELCHIOR. No, jetzt Quartier und Wäsch, das is das Geringste, aber die Kost, die war halt dort, wo ich war, klassisch.

ZANGLER. Bei mir leid't auch niemand Hunger – Suppen, Rindfleisch, Zuspeis, und was drauf.

MELCHIOR. Aber nur viel drauf. Und weg'n Frühstück, dort hab' ich halt immer einen Kaffee g'habt.

ZANGLER. Das war bei mir nicht der Brauch, daß der Hausknecht Kaffee –

MELCHIOR. Schaun S', Sie hab'n g'wiß auch einen Rosolie unter Ihren vermischten Sachen.

ZANGLER. O ja, aber –

MELCHIOR. Na, sehn Sie, dann is es ja unser beiderseitiger Vorteil, wann S' mir ein Kaffee geb'n, denn Sie verleiteten mich ja sonst mit G'walt zu die geistigen Getränk.

ZANGLER. Na, da gäbet's schon noch Mittel – übrigens wann Er brav is –

MELCHIOR. Klassisch.[418]

ZANGLER. So soll Er ein Kaffee haben.

MELCHIOR. Versteht sich süß, und zwei Kipfeln. O an den Ort, wo ich war, das war ein klassischer Kaffee.

ZANGLER. Was hat Er denn immer mit dem dummen Wort klassisch?

MELCHIOR. Ah, das Wort is nit dumm, es wird nur oft dumm angewend't.

ZANGLER. Ja, das hör' ich, das muß Er ablegen, ich begreif' nicht, wie man in zwei Minuten 50mal dasselbe Wort repetieren kann.

MELCHIOR. Ja, das ist klassisch. Und dann bitt' ich mir zu sagen, was ich alles zu tun hab'.

ZANGLER. Was wird Er zu tun haben? was halt einem Hausknecht zukommt.

MELCHIOR. Kisten und Fässer aus'n Magazin holen.

ZANGLER. Botengänge machen, das G'wölb rein halten, und im Haus –

MELCHIOR. Wenn's in der Kuchel was gibt, klein's Holz machen, allenfalls Boden reib'n.

ZANGLER. Das hoff' ich auch.

MELCHIOR. Ich war immer sehr gut mit meine Herrn, also wer' ich bei Ihnen keine Ausnahm – und nicht wahr, wenn ich was aus Privatfleiß tu', zum Beispiel der Köchin Wasser trag'n, den Herrn Kommis die Stiefel putzen, da krieg' ich extra ein Honorar –

ZANGLER. Das mach' Er mit dem Kommis aus, und mit der Köchin. Jetzt hilf Er mir anziehen, den Schneider soll der Teufel holen.


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 417-419.
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