Zwölfter Auftritt


[359] Mehlwurm, Cordula, Lenchen; Der Vorige.


CORDULA. Da her, du ungeratenes Mädel! Du kommst mir jetzt nicht mehr aus den Augen.

LENCHEN. Aber was hab' ich denn Unrechtes getan?

MEHLWURM. Du kannst noch fragen? Verstockte Sünderin! Verraten, verkauft, betrogen hast du mich, deinen Vormund und Bräutigam.

CORDULA. Aber weh dir, wenn ich dir noch auf das Geringste komme!

MEHLWURM. Weh dir! Da wirst du eingesperrt auf vier Wochen, vierzehn Tag' bei Wasser und vierzehn Tag' bei Brot.

NATZI. Vetter, das geht nicht. Wasser und Brot muß sie allweil zugleich kriegen, sonst wird s' hin.[359]

MEHLWURM. Halt's Maul, Dummkopf!

LEHNCHEN. Ach, wie unglücklich ist doch ein Mädchen, wenn es so früh seine Eltern verliert! Weint.

MEHLWURM sanfter. Schau', Lenerl – weinen mußt nicht – aber schau', ich mein's so gut mit dir, ich werd' der zärtlichste Eh'mann sein – weinen mußt nicht – ich werd' dich auf den Händen tragen – weinen mußt nicht – wir werden leben wie die Turteltauben – wennst nicht aufhörst zum Weinen, so wein' ich auch.

CORDULA. Bruder, du bist zu weich; sie verdient deine Nachsicht nicht.

MEHLWURM zu Cordula. Laß gut sein, wenn ich auch wein', wenn ich auch zerfließ' vor Rührung, auslassen tu' ich s' deswegen doch nicht; heiraten darf sie doch kein' andern als mich.

LENCHEN. Für mich gibt's kein Glück mehr auf der Welt!

MEHLWURM. Kein Glück? So sei nur g'scheit! Wenn einer ein Mädel sitzen laßt, so sagt man, er hat's unglücklich gemacht; wenn einer ein Mädel heiratet, so sagt man, er hat's glücklich g'macht; ich will dich heiraten, du mußt mich heiraten, also –

LENCHEN. Also bin ich erst ganz unglücklich; denn mein Herz gehört meinem Heinrich, nur ihn kann ich lieben.

MEHLWURM erzürnt. Untersteh dich!

CORDULA. Kecke Personage!

NATZI. So einen Eigensinn, wie die hat, den find't man nicht in alle fünf Weltteil', nicht in Europa, Amerika, Asina, Afrika und Paprika.

MEHLWURM. Ich könnt' rasend werden.

CORDULA zu Mehlwurm. Du wirst es noch zu spät einsehen, daß es niemand mit dir so aufrichtig meint als mein Sohn, mein Natzi!

MEHLWURM. Laß mich aus mit dein' dalketen Buben!

CORDULA zu Natzi. Komm, mein Söhnchen!

NATZI zu Mehlwurm. War die letzte Rede des Vetters eine Anspielerei auf mich?[360]

MEHLWURM. Pack' dich zum Guckguck!

NATZI mit Pikanterie zu Mehlwurm. Wenn wir zwei nebeneinander stehn, so ist das grad als wie zwei Mehlsäck'; einer is der Ausschuß, der andre is der Auszug. Mit Beziehung auf Mehlwurm. Der Ausschuß is das Grobe, da drum is wenig Nachfrag', das bleibt zurück. Mit Beziehung auf sich. Der Auszug is das Beste, das wird gesucht, das geht stark, drum geh' ich. Komm' d' Frau Mutter! Geht mit Cordula zur Mitte ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 359-361.
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