Zweiter Auftritt


[349] Heinrich, Johann kommen in reicher Livree rechts aus dem Hintergrunde hervor und sehen sich vorsichtig nach allen Seiten um.


HEINRICH. Jetzt, hoffe ich, wird der günstige Augenblick sein.

JOHANN. Alles eilt schon zum Schloß hinauf, der Müller ist früher schon fortgegangen, du kannst also ungestört eine Viertelstunde bei deiner Geliebten zubringen.[349]

HEINRICH. Wenn nur auf dem Schloß alles in Ordnung ist! Der gnädige Herr kann jeden Augenblick hier sein.

JOHANN. Sei unbesorgt! Du bist vor acht Tagen angekommen, um den Empfang unserer Herrschaft vorzubereiten; in der ersten Stunde deines Hierseins hast du dich verliebt, folglich in acht Tagen nichts getan als geseufzt und geschmachtet. Der gnädige Herr müßte also alle Anstalten jetzt selbst treffen, wenn ich nicht alles für dich getan hätte. Ich rechne bei Gelegenheit auf deine Gegendienste, denn dein Beispiel zeigt mir leider, daß der gescheiteste, fidelste, jovialste Mensch sich auch verlieben kann. Traurige Entdeckung!

HEINRICH. Der verdammte Mehlwurm will seine Mündel selbst heiraten. O Lenchen! Geliebtes Lenchen!

JOHANN. Solche wahnsinnige Heiratsideen haben die Vormünder sehr häufig, sind aber in allen Jahrhunderten zu Tausenden geprellt worden. Bei dem wird man auch keine Ausnahme machen.

HEINRICH. Wenn unterdessen auf dem Schloß –

JOHANN. Sei unbesorgt, ich avisiere dich von allem. Und jetzt geh hin, Glücklicher, laß dich immer fester und fester von den Rosenketten der Liebe umschlingen, ich beneide dich nicht. Wohl mir, unter meiner bordierten Weste schlägt noch ein freies Herz. Geht links in den Hintergrund ab.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 349-350.
Lizenz:
Kategorien: