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[376] Eulenspiegel allein.
EULENSPIEGEL. Bild't sich der alte Herr von Nelkenstein ein, er wird die Sach' pfiffiger anstellen als ich, das is der Müh' wert! Na, es is ihm zu verzeihn; es is ja heutzutag' die herrschende Krankheit, daß gar so viel Leut' an der Einbildung leiden.
Lied
1.
Mancher fahrt in ein' Lehnwag'n und bild't sich fest ein,
Daß d' Leut' glaub'n, d' Equipage, die g'hört sein;
Mancher Sänger halt't sich für ein' echten Tenor,
Singt aber den Leuten im Falsett alles vor;
Mancher sagt: »Ich bin Hausherr!«, 's is nur a leer's G'schwätz,
Schaut man nur ins Grundbuch, is 's Haus voller Sätz';
Mancher baut sich a Haus um viel tausend Guld'n Münz',
Dreißig Jahr' g'hört dem Baumeister aber der Zins.
Ich sag's, 's kann nix G'spaßigers geb'n,
Als wenn d' Leut' in der Einbildung leb'n.
2.
Viele Mädeln führ'n über Musik's große Wort,
Und können kaum auf der Gitarre zwei Akkord';
Viele reden zehn Wörter mit an und mit en
Französisch akzentuierend.
Nacher glauben s', jetzt können s' französisch reden schön;[376]
Viele bilden sich ein, es is für die Brust gut,
Wenn man auf ein' Galopp gleich ein G'frornes essen tut;
Manche glauben, der Putz, das Blühend-Rougier'n
Wird ihnen gewiß noch ein' Mann prokurier'n;
Ich sag's, 's kann nix G'spaßigers geb'n,
Als wenn d' Leut' in der Einbildung leb'n.
3.
Wenn einer ein' tüchtigen Haarbeutel hat,
Daß er wagelt, der bild't sich g'wiß ein, er geht grad,
Mancher trinkt viel und glaubt, er tut dick werd'n davon,
Derweil meld't sich bloß eine Wassersucht an,
Mancher singt was und glaubt, es muß g'fallen das Lied,
Derweil geht er ab, und kein Mensch applaudiert,
Mancher glaubt, die Verwandten sind in ihn ganz verliebt,
Derweil sein s', wenn er lang lebt, alle betrübt;
Ich sag's,'s kann nix G'spaßigers geb'n,
Als wenn d' Leut' in der Einbildung leb'n.
Verwandlung
Zimmer im Hause des Müllers mit Mittel- und Seitentüren, wie im ersten Akte.