Achter Auftritt


[393] Dorothea; Der Vorige.


DOROTHEA zur Mitte eintretend. Der gestrenge Herr verzeihn – o je, der Natzi!

NATZI. Die Dorothee!

DOROTHEA. Sein Sie auch eingeladen g'wesen bei der Tafel?

NATZI mit Beziehung. Ja, ich hab' müssen her, sie haben's gar nicht anders getan.

DOROTHEA. Haben Sie sich gut unterhalten?

NATZI. Ich weiß nicht, ich beweg' mich nicht gern in solchen Zirkeln. Drückt mit der Hand pantomimisch das Wälzen des Fasses aus.

DOROTHEA. Ich will mein' Papa abholen, wenn er noch nicht fort ist, es fangt an finster zu werden.

NATZI. Wollen Sie ihm leuchten mit die zwei schönen Äugelein?

DOROTHEA. Hören S' auf, ich hab' heut' Augen wie ein Kinigelhas' vor lauter Weinen.

NATZI. Haben S' a paar Gemütsbewegungen g'habt?

DOROTHEA weinerlich. D' Madln hab'n mich alle ausg'lacht, weil ich so schlecht deklamiert hab'.

NATZI. Wer sagt denn das? Sie sein in Berücksichtigung verschiedener Gedächtnisverhältnisse beim ersten Vers stecken 'blieben und haben dann die andern aus bescheidener Konsequenz verschwiegen, ja, das is ja noch nicht schlecht deklamiert.[393]

DOROTHEA weinend. Mich kränkt halt das, ich kann alles vertragen, nur lachen sollen d' andern Madln nit.

NATZI. Da muß man sich drüber hinaussetzen. Mich haben auch nach 'n Empfang des gnädigen Herrn a paar Bekannte ausg'hienzt, da denk' ich mir: Hienzt's ös nur zu, was liegt mir am Hienzen, hienzen könnt' ich auch, wenn ich hienzen wollt'.

DOROTHEA. Über Ihnen haben s' auch g'schimpft fürchterlich, die Madln.

NATZI. Was haben s' denn g'sagt?

DOROTHEA. Ich mag's gar nicht nachsagen.

NATZI. Nein, nein, genieren S' Ihnen nicht.

DOROTHEA. Sie haben g'sagt: Sie sein ein Esel.

NATZI. Das haben alle g'sagt?

DOROTHEA. Alle!

NATZI beiseite. Da haben wir neuerdings den Beweis, daß es eine abgeredete Karten is. Zu Dorothea. Wissen S', was wir tun, daß d' Madln zum Lachen aufhör'n? Ich heirat' Ihnen, dann sein Sie a Frau, und d' Madln sein nur Madln, da werden s' alle weinen vor Gift.

DOROTHEA. Was? Sie wollen mich heiraten? O, das wär' g'scheit!

NATZI. D' Frau Mutter hat voriges Jahr schon g'sagt, daß ich heiraten derf, wenn ich groß werd'.

DOROTHEA entzückt. Den Zorn von die Madln! Die Resi wird grün –

NATZI. Wenn wir Hochzeit haben –

DOROTHEA. Die Nettel wird gelb –

NATZI. Das G'stanz am Ehrentag –

DOROTHEA. Die Viktorl kriegt's Gallfieber –

NATZI. Wenn wir nachher spazieren gehen als Mann und Frau –

DOROTHEA. Da schau' ich die Madln so an und sag' zu einer jeden, die g'lacht hat: O je!

NATZI. Das is recht, nur: »O je!« sagen, das ist die edelste Rache![394]

DOROTHEA. Aber mit dem »O je!« Sagen allein ist es nicht abgetan, es muß auch mit einem gehörigen Blick begleitet sein, und das kann nur ich.


Lied


1.

Wenn ich mich g'freu' oder zürn',

Lass' ich's auf a eigne Art g'spür'n,

Ich schau' nur, und ich hab' das Glück,

Ich hab' halt ein' sprechenden Blick.

Kommt eine, die glaubt, sie ist schöner als i,

So sagt mein Blick: die fade Fisonomie,

Ist g'wachsen wie a Butten, voll Fehler der Teint,

Und so a Person bild't sich ein, sie ist schön,

Hat Füß', ohne Zweifel die größten im Ort',

Sie könnt' gar nicht umfall'n, wenn übel ihr wurd',

Das alles sag' ich mit ei'm Blick –

Ein sprechendes Äug' ist ein Glück.


2.

Wenn einer das Herz mir geraubt,

Noch immer an mein' Lieb' nit glaubt,

So schau' ich ihn an wie a Falk,

Das heißt: kannst denn noch zweifeln, du Dalk?

Seh' ich eine, die mir ein' Geliebten abfischt,

Sagt mein Blick: an dem hat s' was Saub'res erwischt,

Ich hab' ihn nimmer mögen, mir war er zu schlecht,

Ich könnt' ihn leicht wieder krieg'n, wenn ich nur möcht',

Die glaubt, er wird s' heiraten, ja, da hat's Zeit,

Mit so einem Aussehn, da fesselt man d' Leut',

Das alles sag' ich mit ei'm Blick –

Ein sprechendes Äug' ist ein Glück.


Beide durch die Mitte ab.


Verwandlung


Zimmer beim Müller wie früher.


Quelle:
Johann Nestroy: Gesammelte Werke. Ausgabe in sechs Bänden, Band 2, Wien 1962, S. 393-395.
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