Dritter Auftritt

[13] Melpomene. Tharsus. Sedulius. Alethea. Obsequens. Silenus und Thalia. Die zwey letztern treten auf beyden Seiten heraus; bleiben aber an den Flügeln stehen, und thun, als hörten sie zu.


MELPOMENE.

Was hat ein böser Mensch nicht öfters schon gethan?

Daß auch die Tugend selbst es nicht verhindern kan.

OBSEQUENS.

Komm laß uns ruhig seyn, gehorchen, klagen, bitten!

Dein Recht kommt selbst zu dir noch mit geschwinden Schritten.

Versäume nichts an dem, was deine Pflicht gebeut.

Und was du machen sollst, das thu zu rechter Zeit!

THARSUS.

Dein Leid muß deine Pflicht gar niemahls übersteigen;

Du must sie, auch verklagt, ja gar verstossen, zeigen:

Denn diese hört nicht auf. Es kommt dir durchaus zu

Sie allezeit zu thun. Weswegen klagest du?

Wirf dich in Demuth nur gehorsamlich zu Füssen!

Laß durch die Wahrheit hier der Sachen Umstand wissen!

Und sey vergnügt mit dem, was man dir lassen will!

Getrost! Gedult! und schweig mit deinen Klagen still!

SEDULIUS.

Dein thränend Angesicht schickt sich nicht vor Gerichte:

Da muß man munter seyn. Ein redlich Angesichte

Schlägt unverschuldt alsdenn die trüben Augen zu:

Wenn es sich schützen soll. Begieb dich nun zur Ruh!

ALETHEA.

Nun ist es hohe Zeit. Dein Weinen wird sich enden:

Denn die Gerechtigkeit hat dich in ihren Händen.[13]

Komm! denn dein Gegentheil hat meine Gegenwart

Niemahls für sich verlangt. Ich war für ihn zu hart

Und wußte seine List; drum floh er meine Lehre

Und machte, daß ich dich itzo bedachtsam höre.

Komm! gehe mit mir fort, und klag nicht länger hier!

Ermuntre deinen Geist!

MELPOMENE.

Ganz wohl! Ich folge dir

Mit Ehrfurcht, Pflicht und Treu, getrost und ganz gelassen.

THARSUS.

Komm! laß uns standhaft seyn, und beßre Meynung fassen!

Alethea gehet vorher. Tharsus und Sedulius führen

Melpomene in der Mitten bey der Hand. Obsequens

folget nach. Und gehen also ab. Thalia und Silenus haben

unter der Zeit gelacht, aber nicht alles verstehen können.


Quelle:
Friederike Caroline Neuber: Ein Deutsches Vorspiel verfertiget von Friederica Carolina Neuberin, Leipzig 1897, S. 13-14.
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