Fünftes Buch.

[140] Inhalt. Perseus im Kampfe mit Phineus. Prötus. Polydectes. Die Musen (Pyreneus). Wettstreit der Musen und Pieriden (die Götter in Aegypten; Raub der Proserpina; Cyane; der bestrafte Bube; Ascalaphus; Sirenen; Arethusa; Lyncus).


Als noch solches erzählt in Mitten der Schaar der Cephenen

Danae's göttlicher Sohn, füllt plötzlich ein drängender Haufe

Tosend den fürstlichen Saal. Doch nicht hochzeitliche Feier

Kündet der steigende Lärm; er deutet auf grimmige Waffen;

Und das erheiterte Mahl, im Nu zum Getümmel verwandelt,

War zu vergleichen dem Meer, das wild aus ruhiger Glätte

Rasender Winde Gewalt aufregt zu erhobenen Wogen.

Phineus, allen voran, der Fehde verwegener Stifter,

Schwingend den eschenen Speer mit der erzbeschlagenen Spitze,

Ruft: »Hier sieh mich genaht, den Rächer entrissener Gattin!

Dich soll Jupiter nicht, zum erlogenen Golde gewandelt,

Noch das Gefieder entziehn!« Ausholt er zum Wurfe; doch Cepheus

Ruft: »Was machst du?« ihm zu. »Was treibt für ein Geist dich, o Bruder,

Wüthend zu frevelnder That? Wird also gelohnt dem Verdienste?

Willst du mit solchem Geschenk der Geretteten Leben vergelten,

Die, wenn das Wahre du suchst, nicht Perseus sondern des Nereus[141]

Töchter im Zorn dir geraubt und Ammon der doppeltgehörnte

Und das Gethier, das groß, mein Fleisch und Blut zu verschlingen,

Kam aus der Tiefe herauf! Damals ward dir sie entrissen,

Als zum Verderben sie ging, wenn nicht im Herzen gefühllos

Grad' ihr Verderben du willst und an unserer Trauer dich weidest.

Traun, nicht ist es genug, daß müßig, wie jene man anschloß,

Du es geseh'n und nicht ihr geholfen, der Ohm und Verlobte:

Aergern willst du dich gar, daß irgendwer sie gerettet,

Und ihm entreißen den Preis! Wenn der so groß dir geschienen,

Konntest du wol von dem Fels, daran er geschmiedet, ihn holen.

Laßt ihn, der ihn geholt, der nicht mein Alter verwaist ließ,

Nehmen, wozu ihn Verdienst und Versprechen berechtigt, und denke:

Vorzug ward ihm ja nicht vor dir, vor sicherem Tode.«

Jener entgegnete nichts. Auf ihn abwechselnd und Perseus

Blickend besinnt er sich nur, ob diesen, ob jenen er treffe.

Kurz nur war der Verzug, und er schwang die Lanze mit Kräften,

Wie sie der Zorn ihm gab, und warf vergeblich auf Perseus.

Fest stak jene im Pfühl. Da erst sprang grimmig vom Lager

Perseus auf, und er hätte dem Feind mit der wiedergesandten

Waffe die Brust durchbohrt, wenn rasch nicht hinter den Altar

Phineus trat; und der Herd – unwürdig! – beschützte den Frevler.

Doch nicht fruchtlos fuhr in die Stirne des Rhötus die Spitze.

Als der lag, und den Stahl aus dem Schädel gerissen die Seinen,

Strampelt er noch und bespritzt mit Blut die stehenden Tische,

Da nun aber entbrennt in dem Volk unbändiger Ingrimm;

Speere versenden sie rings, und den Tod, sagt mancher, verdiene

Cepheus selbst mit dem Eidam zugleich. Doch über die Schwelle[142]

War schon Cepheus hinaus, als Zeugen die Götter des Gastrechts

Rufend und Recht und Treu, daß er nicht Schuld an dem Aufruhr.

Pallas die streitbare naht und deckt mit der Aegis den Bruder,

Daß sich erhöht sein Muth. Da war ein Indier Athis,

Den in kristallener Flut Limnate, die Tochter des Ganges,

Sagt man, gebar, gar stattlich an Wuchs, den prächtiger Anzug

Steigerte, blühend und frisch ein sechzehnjähriger Jüngling.

Tyrisches Kriegergewand, umsäumt von goldenen Streifen,

Hüllte den Leib: es schmückte den Hals ein goldnes Gehänge

Und ein gewundenes Band das myrrhenbefeuchtete Haupthaar.

Mit dem geworfenen Spieß auch noch so Entferntes zu treffen

War er geschickt, doch mehr noch geschickt den Bogen zu spannen.

Wie auch jetzt mit der Rechten er bog die geschmeidigen Hörner,

Schlägt auf ihn mit dem Brand, der raucht' auf der Mitte des Altars,

Perseus ein und zerquetscht das Gesicht am zerschmetterten Schädel.

Als ihn, wie er umher im Blut das gepriesene Antlitz

Wendete, Lycabas sah, den Assyrier, ihm als Gefährte

Innig vereint und nie aufrichtige Liebe verläugnend,

Weint er um Athis den Freund, der unter der bitteren Wunde

Schon aushauchte den Geist; dann rafft er den Bogen von jenem

Eben gespannt und spricht: »Mit mir nun sollst du dich messen!

Lange fürwahr nicht soll dich erfreuen des Knaben Verderben,

Das mehr Schimpf dir bringet als Ruhm.« Nicht hatt' er die Worte

Alle gesagt, da schwirret das scharfe Geschoß von der Sehne.

Wohl wich jener ihm aus, doch hing es im faltigen Kleide.

Auf ihn richtet die schon beim Mord der Medusa bewährte

Harpe Acrisius' Sproß und durchbohrt ihm die Brust. Und der Andre

Sah mit Augen, die schon im verhüllenden Dunkel ihm schwammen,[143]

Sterbend nach Athis sich um, und niedergeworfen zum Freunde

Nahm er hinab zu den Manen den Trost des vereinigten Todes.

Siehe, vom Libyervolk Amphimedon und von Syene

Phorbas, Metions Sohn, in den Kampf zu eilen begierig,

Waren im Blut, das weit den befeuchteten Boden erwärmte,

Gleitend zur Erde gestürzt. Das Schwert wehrt beiden das Aufstehn,

Da es dem Phorbas sich senkt in den Hals, in die Rippen dem Andern.

Actors Sohne jedoch, dem Erytus, welcher als Waffe

Trug ein gewaltiges Beil, naht Perseus nicht mit dem Schwerte;

Mit zwei Händen zugleich aufhebend den riesigen Mischkrug,

Schwer von der Masse des Stoffs und rauh von erhabenem Bildwerk,

Schmettert er los auf den Mann. Der speiet gerötheten Blutstrom

Rückwärts fallend und schlägt mit sterbendem Scheitel das Estrich.

Abaris nun, der kam vom Caucasus, und Polydämon

Aus der Semiramis Blut und den Spercheiaden Lycetus,

Helices, der sich das Haupt nie schor, sammt Phlegyas Clytus

Streckt er dahin und tritt auf geschichtete Haufen von Leichen.

Phineus, da er dem Feind nicht wagt in der Nähe zu stehen,

Schleudert von Ferne den Speer. Der fliegt abirrend zu Idas,

Der sich umsonst enthalten des Kampfs und zu keinem geschlagen.

Dieser, mit finsterem Blick anschauend den grausamen Phineus,

Spricht: »Weil du in den Streit nicht ziehest, erfahre denn, Phineus,

Wen du zum Feinde gemacht, und büße mit Wunde die Wunde!«

Doch, wie er eben zurück die entrissene Waffe zu senden

Trachtete, sank er erschöpft von des Blutes Verlust in die Kniee.

Auch vom Cephenengeschlecht nach dem König der Erste, Odites,

Fällt durch Clymenus' Schwert; Prothoenor erlieget vor Hypseus;

Dieser vor Lynceus' Sproß. Emathion war, der bejahrte,

Unter der Zahl, ein Wahrer des Rechts und Verehrer der Götter.

Weil ihn selber am Kampf sein Alter verhinderte, stritt er

Heftig mit Worten und schalt und verwünschte die frevelnden Waffen.

Dem schlug, wie er sich hielt mit zitternden Händen am Altar,[144]

Chromis hinweg mit dem Schwerte das Haupt; das lag auf dem Herde

Und stieß Worte des Fluches mit halblebendiger Zunge

Dort noch aus und verhauchte den Geist in die Mitte des Feuers.

Ammon und Broteas drauf, die Zwillingsbrüder, im Faustkampf

Nimmer besiegt, wenn ein Schwert sich ließe besiegen durch Faustkampf,

Sanken von Phineus' Hand; zu jenen der Priester der Cerer,

Ampycus, auch an den Schläfen umhüllt von schneeiger Binde.

Du, Lampetides, auch, nicht tüchtig zu solchem Geschäfte,

Sondern ein friedliches Werk, zur Stimme die Laute zu schlagen;

Mahl und Feier mit Sang zu verherrlichen, warst du gerufen.

Als der fern dastand, in der Rechten den harmlosen Schlägel,

Rief ihm Pettalus zu hohnlachend: »Den stygischen Manen

Singe den Schluß! Und er stößt ihm den Stahl in den linken der Schläfe.

Hinsinkt jener und rührt mit sterbenden Fingern der Leier

Saiten und während des Falls wird klagende Weise vernommen.

Doch nicht straflos läßt ihn fallen der wilde Lycormas;

Rechts vom Pfosten der Thür losreißend den stämmigen Barren

Schlägt auf den Knochen er ein in Mitten des Nackens, und jener

Stürzte zur Erde dahin, nach Art des geschlachteten Stieres.

Pelates mühte sich jetzt, der Cinyphier, auch von dem linken

Pfosten zu ziehen das Holz; wie er zog, ward von des Marmaren

Corythus Speer ihm die Rechte durchbohrt und gespießt an den Balken.

Abas stach in die Brust dem Gehaltenen; aber er sank nicht,

Sondern mit haftender Hand hing sterbend er da an dem Pfosten.[145]

Sieh, auch Meneleus fällt, der stand auf Seiten des Perseus,

Dorylas auch, im Gebiet nasamonischer Stämme der reichste,

Dorylas, reich an Gefild, daß mehr kein Anderer hatte

Oder nur ebensoviel einbrachte von Spelt in die Speicher.

Ihm stak quer in den Weichen am Bauch das geworfene Eisen:

Dort kommt sicher der Tod. Als diesen der Bringer der Wunde

Sah ausröcheln den Geist und verdrehen die brechenden Augen,

Sprach er, der bactrische Mann Halcyoneus: ›Nimm von den Feldern

Allen das Stück, wo du liegst!‹ und ließ den verbluteten Leichnam.

Auf ihn schwinget den Speer, noch warm aus der Wunde gerissen,

Rächend des Abas Sproß, und grad' in die Nase getrieben

Fährt er zum Nacken hinaus und raget nach vorn und nach hinten.

Clanis und Clytius auch, die Söhne der selbigen Mutter,

Fällte gefördert vom Glück sein Arm mit verschiedener Wunde.

Clytius' Hüften durchdrang, vom wuchtigen Arme geschwungen,

Beide der eschene Speer; mit dem Munde biß Clanis den Wurfspieß.

Hinsank Celadon auch, der Mendesier; ebenso Astreus,

Mit palästinischem Weib erzeugt von bezweifeltem Vater;

Auch Aethion, zuvor ein kundiger Deuter der Zukunft,

Jetzt von der Schau der Vögel getäuscht, und Thoactes, des Königs

Waffengenoß, und durch Mord des Erzeugers berüchtigt Agyrtes.

Aber zu thun bleibt mehr als gescheh'n; denn alle den Einen

Wollen sie morden im Grimm. Rings stellt der verschworene Haufe

Sich für die Sache zum Kampf, die Verdienst und Treue befehdet.

Hierher wünschen den Sieg der umsonst rechtschaffene Schwäher

Und mit der Mutter die Braut und erfüllen mit Jammer die Hallen.

Aber das Waffengeklirr tönt vor und der Fallenden Aechzen,[146]

Und die Penaten beströmt, da sie doch schon waren geschändet,

Reichlich Bellona mit Blut, und neu stets rührt sie den Streit auf.

Rings um den Einen gedrängt sind Phineus und folgend dem Phineus

Hunderte. Rechts und links, zahlreicher als Hagel im Wetter,

Fliegen Geschosse vorbei und sausen um Augen und Ohren.

Perseus lehnt an den Stein der mächtigen Säule die Schultern;

Also den Rücken gedeckt und die Stirn zuwendend den Feinden

Hält er den Drängenden Stand. Eindringt von der Rechten Ethemon

Vom nabatäischen Volk, linksher der chaonische Molpeus.

Wie sich der Tiger besinnt, wenn er hört vom Hunger gestachelt

Von zwei Heerden zugleich das Gebrüll aus verschiedenen Thälern,

Wo er zuerst hinstürz' und brennt sich auf beide zu stürzen:

So war schwankend der Held, ob rechts, ob links er sich wende.

Molpeus treibt er hinweg, in den Schenkel das Eisen ihm bohrend,

Und es genügt ihm die Flucht. Denn Zeit nicht gönnet Ethemon,

Sondern begierig in Wuth ihm oben den Hals zu verwunden

That er den Stoß mit dem Schwert, doch ohne die Wucht zu ermessen,

Daß es zerbrach; an dem äußern Rand der getroffenen Säule

Sprang die Klinge entzwei und fuhr in die Kehle dem Eigner.

Aber zum Tod gab nicht hinreichenden Grund die Verletzung.

Während er bebt und umsonst die kampfuntüchtigen Arme

Ausstreckt, stößt ihn der Held mit der Wehr des Cylleniers nieder.

Doch da männlichen Muth sah endlich erliegen der Menge

Perseus, sprach er: ›Wohlan! Weil also ihr selber mich zwinget,

Soll mir helfen der Feind. Hinweg kehrt alle das Antlitz,

Wer zugegen als Freund!‹ Und das Haupt der Gorgo enthüllt er.

›Anderen suche den Sinn mit dem Spuk zu verrücken!‹ erwidert

Thescelus. Doch wie die Hand zu entsenden den tödtlichen Wurfspieß

Trachtete, stand er, ein Bild von Marmor, in dieser Geberde.[147]

Ampyx, diesem zunächst, dringt gegen des großen Lynciden

Mutherfüllete Brust mit dem Schwert; doch während er eindringt,

Ist ihm die Rechte erstarrt, und zurück nicht kann sie, noch vorwärts.

Nileus drauf, der sich von dem siebenfältigen Nilstrom

Fälschlich nannte gezeugt und auch auf dem Schilde die sieben

Mündungen theils in Gold, theils hatte gebildet in Silber,

Sprach: ›Sieh, Perseus, hier von unsrem Geschlechte den Ursprung!

Groß wird sein dein Trost bei den schweigenden Schatten des Todes,

Daß solch edelem Mann du erlagst.‹ Das Ende der Rede

Ward ihm versagt in Mitten des Rufs, und sprechen zu wollen

Schien der geöffnete Mund, doch Durchgang fehlte den Worten.

Die schilt Eryx und spricht: ›Euch bannt nur Mangel des Muthes,

Nicht die gorgonische Kraft. Mir nach zum gemeinsamen Anlauf!

Strecket zu Boden den Mann, der kämpft mit verzauberten Waffen!‹

Anlauf that er bereits; da fesselt die Erde die Füße,

Und er verblieb als starres Gestein ein gewaffnetes Standbild.

Doch die hatten gebüßt nach Verdienst. Als Streiter des Perseus

Focht Aconteus mit, und während für diesen er kämpfte,

Fiel auf die Gorgo sein Blick, und Stein durchdrang ihm die Glieder.

Noch glaubt jenen belebt Astyages, und mit dem Schwerte

Führt er den Streich auf ihn. Hell klirrt abprallend die Klinge.

Während Astyages staunt, trifft ihn auch gleiche Verwandlung,

Und in dem Marmorgesicht ist noch des Verwundeten Miene.

Kund die Namen zu thun von den Männern aus niederem Volke

Währte zu lang. Zweihundert zum Kampf noch blieben der Männer,

Und es verkehrt zweihundert in Stein die geschauete Gorgo.

Da nun endlich gereut die rechtlose Fehde den Phineus.

Doch was thun? Er erblickt Bildsäulen verschieden in Stellung,

Und er erkennet sie wohl, und jeglichen rufend mit Namen

Fleht er um Schutz und berührt ungläubig die Körper der Nächsten,

Marmor waren sie all. Er wendet sich ab, und in Demuth[148]

Schräg die Arme gestreckt und die siegeinräumenden Hände:

›Perseus – sprach er du – siegst! Nimm weg dein gräßliches Schreckniß;

Nimm, o nimm es hinweg, das versteinernde Haupt der Medusa,

Wer auch immer sie sei! Nicht Haß, noch Trachten nach Herrschaft

Trieb uns ja in den Streit; um die Braut nur hoben wir Waffen.

Dir gab rühmliche That, doch Zeit uns höheren Anspruch.

Daß ich sie dir nicht ließ, ist mir leid. O, gönne das Leben,

Tapferer, mir, das nur! Dein möge das Andere bleiben!‹

Als er solches gesagt und nach ihm nicht wagte zu blicken,

Den mit der Stimm' er bat, sprach jener: ›Verzagender Phineus,

Was ich vermag zu verleih'n und dem Feigen ein großer Gewinn ist, –

Banne die Furcht – sei verlieh'n; dich soll kein Eisen verletzen.

Ja, ich stifte dir auch ein ewig bestehendes Denkmal,

Und stets sollst du geschaut noch werden im Hause des Schwähers,

Daß Trost habe mein Weib an dem Bildniß ihres Verlobten.‹

Sprach's und kehrte zugleich dorthin das phorcynische Antlitz,

Wo sein banges Gesicht hinwandte der meidende Phineus.

Wie er den Blick auch jetzt von hinnen zu wenden versuchte,

Starrt ihm der Hals, und zu Stein ist verhärtet die Feuchte der Augen.

Noch ist scheu das Gesicht und flehend am Marmor die Züge,

Schlaff die Hände gesenkt und knechtisch gedrungen die Haltung.

Mit der Gemahlin betritt als Sieger die heimischen Mauern

Abas' Sproß und bekrieget den Prötus, des schuldlosen Ahnes

Retter und Rächer zugleich. Denn es hatte den Bruder mit Waffen

Prötus verjagt und Besitz von Acrisius' Veste genommen.[149]

Doch nicht Waffengewalt, noch die tückisch eroberte Veste

Schützt vor dem gräßlichen Blicke des schlangenumringelten Schreckbilds.

Doch du warst, Polydectes, du Herr der kleinen Seriphus,

Nicht von des Jünglings Muth, den alle die Kämpfe bewiesen,

Noch von den Leiden erweicht; du übst, im Gemüthe verhärtet,

Unerbittlichen Haß, und es wird kein Ende der Feindschaft.

Selber den Ruhm auch schmälerst du ihm, und den Mord der Medusa

Nennst du erdichtete Mähr. ›Hier hast du Beweis von der Wahrheit!

Nehmet die Augen in Acht!‹ sprach Perseus, und von Medusa's

Antlitz war blutleer zu Kiesel des Königes Antlitz.

Soweit war als Gefährtin dem goldentsprossenen Bruder

Pallas gefolgt. Nun flog sie, geborgen in hüllender Wolke,

Fort von Seriphus und ließ rechts Gyaros liegen und Cythnus:

Ueber das Meer, wo der Weg am kürzesten, eilt sie gen Theben[150]

Und zu dem Jungfraunberg, dem Helicon. Dort auf der Höhe

Machte sie Halt und begann zu den neun tonkundigen Schwestern:

›Vom neu sprudelnden Born traf unsere Ohren die Kunde,

Den mit gehärtetem Huf jüngst brach das medusische Flugroß.

Der ist des Wegs Anlaß. Ich wollte das Wunderereigniß

Schauen; ich sah, wie das Roß entstand aus dem Blute der Mutter.‹

Aber Urania sprach: Was auch dich bewogen, o Göttin,

Unsere Wohnung zu seh'n, wir freuen uns dessen von Herzen,

Doch das Gerücht ist wahr, und wirklich ist Schöpfer der Quelle

Pegasus.« Hin dann führt sie zum heiligen Borne die Göttin.

Als sie mit Staunen beseh'n die vom Hufschlag fließenden Wellen,

Mustert Minerva umher den Hain ehrwürdigen Alters,

Auch die Grotten und voll buntfarbiger Blumen den Rasen

Und nennt ob des Berufs und der Stätte die Mnemoniden

Glücklich im Loos, worauf ihr erwiderte eine der Schwestern:

»Du, zur Genossin bestimmt, Tritonia, unserem Chore,

Wenn nicht rüstige Kraft dich riefe zu höheren Werken,

Wahrheit sprichst du und preisest mit Recht die Kunst und die Wohnstatt.[151]

Uns fiel freundliches Loos; nur müßten wir sicherer leben.

Aber – dem Frevel ist nichts ja verwehrt – jungfräuliche Herzen

Setzt leicht alles in Schreck. Noch steht mir der grause Pyreneus

Vor dem Gesicht; noch hat mein Gemüth nicht ganz sich gesammelt.

Daulis Gebiet und das Land der Phocier hatte der Wüthrich

Inne mit thracischem Heer und besaß unrechtliche Herrschaft.

Der sah uns auf dem Weg zum parnassischen Tempel und sagte,

Während, die Mienen verstellt, er huldigte unserer Gottheit:

›Mnemoniden – er hatt' uns erkannt – o, rastet ein wenig;

Kommt und bedenkt euch nicht bei mir Unwetter und Regen –

Regen ergoß sich – zu meiden im Haus. In niedere Hütten

Traten ja Himmlische oft.‹ Durch Rede bewogen und Lage

Folgten wir willig dem Mann und traten hinein in das Vorhaus.

Nun war der Regen vorbei, und der Nord, der bezwungen den Südwind,

Scheuchte das dunkle Gewölk hinweg vom erheiterten Himmel;

Und wir verlangten zu gehn; doch Pyreneus, schließend die Pforte,

Wollte Gewalt anthun. Wir aber entkamen mit Flügeln.

Jener, als wär' er zu folgen bereit, stand hoch auf der Zinne;

›Wo ihr findet die Bahn, wird mir nicht minder die Bahn sein!‹

Ruft er und stürzt sich hinab von der Spitze des Thurmes im Wahnsinn

Und fällt auf das Gesicht und schlägt mit zerschmettertem Schädel

Sterbend den Grund, der roth sich färbt mit dem ruchlosen Blute.«

Während die Muse noch sprach, durchschwirrte die Lüfte Gefieder,

Und das begrüßende Wort ward laut von der Höhe der Aeste.

Auf blickt Pallas und forscht, woher so deutlich gesprochen

Töne der Ruf, und vermeint, daß menschliche Zunge geredet.[152]

Vögel waren es, neun an der Zahl, die, klagend ihr Schicksal,

Auf das Gezweig sich hatten gesetzt, nachsprechende Elstern.

›Die auch haben – begann zur verwunderten Göttin die Göttin –

Neulich gemehrt, in der Wette besiegt, den Schwarm des Geflügels.

Pieros hat sie gezeugt, in Pella's Fluren begütert,

Dem sie Euippe gebar, die Päonerin, die zu Lucina

Neunmal rief, neunmal in Nöthen des Kreißens, um Beistand,

Hochmuth wegen der Zahl ward rege den thörichten Schwestern,

Und das hämonische Land und achaische Städte durchwandernd

Kamen sie her und riefen zum Streit mit den prahlenden Worten:

»Unverständiges Volk mit den eitelen Klängen zu täuschen

Laßt nur ab! Mit uns, wenn irgend Vertrauen ihr heget,

Thespische Göttinnen, kämpft. An Kunst so wenig wie Stimme

Stehen wir nach, und die Zahl ist gleich. Entweder bezwungen

Räumt den medusischen Quell und Hyantia's Born Aganippe,

Oder Emathia's Flur bis zu den beschneiten Päonen

Räumen wir selbst. Zu entscheiden den Streit sei Sache der Nymphen.«

Schimpflich erschien's in den Kampf zu willigen, aber zu weichen

Schimpflicher. Schwur nun thun bei der Flut die erkorenen Nymphen,

Und Sitz nehmen sie rings auf bequem erwachsenen Steinen.

Ohne zu losen beginnt zu singen der Himmlischen Kriege,

Die sich erboten zum Streit, und sie hebt die Giganten zu falschen

Ehren und setzet herab die Thaten der mächtigen Götter:

Und sie erzählt, wie entsandt aus den Tiefen der Erde Typhoeus[153]

Schrecken den Göttern erregt, und wie sie den Rücken gewendet

Alle zur Flucht, bis daß das ägyptische Land den Erschöpften

Zuflucht gab und der Nil mit den sieben geschiedenen Strömen;

Wie auch da sie verfolgt der erdegezeugte Typhoeus,

Und sich die Götter versteckt in trügender Thiere Gestalten.

»Führer des wolligen Viehs wird Jupiter, – sagt sie – von wannen

Jetzt noch krummes Gehörn er trägt als libyscher Ammon;

Bock wird Semele's Sohn; der Delier wählt sich den Raben,

Juno die schneeige Kuh, die Schwester des Phöbus die Katze,

Venus den Fisch zum Versteck, der Cyllenier Flügel des Ibis.«

Somit hatte den Mund sie tönend bewegt zu den Saiten.

Nun trifft uns Aoniden die Reih. Doch fehlet dir Muße

Wohl und die Lust, dein Ohr auch unserem Sange zu leihen?‹

»Zögere nicht, – sprach Pallas darauf – sag' an in der Ordnung

Euer Gedicht!« Und sie saß in dem luftigen Schatten des Haines.

»Eine – versetzte die Muse – bestand für alle den Wettstreit,

Und Calliope tritt, mit Epheu gehalten das lose

Haupthaar, vor und versucht mit dem Daumen die klagenden Saiten

Und fügt solchen Gesang hinzu der geschlagenen Leier:[154]

›Ceres theilte zuerst mit gebogenem Pfluge die Schollen,

Gab Feldfrüchte den Ländern zuerst und mildere Nahrung,

Ordnete Sitten zuerst; ja, alles ist Gabe der Ceres.‹«

Ceres gebührt mein Sang. O, daß ich vermöchte der Göttin

Würdig zu singen ein Lied. Sie sicher ist würdig des Liedes.

Auf den gigantischen Leib ist gethürmt die trinacrische Insel

Weit sich dehnend und hält mit gewaltiger Wucht den Typhoeus

Niedergedrückt, der gewagt zu hoffen ätherischen Wohnsitz.

Oft zwar stemmt er sich an und kämpft in die Höhe zu kommen;

Aber die Rechte bedeckt der ausonische Felsen Pelorus,

Du, Pachynus, die Link', und die Schenkel beschwert Lilybäum.

Aetna belastet das Haupt, wo rücklings liegend Typhoeus

Sand ausschleudert und Glut ausspeit aus dem gräulichen Schlunde.

Oftmals ringt er hinweg zu drängen das zwängende Erdreich

Und sich zu wälzen vom Leib die Städt' und mächtigen Berge.

Davon bebet das Land, und es fürchtet der Schweigenden König,

Daß aufbreche der Grund und im gähnenden Spalt sich eröffne,

Und eindringender Tag erschrecke die zitternden Schatten,

Bang vor solchem Verderb stieg Dis aus dem finsteren Reiche

Jetzo herauf und fuhr, vom Gespanne der Rappen gezogen,

Um des siculischen Lands Grundvesten mit spähender Vorsicht.

Als er genügend erforscht, das nichts dort wankend geworden,

Und sich entschlagen der Furcht, sah jenen die Göttin von Eryx

Schweifen vom heiligen Berg und umarmend den Sohn mit den Flügeln

Sagte sie: ›Du mein Schild, o Sohn, mein Arm und Vermögen,

Nimm das Geschoß, Cupido, womit du alle bezwingest,

Und mit schwirrendem Pfeil durchbohre den Busen des Gottes,

Dem vom dreifachen Reich das letzte der Loose gefallen.

Götter der Höh' und Jupiter selbst und die Mächte des Meeres[155]

Bändigest du und ihn, der beherrschet die Mächte des Meeres.

Was soll Tartarus ruh'n? Warum nicht dehnest du weiter

Dein und der Mutter Gebiet? Hier gilt's ein Drittel des Weltalls.

Achten sie uns doch schon – dank unsrer Geduld – in dem Himmel

Beide gering, und mit mir wird Amors Stärke verringert.

Siehst du es nicht, wie Pallas bereits und Diana die Schützin

Ab von mir sich gewandt? Und Jungfrau, so wir es dulden,

Bleibt Proserpina auch, denn sie heget die selbige Hoffnung.

Auf denn, wenn du mich liebst! Für unsere gemeinsame Herrschaft

Eine die Göttin dem Ohm.‹ So redete Venus. Der Knabe

Löste den Köcher und nahm heraus von den tausend Geschossen

Eins, das die Mutter gewählt. Dem gleicht kein andres an Schärfe,

Keins trifft weniger fehl und ist mehr dem Strange gehorsam.

Drauf anstemmt' er das Knie und krümmte die biegsamen Hörner

Und traf mitten in's Herz den Dis mit dem hakigen Rohre.

Mit tiefgehender Flut liegt nahe den Mauern von Henna,

Pergus genannt, ein See. Mehr Sänge von Schwänen als dieser

Hört selbst nicht in dem Strom hingleitender Wellen Caystros.

Rings das Ufer entlang kränzt Wald die Gewässer und wehret

Phöbus' glühendem Stich mit dem Laub, wie mit schützendem Vorhang.

Kühlung beut das Gezweig, und die Au nährt tyrische Blumen.

Ständiger Frühling herrscht. Wie Proserpina dort in dem Haine

Spielt' und Violen sich bald, bald silberne Lilien pflückte,

Und sich in kindlicher Lust anfüllte den Korb und den Busen

Und es im Sammeln zuvor thun wollte den anderen Mädchen,

Schaut und begehrt und entführet sie Dis, fast alles auf einmal.

So ist die Liebe beeilt. Bang ruft die erschrockene Göttin

Mutter und Freundinnen an um Schutz, doch öfter die Mutter;

Und wie sie klagend das Kleid von dem oberen Saume zerrissen,

Fielen herab aus dem losen Gewand die gesammelten Blumen,[156]

Und so zeigte sich noch in dem kindlichen Alter die Einfalt:

Dieser Verlust auch füllte mit Schmerz die Seele der Jungfrau.

Rasch hin jagte der Dieb, und jegliches rufend mit Namen

Trieb er die Rosse zur Hast und schüttelte kräftig die Zügel

Dunkel wie Eisen gefärbt auf Hälsen und Mähnen der Renner.

Durch tiefgründende Seen hin eilt er und durch der Paliken

Schwefeldünstigen Pfuhl, der kocht aus geborstenem Boden,

Und wo Bacchis' Geschlecht, von der doppeltumwogten Corinthus

Stammend, erbaute die Stadt in der Mitt' unähnlicher Häfen.

Zwischen Cyane liegt und Pisa's Quell Arethusa,

Eine geschlossene Bucht, die ragende Hörner verengen.

Dort war jene, von der den Namen empfangen der Weiher,

Cyane, hochberühmt vor allen sicilischen Nymphen.

Die, aus der Mitte der Flut sich bis an die Hüften erhebend,

Hatte die Göttin erkannt und rief: ›Nicht weiter des Weges!

Darfst du Ceres zum Trotz ihr Eidam werden? Nur Bitten

Standen dir zu, nicht Raub. Wofern mit Großem Geringes

Mir zu vergleichen vergönnt; um mich auch freiet' Anapis;

Aber ich folgt' ihm gebeten und nicht, wie diese, geängstigt.‹

Cyane sprach's, und die Arme gestreckt nach verschiedener Seite[157]

Sperrt sie den Weg. Da hielt der Saturnier länger den Zorn nicht.

Sondern er trieb sein grauses Gespann, und das Königesscepter

Schwang er mit kräftigem Arm und schleudert' es tief in den Strudel.

Siehe, zum Tartarus that Weg auf die getroffene Erde

Und gab mitten im Schlund Aufnahme dem stürzenden Wagen.

Cyane nun trug Leid um der Göttin Raub und der Quelle

So mißachtetes Recht, und sie trägt untröstliche Wunde

Still in verschwiegener Brust und verzehrt sich völlig in Zähren,

Und in die rinnende Flut, darinnen sie eben als Gottheit

Waltete, wird sie verdünnt. Man sah, wie der Leib sich erweichte,

Biegsam wird das Gebein, und die Nägel die Härte verloren;

Und von der ganzen Gestalt wird flüssig zuerst, was am dünnsten,

Erst ihr bläuliches Haar, dann Finger und Schenkel und Füße –

Gliedern von schmächtiger Art ist ja leicht in kaltes Gewässer

Ueberzugehn. Die Schultern darauf und Rücken und Seite

Schwinden hinweg und die Brust zu rieselnden Bächen geschmolzen.

Endlich ersetzt das lebendige Blut im versehrten Geäder

Wasser, und übrig ist nichts, was wäre mit Händen zu greifen.

Rings in jeglichem Land inzwischen und jeglicher Tiefe

Wurde vergeblich gesucht von der ängstlichen Mutter die Tochter.

Niemals sah, mit befeuchtetem Haar aufsteigend, Aurora,

Daß sie gerastet vom Weg, nie Hesperus. Leuchtende Fichten

Nahm sie in jegliche Hand, an den Gluten des Aetna entzündet,

Und trug ohne zu ruh'n sie hin durch thauende Nächte.

Wenn vor dem heiteren Tag hinwieder verblichen die Sterne,

Suchte vom Morgen sie auf bis spät zum Abend die Tochter.

Matt nun war sie vom Weg und lechzte vor Durst, und die Lippen[158]

Hatte genetzt kein Quell: da sieht sie ein niedriges Häuschen

Strohbedeckt und klopft an die Thür. Ein Mütterchen zeigt sich

Oeffnend und siehet die Göttin und reicht ihr, um Wasser gebeten,

Süßes Getränk, das sie hatte bestreut mit gerösteter Gerste.

Während sie schlürfte den Trank, trat hin vor die Göttin ein Bube

Dreisten Gesichts und frech und lacht und nannte sie gierig.

Zorn ist Ceres erregt, und sie gießt, da Neige geblieben,

Ueber den Sprechenden aus das Klare gemischt mit der Hefe.

Flecken beziehn das Gesicht; was eben als Arm er bewegte,

Regt er als Bein; anfügt sich ein Schwanz den gewandelten Gliedern

Und zu kleiner Gestalt, daß Macht zum Schaden gebreche,

Schrumpfet er ein, noch kleiner im Maß wie die winzige Echse.

Während das Mütterchen staunt und weint und greift nach dem Thierchen,

Nimmt er die Flucht und sucht ein Versteck, und entsprechend dem Aussehn

Wird er genannt, am Leibe besternt mit gesprenkelten Tropfen.

Was für Lande durchirrt und was für Gewässer die Göttin,[159]

Wäre zu sagen zu lang. Nichts blieb zu durchsuchen auf Erden.

Nach Sicanien kehrt sie, und ringsum forschend im Gehen

Kam sie zu Cyane auch. Wenn die nicht wäre gewan delt,

Hätte sie alles erzählt! doch Mund und Zunge gebrachen,

Wenn sie zu reden gedacht, und es war kein Mittel zum Sprechen.

Aber sie ließ ein Zeichen ersehn; Persephone's Gürtel,

Der an der Stätte gerad' in den heiligen Weiher gefallen,

Wohl der Mutter bekannt, ließ oben im Wasser sie schwimmen.

Wie ihn die Göttin erkannt, da rauft sie, als wüßte sie nun erst,

Daß ihr die Tochter geraubt, das kunstlos hangende Haupthaar

Und schlägt wieder die Brust und wieder mit offenen Händen.

Fremd ist die Gegend ihr noch; doch alle die Länder verwünscht sie,

Nennet sie undankbar, unwürdig der Gabe der Feldfrucht,

Und das trinacrische Land vor anderen, wo sie die Spuren

Fand vom Verlust. Drum brach sie die schollumkehrenden Pflüge

Dort mit zerstörender Hand und gab im Zorne den Landmann

Sammt dem bestellenden Stier in den Tod und ließ die Gefilde

Vorenthalten das Gut und machte verdorben den Samen.

All der Segen der Flur, deß Ruhm ging über den Erdkreis,

Bleibt nun aus. Es erstirbt in den sprießenden Halmen die Aussaat.

Bald rafft heftige Glut sie hinweg, bald heftiger Regen;

Sterne zugleich sind schädlich und Wind, und die gierigen Vögel

Picken gestreuete Saat, und wuchernd umdrängen den Weizen

Lolch und Disteln im Feld und nicht zu vertilgendes Unkraut.

Da aus der elischen Flut hob sich die alpheische Nymphe,[160]

Und von der Stirn zum Ohr hinstreichend die triefenden Haare

Sagte sie: ›Mutter der rings auf Erden erkundeten Jungfrau

Und der ernährenden Frucht, stell' ab die unendliche Drangsal,

Und nicht zürne so hart der treu dir ergebenen Erde.

Sie ja verschuldete nichts, und dem Raub erschloß sie sich ungern.

Nicht für die Heimat fleh' ich: von fern her bin ich ge kommen.

Pisa ist Heimat mir, und wir leiten von Elis den Ursprung.

Uebergesiedelt bewohn' ich Sicanien, aber vor allen

Halt' ich werth dies Land. Hier hat Arethusa Penaten,

Hier jetzt häuslichen Sitz. Den schone, du gütigste Göttin!

Aber warum ich von dort durch die Wogen des Meers mich entfernte

Und mich begab weit weg nach Ortygia, dies zu erzählen

Kommt wol schickliche Zeit, wenn du erst wieder von Sorge

Frei sein wirst, und erheitert dein Blick. Mir bietet die Erde

Durchgang unten im Grund, und entführt durch dunkele Höhlen

Heb' ich allhier mein Haupt und schau' entwohnte Gestirne,

Als ich im stygischen Schlund so hinfloß unter der Erde,

Sah ich Proserpina dort, dein Kind, mit eigenen Augen.

Zwar ist traurig sie noch und von Angst nicht frei in den Zügen,

Aber doch Königin jetzt, die höchste des finsteren Reiches,

Aber die waltende Frau doch jetzt bei dem Todtenbeherrscher.‹

Wie sie die Kunde vernahm, stand da wie versteinert die Mutter

Und war lang wie vom Donner gerührt. Doch die Macht der Betäubung

Wich vor der Macht des Schmerzes zuletzt, und sie stieg mit dem Wagen

In die ätherische Luft. Dort ganz in Wolken das Antlitz

Trat sie vor Jupiter hin mit fliegenden Haaren im Unmuth:

›Für mein Blut und zugleich für das deinige, Jupiter, – sprach sie –

Komm' ich dich anzufleh'n. Wenn nichts du achtest die Mutter,[161]

Rühre den Vater das Kind, und nicht sei minder um jene

Darum etwa besorgt, weil wir sie getragen im Schooße.

Siehe, die Tochter, die lang ich gesucht, ist endlich gefunden,

Wenn ja finden du nennst nur sicherer noch zu verlieren

Oder zu wissen den Ort, wo sie ist. Die Entführung verzeih' ich

Gibt er sie nur mir zurück. Denn Jupiters Tochter geziemet

Doch kein Räuber zum Mann, wenn auch er geziemet der meinen.‹

Drauf hob Jupiter an: ›Pfand ist und Beschwerde gemeinsam

Mir die Tochter wie dir. Doch wenn wir mit richtigem Namen

Wollen benennen die That, so war's mit nichten Beschimpfung,

Liebe vielmehr. Auch haben wir nicht uns zu schämen des Eidams,

Wolltest du, Göttin, ihn nur. Laß Anderes fehlen: wie viel schon,

Jupiters Bruder zu sein! Doch auch das Andere fehlt nicht;

Denn in dem Loos nur steht er mir nach. Doch wenn du nach Scheidung

Also verlangst, so soll Proserpina kehren zum Himmel,

Nur mit dem festen Beding, wenn nichts anrührte von Speise

Drunten ihr Mund. Denn so ist verhängt im Rathe der Parcen.‹

Jupiter sprach's. Doch Ceres entschließt sich die Tochter zu holen.

Nicht so will's das Geschick, weil nicht mehr drunten die Jungfrau

Fastete. Während sie ging ohn' Arg' im gewarteten Garten,

Hatte vom hangenden Baum sie gepflückt rothwangigen Apfel;

Sieben Kerne sodann, entnommen der gelben Umhüllung,

Hatte zerdrückt ihr Mund, und allein zugegen von allen

Nahm es Ascalaphus wahr, den weiland – sagen sie – Orphne,[162]

Nicht die geringste an Ruf von der Schaar der avernischen Nymphen,

Unter dem schwarzen Geklüft aus Acherons Liebe geboren.

Dieser ersah's und benahm durch Verrath ihr schnöde die Rückkehr.

Erebus' Königin seufzt und gibt dem gehässigen Zeugen

Vogelgestalt, und das Haupt, das Phlegethons Wellen bespritzen,

Bildet zum Schnabel sie um, zu Federn und glotzenden Augen.

Er sich selber entrückt, wird braun mit Flügeln bekleidet

Und wird dicker am Kopf und krümmt weitgreifende Krallen,

Und das Gefieder bewegt er kaum an den lässigen Armen.

Also ein häßlich Geschöpf, annahende Trauer verkündend,

Hockt er als Uhu nun, für die Menschen ein grausiges Schreckbild.

Doch der hatte vielleicht für seine verrathende Zunge

Strafe verdient. Woher habt ihr, acheolische Mädchen,

Füße wie Vögel und Flaum, da ihr tragt jungfräuliches Antlitz?

Wohl, weil da, als Blumen im Lenz Proserpina pflückte,

In der Gefährtinnen Zahl ihr wart, sangreiche Sirenen?

Als ihr die Lande gesammt umsonst durchsucht nach der Göttin,

Wünschtet ihr auch alsbald, daß euere Sorge den Meeren

Kund sei, über der Flut zu steh'n mit dem Ruder der Flügel.

Götter vernahmen den Wunsch willfährig, und euere Glieder

Saht ihr plötzlich gefärbt von gelbumhüllenden Federn.[163]

Doch daß jener Gesang, die köstliche Gabe des Mundes,

Lockend das Ohr zu fesseln bestimmt, nicht misse die Zunge,

Ist jungfräulich Gesicht und menschliche Stimme geblieben.

Zwischen dem Bruder getheilt im Wunsch und der trauernden Schwester

Gibt von dem rollenden Jahr nun Jupiter jedem die Hälfte.

Jene verweilt, zwei Reichen gesellt als gemeinsame Gottheit,

Bei dem Gemahl fortan sechs Monde und sechs bei der Mutter.

Umgewandelt sogleich ist ihr das Gemüth und das Antlitz;

Die selbst konnte dem Dis jüngst traurig erscheinen, der Göttin

Stirn ist heiter und frei, wie die Sonne, die wässrige Wolken

Vorher hatten verdeckt, siegreich aus den Wolken hervortritt.

Ceres die segnende fragt, nun froh, da die Tochter bewilligt,

Was dich vertrieb, warum du ein heiliger Quell, Arethusa.

Schweigend verharrte die Flut, und die Göttin erhob aus des Bornes

Tiefe das Haupt, und das grünliche Haar mit den Händen sich trocknend

Gab sie Bericht von des elischen Stromes vormaliger Liebe:

›Eine vom Nymphengeschlecht, das wohnt in Achaia – sprach sie –

War ich zuvor, und nie hat eine mit größerer Jagdlust

Forste durchstreift, nie Garne gestellt mit größerer Jagdlust.

Aber obschon ich nie mich bemüht um die Ehre der Schönheit,

Ob auch rüstig und derb, ich hatte den Namen der Schönen.

Doch es beglückte mich nicht mein allzugepriesenes Antlitz;

Ländlich und schlicht sah ich mit Erröthen die Gaben des Leibes,

Darob Andre sich freu'n, und ich hielt zu gefallen für Sünde,[164]

Aus dem stymphalischen Wald – ich entsinne mich – kam ich ermüdet:

Heiß war's und von der Müh' war verdoppelt die drückende Hitze.

Sieh, da beut sich ein Fluß, der ohne Gewirbel und Murmeln

Rann durchsichtig zum Grund, daß zählbar war auf dem Boden

All das kleine Gestein; kaum schienen die Wellen zu gleiten.

Grauliches Weidengebüsch und vom Wasser genährete Pappeln

Spendeten Schatten, von selbst erwachsen, den hangenden Ufern.

Nah hintretend benetzt' ich zuerst die Sohlen des Fußes,

Drauf bis zum Knie das Bein; dann lüsterner lös' ich den Gürtel,

Und mein weiches Gewand der gebogenen Weide vertrauend

Tauch' ich mich nackt in die Flut. Doch wie ich sie schlug und heranzog

Gleitend auf jegliche Art, und warf ausgreifende Arme,

Nahm ich wahr in der Mitte des Stroms ein verdächtiges Rauschen,

Und schnell trat ich geschreckt an den Rand des näheren Ufers.

»Flieh' doch nicht, Arethusa!« erscholl aus seinen Gewässern,

»Flieh' doch nicht!« scholl neu der heisere Ruf des Alpheus.

Ohne Gewand, wie ich war, entfloh ich – am anderen Ufer

Lag das Gewand. Darum drängt glühender noch der Verfolger.

Und weil nackend ich war, erschien ich ihm desto bereiter.

So lief eilend ich fort, so drängte mich eilend der Unhold,

Wie vor dem Habicht flieh'n mit zitternder Schwinge die Tauben,

Und wie der Habicht pflegt zu jagen die zitternden Tauben.

Bis nach Orchomenus hin und Psophis und über Cellene

Und Erymanthus hinaus und des Mänalus Krümmen nach Elis

Dauert' ich aus im Lauf, und nicht war rascher Alpheus.

Doch auf die Länge den Lauf aushalten, an Kräften ihm ungleich,

Konnt' ich nicht; er war der langen Beschwerde gewachsen.

Dennoch eilt' ich dahin durch Feld und bewaldete Berge,

Ueber Gestein und Klippen hinweg, wo nirgends ein Weg war.

Hinter mir stand die Sonn', und ich sah, wie ein Schatten sich langhin[165]

Streckte den Füßen voraus, wofern nicht Furcht es gesehen.

Aber gewiß doch schreckte der Schall von Tritten, und heftig

Blies an die Binde des Haars der keuchende Athem des Mundes.

»Hilf – so rief ich erschöpft von der Flucht – Dictynna! Er faßt mich.

Stehe der Deinigen bei, der Begleiterin, welcher den Bogen

Oft zu tragen du gabst und im Köcher verschlossene Pfeile!«

Jene erhört mein Fleh'n, und eine der dichtesten Wolken

Wirft sie über mich hin. Rings späht nach der Dunkelumhüllten

Tappend der Strom und forscht rathlos um den bergenden Nebel.

Zweimal ging er bethört um den Ort, wo Schutz mir geworden;

Zweimal rief er: »Io, Arethusa, io, Arethusa!«

Wie war da mir Armen zu Muth! Wohl so, wie dem Lamme,

Wenn es der Wölfe Geheul um das hohe Gehege vernommen,

Oder dem Hasen im Busch, der aus dem Verstecke der Hunde

Feindliche Schnauzen erblickt und den Leib nicht wagt zu bewegen,

Jener jedoch weicht nicht, weil weitere Spuren der Füße

Nirgends hinaus er gewahrt. Er bewacht das Gewölk und die Stelle.

Da fällt frostiger Schweiß auf meine belagerten Glieder,

Und ringsum von dem Leib entrinnen mir bläuliche Tropfen.

Wo ich setze den Fuß, da wallet ein See; aus dem Haupthaar

Triefet mir Thau, und schneller, als jetzt ich erzähle das Wunder,

Lös' ich in Nässe mich auf. Doch auch die theueren Wellen

Kennet der Strom, und der Mannesgestalt, die er lieh, sich begebend

Wird er zur eigenen Flut, mit mir sich zu mischen gewandelt.

Delia spaltet den Grund, und gesenkt in verborgene Höhlen

Fließ' ich Ortygia zu, die wegen der gleichen Benennung[166]

Meiner Gebieterin werth mich zuerst vorzog an die Lüfte.‹

So Arethusa's Bericht. Drauf schirrt die befruchtende Göttin

An ihr Drachengespann und bändigt mit Zäumen die Rachen

Und fährt hin durch die Luft in der Mitte von Himmel und Erde.

Auf die tritonische Stadt zum Triptolemus senkt sie den leichten

Wagen sodann und gibt ihm Samen und heißet ihn streuen

Theils in rohes und theils in lang brachliegendes Erdreich.

Ueber Europa hinweg und Asien hatte der Jüngling

Schwebend befahren die Luft. Nun kommt er an Scythiens Küsten.

Lyncus gebot alldort. Er betritt die Penaten des Königs.

Wie er gekommen des Wegs und warum und nach Namen und Heimat

Wird er gefragt und versetzt: ›Triptolemus heiß' ich, und Heimat

Nenn' ich die hohe Athen. Nicht kam ich zu Schiff auf den Wogen,

Noch auf dem Lande zu Fuß: mir öffnete Bahnen der Aether.

Ceres' Geschenk herbring' ich, auf daß es gestreut im Gefilde

Reichlich geerntete Frucht und harmlose Speise gewähre.‹

Neid empfand der Barbar, und er nimmt, um Geber der Wohlthat

Selber zu sein, ihn gastlich in's Haus und fällt mit dem Schwerte

Während des Schlummers ihn an. Wie er trachtet die Brust zu durchbohren,

Macht ihn Ceres zum Luchs. Dann heißt sie wieder in Lüften[167]

Tummeln das hehre Gespann den beschützten mopsopischen Jüngling.

Also beschloß die Größte von uns den bedungenen Wettsang,

Und einmüthigen Spruchs ward uns heliconischen Jungfrauen

Zuerkannt von den Nymphen der Sieg. Als noch die Besiegten

Schmähten und schimpften, begann sie: ›Dieweil euch nicht, mit dem Wettkampf

Strafe verwirkt zu haben, genügt, und ihr kränkende Reden

Fügt zu der Schuld, und uns nicht zusteht fernere Langmuth,

Wollen wir Strafe vollzieh'n und folgen dem Rufe des Zornes.‹

Lachend vernimmt's die emathische Schaar und verachtet die Drohung.

Als sie zu sprechen jedoch und frech mit den Händen zu nahen

Strebten mit lautem Geschrei, erkannten sie, wie an den Nägeln

Sproßte Gefieder hervor, und mit Flaum sich deckten die Arme.

Ein' an der Anderen sieht, wie der Mund zum hornigen Schnabel

Spitz sich schließt, und dem Walde zunächst ein neues Geflügel.

»Geißeln wollten sie sich; da schwebten sie an den bewegten

Armen empor in die Luft als Elstern, des Hains Schreihälse.«

Noch ist den Vögeln die Lust zum Sprechen geblieben von Alters,

Heis're Geschwätzigkeit und die Sucht zu stetem Geplauder.[168]

Quelle:
[Ovidius Naso, Publius]: Ovids Metamorphosen. 3 Bde., Berlin 6[um 1911–1916], Band 2.
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