Zehntes Buch.

[142] Inhalt. O'rpheus und Eury'dice (Verwandlungen in Stein). Bewegung der Bäume (A'ttis; Cypari'ssus). Ganyme'des. Hyaci'nthus. Die Cera'sten und Propöti'den. Pygma'lion. My'rrha. Ado'nis (Atala'nta und Hippo'menes; Me'ntha).


Dortweg schreitet, umhüllt von dem Safrankleid, Hymenä'us

Durch die unendliche Luft und wendet sich nach der Ciko'nen

Küsten und wird nutzlos von des O'rpheus Stimme gerufen.

Zwar willfahrt er und kam, doch nicht hochzeitlichen Jubel

Brachte er mit, noch frohes Gesicht, noch günstige Zeichen.

Thränenerregender Rauch ließ stets auch zischen die Fackel,

Die in der Rechten er trug, und sie fing kein Feuer im Schwunge.

Schrecklicher war der Erfolg als der Anfang. Während im Grünen

Wandelte unter der Schar der Naja'den die kürzlich Vermählte,

Fand sie den Tod, an der Ferse verletzt vom Zahne der Schlange.

Als zum Himmel um sie nun Rho'dope's Sänger genugsam

Hatte geklagt, da wagt' er zum letzten Versuch bei den Schatten

Durch das täna'rische Thor zur Styx in die Tiefe zu steigen,[143]

Und durch luftiges Volk und Gebilde bestatteter Toten

Tritt er Perse'phone nah' und dem Könige, der bei den Schatten

Waltet im freudlosen Reich; und zum Sang abschlagend die Saiten

Redet er: »Mächte der Welt, die steht im Schoße der Erde,

Der wir verfallen gesamt, soviele wir sterblich erwachsen,

Darf ich mit eurer Vergunst ohn' Umschweif trügenden Mundes

Wahrheit sprechen vor euch: nicht kam ich des Ta'rtarus Dunkel

Mir zu beschauen herab, noch auch den schlangenbehaarten

Dreifach dräuenden Hals des Medu'sischen Tieres zu fesseln.

Mich führt her mein Weib, der eine getretene Viper

Gift in die Wunde geströmt und gekürzet die blühen den Jahre.

Stark zu ertragen den Schmerz, nicht will ich es leugnen, versucht' ich;

A'mor behielt den Sieg. Der Gott ist bekannt in der Höhe;

Ob er es hier auch sei, nicht weiß ich es, aber ich glaube.

Amor, wofern nicht lügt das Gerücht von dem früheren Raube,

Hat ja vereint auch euch. Bei diesem unendlichen Cha'os,

Hier bei den Stätten des Grau'ns und der Öde des weiten Gebietes

Fleh' ich zu euch: knüpft neu Eurydice's schleuniges Schicksal!

Alle gehören wir euch, und wir eilen nach kurzem Verweilen

Früher und später hinab zu dem einen gemeinsamen Wohnsitz;

Hierher müssen wir all', und dies ist die letzte Behausung.

Über das Menschengeschlecht übt ihr die dauerndste Herrschaft.

Sie auch fällt, wenn reif sie verlebt die gebührenden Jahre,

Euerem Recht anheim. Gönnt uns nur noch die Gemeinschaft!

Weigert der Gattin die Gunst das Geschick, so bin ich entschlossen

Nimmer von hinnen zu geh'n. Dann freu' euch zweier Vernichtung.«

Während er also sprach und zum Sang eingriff in die Saiten,

Weinte die blutlose Schar der Gestorbenen. Ta'ntalus haschte[144]

Nicht nach der weichenden Flut, und es stockte das Rad des Ixi'on;

Nicht mehr ward von den Geiern die Leber zerhackt; die Beli'den

Ließen die Urnen in Ruh', und Si'syphus saß auf dem Steine.

Damals netzten zuerst nach der Sage die drei Eumeni'den

Weinend die Wangen, gerührt von dem Lied. Abschlagen die Bitte

Kann ihm die Königin nicht, noch auch der Beherrscher der Tiefe,

Und Eury'dice ruft ihr Geheiß. Die war bei den neuen

Schatten und ging mit verzögertem Schritt, von der Wunde gehindert.

Sie und die Weisung zugleich empfängt nun Rho'dope's He'ros,

Daß er zurück nicht wende den Blick, bis daß er gelangt sei

Aus dem Avernischen Thal; sonst wär' er der Gabe verlustig.

Aufwärts steigen sie jetzt durch schweigende Öde den Fußpfad,

Schroff, voll düsteren Grauns und umstarrt von finsterem Dunkel.

Nicht mehr waren sie fern vom Rande der oberen Erde,

Da, sie verlangend zu seh'n und besorgt, daß Kraft ihr gebreche,

Schaut er liebend sich um, und zurück gleich ist sie gesunken.

Sehnlich die Arme gestreckt, auf daß er sie fasse und selber

Werde gefaßt, hascht nichts denn weichende Lüfte der Arme.

Ob sie wiederum stirbt, sie klagt nicht über den Gatten:

Was auch war zu beklagen für sie, als daß sie geliebt war?

Scheidenden Gruß, den kaum sein Ohr noch konnte vernehmen,

Rief sie ihm zu und wurde gerafft zu der vorigen Stätte.

O'rpheus aber ist starr von dem zwiefachen Tode der Gattin,

Ähnlich dem Mann, den schrecken des Hunds drei Hälse, von welchen[145]

Bande der mittlere trug, und den mit dem früheren Wesen

Erst das Entsetzen verließ, als Stein durchdrungen den Körper,

Oder wie O'lenus einst, der Frevler, zu scheinen verlangte,

Auf sich nehmend die Schuld, und du, unsel'ge Lethä'a,

Die zu dreist auf Schöne vertraut, treu liebende Herzen

Vormals, Steine zur Zeit, die trägt die bewässerte I'da.

Als er mit eitelem Fleh'n nochmals hinüber verlangte,

Wies ihn der Ferge zurück. Doch pflegevergessen am Ufer

Saß er sieben der Tag' und verschmähte die Gabe der Ce'res;

Zähren und Gram und Schmerz des Gemüts nur waren ihm Nahrung.

Grausam schalt er und hart des E'rebos Götter und kehrte

Wieder zu Rhodope's Höh'n und zum nordumsauseten Hä'mus.

Dreimal hatte das Jahr, das schließen die schwimmenden Fische,

Schon vollbracht der Tita'n, und es hatte der weiblichen Liebe

Orpheus gänzlich entsagt, sei's, weil sein Leid sie gewesen,

Sei's, weil Treu' er gelobt. Doch sich zu ergeben dem Sänger

War gar manche bereit; gar manche beklagte Verschmähung.

Er gab Vorbild auch den thrakischen Stämmen, dem zarten[146]

Männergeschlecht in Liebe zu nah'n und die Blüte der Jugend

Und den vergänglichen Lenz vor dem Jünglingsalter zu pflücken.

Sanft ansteigend erhob sich ein Hügel, und über dem Hügel

Dehnte sich ebenes Feld, das grünte von üppigem Graswuchs.

Schatten vermißte der Ort. Als aber der götterentstammte

Sänger sich dorthin setzt' und rührte die tönenden Saiten,

Kam bald Schatten dem Ort. Nicht fehlt der chao'nische Baumstamm,

Noch Helia'dengehölz, noch auch hochlaubige Eichen;

Linden mit weichlichem Holz, mit der Buche der züchtige Lorbeer,

Brechendes Haselgesträuch kommt nah', unknotige Tannen,

Eschen zu Lanzen bequem, Steineichen von Früchten gebogen,

Samt der Platane, dem Baum des Ergötzens, der fleckige Ahorn,

Durstiger Lo'tus dazu und stromanwohnende Weiden,

Auch stets grünender Buchs, Tamari'sken mit schmächtigen Ästen

Und die gesprenkelte Myrt' und Ti'nus mit bläulichen Beeren.

Ihr auch kamt, von dem Sange gelockt, schlingfüßiger Epheu,[147]

Rankende Reben des Weins und mit Reben bekleidete Ulmen,

Mannaesche und Föhr' und, beladen mit rötlichen Früchten,

A'rbutus, du, die lohnet den Sieg, schlankragende Palme,

Auch aufsträubend das Haar und struppig am Scheitel die Fichte,

Cy'bele's heiliger Baum, dieweil vor Zeiten ihr A'ttis

Menschliches Wesen in ihm aufgab und erharschte zum Stamme.

Unter der Schar war auch die kegelgeformte Cypresse,

Jetzo ein Baum, doch sonst ein Knabe, geliebt von dem Gotte,

Der anzieht an der Laute zugleich und am Bogen die Saite.

Einst, von den Nymphen beschützt, die Karthä'a's Fluren bewohnen,

War ein stattlicher Hirsch, der selber dem eigenen Haupte

Mit weitoffnem Gehörn hochfallenden Schatten gewährte.

Prächtig erglänzte von Gold das Geweih; am gerundeten Halse[148]

Hing zum Buge gesenkt von edlen Gesteinen ein Halsschmuck;

Über der Stirn auch hing, von zierlichen Riemen gehalten,

Schwankend ein Silbergehenk; gleich licht an jedem der Ohren

Schimmerten Perlen, gereiht um die hohleingehenden Schläfe.

Dieser, von Furcht ganz frei und natürlicher Scheu sich begebend,

Pflegte hinein in die Häuser zu geh'n und willig den Händen,

Wie sie ihm fremd auch waren, den Hals zum Streicheln zu bieten.

Doch du hieltest ihn wert vor allen zumeist, Cypari'ssus,

Schönster vom ke'ischen Volk. Du führtest zu saftiger Weide,

Du auch führtest den Hirsch an die Wellen des lauteren Bornes;

Bald umflochtest du ihm das Geweih mit farbigen Blumen;

Bald auch lenktest du ihn, als Reiter den Rücken beschwerend,

Lustig umher am weichen Gebiß mit purpurner Halfter.

Schwüle und Mittag war, und dem uferbewohnenden Krebse

Brannten vom glühenden Strahle der Sonne die greifenden Scheren,

Als sich ermattet der Hirsch hinstreckt' auf den grasigen Boden

Und von dem Schatten der Bäum' einatmete labende Kühle.

Ihn traf ohne Bedacht mit der Schärfe des Speers Cyparissus

Selber, und wie er ihn sah hinsterben an grausamer Wunde,

Nahm er zu sterben sich vor. Was sprach nicht Phöbus zum Troste?

Leicht zu nehmen den Schmerz und der Sache gemäß sich zu härmen

Mahnt' er ihn stets. Dennoch seufzt jener und heischt von den Göttern

Dies als letztes Geschenk, daß ewig in Trauer er bleibe.

Als nun gänzlich das Blut durch ständiges Weinen erschöpft war,

Da hub an sich in Grün zu verwandeln der Körper des Knaben;

Das an der schneeigen Stirn noch eben gehangen, das Haupthaar

Wurde zu struppigem Laub und schaute, behaftet mit Starrheit,

Zu den Gestirnen empor mit schmal zugehendem Wipfel.

Harmvoll seufzte der Gott und sprach: »Stets sollst du betrauert

Werden von uns und nah' den Bekümmerten andre betrauern.«[149]

Derlei Wald nun war von dem Sange gelockt, und der Sänger

Saß da unter dem Wild und umringt vom Schwarme der Vögel.

Als er genug mit dem Daumen versucht die geschlagenen Saiten

Und das vereinigte Spiel der doch so verschiedenen Töne

Wohllaut gebend erfand, stimmt Orpheus solchen Gesang an:

»Hebe mit Ju'piter an, – vor Jupiter weichet ja alles –

Mutter Mu'se, mein Lied. Oft hab' ich früher gefeiert

Jupiters Macht. Ich besang im erhabenen Lied die Giga'nten

Und im phlegrä'ischen Feld zerstreute bezwingende Blitze.

Leichterer Weise bedarf's nunmehr, von Knaben zu singen,

Welche die Götter geliebt, und wie von verbotener Flamme

Sinnesberaubt Jungfrau'n sich Strafe verwirkt durch Begierde.

Einst für den Phry'giersohn Ganyme'des erglühte der Götter

König in Lieb', und es war nun eins, was Jupiter lieber

Wünschte zu sein als das, was er war. Doch keinen der Vögel

Würdigt er, ihm die Gestalt zu leih'n, als der ihm den Blitz trägt.

Sonder Verzug durchschießend die Luft mit erborgtem Gefieder

Raubt er den i'lischen Sproß, der jetzt noch immer die Becher

Mischet und Nektar reichet dem Jupiter Ju'no zum Trotze.[150]

Du auch wärst, Amykli'de, versetzt in den Himmel von Phö'bus,

Hätte das traurige Los nur Zeit ihm gegönnt zur Versetzung.

Wie es erlaubt, bist ewig du doch. Denn stets, wenn den Winter

Scheuchet der Lenz und dem nässenden Fisch nachfolget der Widder,

Sprießest du fröhlich hervor und blühst im grünenden Rasen.

Dich vor allen zumeist hielt wert mein Zeuger, und De'lphi,

Welches die Mitte der Welt einnimmt, war ohne den Schirmer,

Weil den Euro'tas der Gott und die mauerentbehrende Spa'rta

Eifrig besucht. Nicht mehr steh'n Leier und Pfeile in Ehren,

Und er vergißt sein selbst und verschmäht nicht Garne zu tragen,

Hunde zu halten am Seil und über die rauhen Gebirgshöh'n

Mitzugehen und nährt durch langes Gewöhnen die Flamme.

Zwischen der kommenden Nacht und der letztentwich'nen in Mitte

War der Tita'n und stand gleichweit von dem zwiefachen Ende.

Beid' entkleiden den Leib, und vom Safte der fetten Olive[151]

Glänzend beginnen sie jetzt mit gewichtigem Diskus die Wette.

Den nun schwingt und schleudert empor in die Leere der Lüfte

Phö'bus zuerst und zerteilt mit der Wucht die begegnenden Wolken.

Erst nach langem Verzug fiel auf die gefestigte Erde

Wieder die Last und bewies mit der Kunst im Vereine die Stärke.

Gleich lief ohne Bedacht im Eifer des Spieles, die Scheibe

Aufzuheben, herbei der täna'rische Knabe; doch jene

Prallte zurück in die Luft und ward vom gediegenen Boden

Dir ins Gesicht, Hyaci'nthus, geschnellt. So blaß wie der Knabe

Wurde der Gott. Er hält die zusammengesunkenen Glieder

Und bald wärmet er dich, bald stillt er die traurige Wunde,

Bald legt Kräuter er auf, die entfliehende Seele zu halten.

Aber die Kunst frommt nichts. Unheilbar war die Verletzung.

Wie wenn Veilchen die Hand und Mohn im bewässerten Garten

Oder Lilien knickt, die haften an goldenen Zungen,

Wie ihr lastendes Haupt dann welk läßt sinken die Blume,

Halt nicht länger bewahrt und erdwärts sieht mit der Krone:

Also liegt sein sterbendes Haupt, und, entbehrend der Spannkraft,

Ist sich selber zur Last und fällt auf die Schulter der Nacken.

O'balus' Sohn, du sinkst, um die Blüte der Jugend betrogen,‹

Sagte der Gott, ›dich seh' ich versehrt durch meine Verschuldung.

Du bist nun mein Schmerz und Vergeh'n, und unsere Rechte

Zeichnet mit Schuld dein Fall. Ich bin dir Bringer des Todes.

Doch wie hab' ich gefehlt, wenn Fehl nicht etwa zu nennen

Heiteres Spiel, wenn Fehl nicht gar mein Lieben zu nennen?

Daß doch wäre vergönnt, für dich mein Leben zu lassen

Oder zugleich mit dir! Weil so uns bindet das Schicksal,

Sollst du bei mir stets sein und im Sinn wie im Munde verbleiben;

Dich soll tönen mein Lied und dich die geschlagene Leier;

Unseren Schmerz auch sollst du in Schrift als Blume bezeichnen.

Auch wird kommen die Zeit, da sich in die nämliche Blume

Wandelt der tapferste Held und steht auf dem Blatte zu lesen.‹«[152]

Während Apollo dies untrüglichen Mundes voraussagt,

Bleibt nicht Blut das Blut, das, niedergeflossen zur Erde,

Hatte gezeichnet das Gras, und glänzend wie tyrische Röte

Sprießet die Blume hervor, die ganz wie die Lilie aussieht,

Nur daß purpurn an ihr, an der Lilie silbern die Farbe.

Phöbus jedoch – denn er war Geber der Ehre – begnügt sich

Damit nicht, und er schreibt sein Weh auf die Blätter, und ›Ai ai‹

Stehet darauf, und den klagenden Ruf zeigt deutlich die Blume.

Auch schämt Sparta sich nicht der Geburt Hyacinths, und die Ehre

Währt bis in unsere Zeit, und, nach Sitte der Väter begangen,

Werden mit würdigem Prunk Hyaci'nthien jährlich gefeiert.

Fragst du jedoch, ob gern Amathu'nt, an Metallen ergiebig,[153]

Einräumt, daß sie gezeugt die Propöti'den: verleugnen

Möchte sie die, wie die Brut, der rauh vor alters die Stirnen

Waren von doppeltem Horn, daher ihr Name Kera'sten.

Außen am Thor stand ihnen des gastlichen Jupiters Altar,

Lockung scheußlichen Thuns. Wenn den mit Blute befeuchtet

Hätte ein Fremder geseh'n, der mochte vermeinen, geschlachtet

Seien alldort amathusische Schaf' und saugende Kälber:

Mord war verübt am Gast. Durch die gräßlichen Opfer entrüstet,

Schickt Ophiu'sa's Flur und die heiligen Städte zu räumen

Venus die holde sich an. ›Was haben denn aber die lieben

Orte‹, begann sie, ›gethan, was unsere Städte verschuldet?

Büße das böse Geschlecht vielmehr mit Bann, mit Vernichtung,

Oder wenn eins noch ist in der Mitte von Tod und Verweisung,

Und was kann das sein, als Strafe gewandelten Leibes?‹

Während sie sann auf die Art der Verwandlung, erblickte die Hörner

Venus und wurde gemahnt, daß die wohl könnten verbleiben.

Also verkehrt sie das plumpe Geschlecht in trotzige Farren.

Dennoch sprachen ihr frech die verächtlichen Propötiden

Göttliche Hoheit ab, wofür sie die rächende Venus

Ließ nach der Sage zuerst feil bieten den Leib und die Schönheit.

Dann, wie gewichen die Scham und das Blut des Gesichtes erstarrt war,

Wurden sie hartes Gestein mit kaum zu gewahrendem Wechsel.

Weil er geseh'n, wie die ihr Leben in Schande verbrachten,[154]

Wollte, zurück durch die Fehler geschreckt, die dem weiblichen Sinne

Zahlreich gab die Natur, Pygma'lion ohne Gefährtin

Eh'los bleiben, und lang auch teilt' er mit keiner das Lager.

Schneeiges Elfenbein mit selt'nem Geschick und Gelingen

Schnitzt er indes und verleiht ihm Gestalt, wie auf Erden geboren

Lebt kein Weib, und es weckt sein Werk ihm verlangende Sehnsucht.

Wirkliche Jungfrau scheint die Gestalt, und man meinte, lebendig

Sei sie und wolle, wofern nicht Scham es verböte, sich regen.

So läßt Kunst nicht sehen die Kunst. In Entzücken verloren,

Faßt zu dem scheinbaren Leib Pygmalion glühende Liebe.

Oft legt prüfend die Hand er daran, ob Leib das Gebilde

Oder ob Elfenbein, und für Bein nicht kann er es halten.

Küss' auch gibt er und glaubt sie erwidert und spricht und umarmt sie,

Wähnt gar, daß sich die Haut den berührenden Fingern bequeme,

Und ist besorgt, daß Bläue vom Druck anhafte den Gliedern.

Bald liebkost er sie auch, bald bringt er ihr artige Gaben,

Wie sie den Mädchen genehm, Meermuscheln, gerundete Steinchen,

Vöglein niedlich von Wuchs, buntfarbige Blumen in Menge,

Lilien, Bälle dazu mit Streifen und Thränen vom Baume,

Die Heliaden geweint. Mit Gewand auch schmückt er die Glieder,

Fügt langreichende Schnur um den Hals, an die Finger Gesteine;

Perlen enthangen dem Ohr, und es schwankt ein Gehenk vor dem Busen.

Schön läßt alles an ihr; doch nackt ist sie ebenso reizend.

Sorgsam legt er sie hin auf den Pfühl von sido'nischer Farbe,

Nennt sie Genossin des Betts und gibt dem gelehneten Nacken,

Gleich als hätt' er Gefühl, nachgiebige Flaumen zur Ruhstatt.

Venus' heiliger Tag, hochfeierlich allen auf Cyprus,[155]

Kehrete jetzt, und, mit Gold die gewundenen Hörner umzogen,

Sanken, getroffen vom Beil im schneeigen Nacken, die Kühe.

Weihrauch dampfte empor. Pygmalion, als er geopfert,

Stand am Altar und sagte verzagt: ›Wenn alles, ihr Götter,

Möglich für euch, gebt mir zum Gemahl‹ – ›die helferne Jungfrau‹

Trug zu sagen er Scheu – ›ein Weib wie die helferne Jungfrau‹.

Selber der Feier genaht, ward inne die goldene Venus,

Was er gemeint mit dem Wunsch; und, ein Zeichen gewährender Gottheit,

Flackerte dreimal hell und zog sich zur Spitze die Flamme.

Wie er daheim, ging jener sogleich zum Bilde des Mägdleins,

Neigte sich über das Bett und küßte sie. Wärme verspürt er.

Wiederum nahte sein Mund; mit der Hand auch prüft er den Busen.

Siehe, das Elfenbein wird weich und, befreit von der Starrheit,

Sinkt an den Fingern es ein, fügsam wie Wachs vom Hyme'ttus,

Das, von der Sonne erweicht, sich unter dem knetenden Daumen

Schmiegt in manche Gestalt und brauchbar durch den Gebrauch wird.

Während er staunt und zagend sich freut und Täuschung befürchtet,

Naht er mit liebender Hand der Ersehneten wieder und wieder:

Ja, es ist Leib. Aufbeben, geprüft mit dem Daumen, die Adern.

Da nun richtet beglückt an Venus der pa'phische Heros

Worte des Danks im vollsten Erguß. Nun endlich vereint er

Wirklichem Munde den Mund, und die Jungfrau fühlt mit Erröten,

Wie er sie küßt, und, scheu aufschlagend zum Lichte die lichten

Augen, erblickt sie zugleich mit dem Himmel des Liebenden Antlitz.

Selber erscheint bei dem Bund, dazu sie verholfen, die Göttin.[156]

Als neun Male sodann sich die Hörner geschlossen zum Vollmond,

Wand sich Ci'nyras ihr vom Schoß, der, wenn er die Tochter

Niemals hätte gezeugt, zu den Glücklichen mochte gehören.

Scheußliches singt mein Mund. Ihr Töchter, von hinnen, ihr Väter!

Oder dafern mein Lied doch zusagt eueren Herzen,

Bleibe mir hier das Vertrauen versagt, glaubt nicht das Verüben,

Oder dafern ihr es glaubt, glaubt auch des Verübens Bestrafung!

Läßt vorkommen jedoch die Natur solch großes Verbrechen,

Nenn' ich beglückt das isma'rische Volk und unseren Erdteil,

Nenn' ich beglückt dies Land, daß fern es gelegen der Landschaft,

Welche gebar so schrecklichen Greu'l. Reich sei an Amo'mum,

Ko'stusgesträuch und Zimt und dem Holz entquillenden Weihrauch

Trage Panchä'a's Flur und sonst wertvolle Gewächse;[157]

Trägt doch Myrrhen sie auch. Der Baum kam teuer zu stehen.

Daß sein Pfeil dich traf, o My'rrha, verneinet Cupi'do

Selber und nimmt in Schutz vor solchem Vergehen die Fackel.

Dich ließ stygischen Brand anhauchen und strotzende Ottern

Eine der plagenden Drei. Den Erzeuger zu hassen ist ruchlos,

Ruchloser noch ihn zu lieben wie du. Von erlesenen Edlen

Ringsher wirst du begehrt, und die Jugend ist nah aus dem ganzen

Morgenland, zu gewinnen die Braut. Aus allen erwähle

Einen dir, Myrrha, zum Mann; nur fehle zu allen der eine.

Zwar sie fühlt es und kämpft entgegen der scheußlichen Liebe.

›Wohin denk' ich,‹ begann sie für sich, ›was steht mir im Sinne?

Götter und kindliche Scheu und geheiligte Rechte der Eltern

Wehrt, so fleh' ich, dem Greu'l! Seid hinderlich meinem Verbrechen,

Wenn ein Verbrechen es ist! Nicht sollen ja Bande des Blutes

Feind sein solchem Verein. Lust einigt die andern Geschöpfe

Ohne Bedenken und Wahl. Auf dem Rücken zu tragen den Vater

Gilt nicht schimpflich der Kuh; dem Hengst wird Gattin die Tochter;

Schafen gesellt sich der Bock, die selbst er gezeugt, und der Vogel

Läßt sich befruchten von ihm, des Samen die Mutter empfangen.

Glücklich fürwahr, wem solches erlaubt! Nur menschliche Sorge

Gab boshaftes Gesetz, und neidische Rechte versagen,

Was zuläßt die Natur. Doch sind ja, sagen sie, Völker,

Wo sich die Mutter dem Sohn mit dem Leib und die Tochter dem Vater

Einigt und enger das Band noch knüpft die verdoppelte Liebe.

Weh' mir, daß nicht dort mir wurde das Leben gegeben,

Daß mich verfolget des Orts Ungunst! Was komm' ich von neuem

Darauf? Sträflicher Wunsch, bleib' fern! Zwar Liebe verdient er,[158]

Doch als Vater allein. Ach, wär' ich die Tochter des reichen

Ci'nyras nicht, dann könnt' ich das Bett mit Cinyras teilen.

Nun, da er mein so ganz, wird nimmer er mein, und zum Unheil

Steh' ich ihm gar so nah. Ja, glücklicher wär' ich als Fremde.

Fern geh'n möcht' ich von hier und verlassen die Grenzen der Heimat,

Nur zu entgehen der Schuld. Mich hält die verderbliche Liebe,

Daß ich bei Cinyras sei, ihn schaue, berühre und spreche,

Daß ihn küsse mein Mund, wenn sonst nichts weiter vergönnt ist.

Kannst du weiteres noch, unseliges Mädchen, erwarten?

Siehest du nicht, wieviel du Rechte verwirrest und Namen?

Willst Mitbuhle du sein für die Mutter und Dirne des Vaters,

Willst du Schwester des Sohns und Mutter des Bruders benannt sein?

Fürchtest du nicht die Schwestern, behaart mit schwärzlichen Schlangen,

Welche, mit grausigem Brand das Gesicht und die Augen bestürmend,

Böses Gewissen erblickt? Weil rein denn noch von der Sünde

Blieb dein Leib, so trage sie nicht im Sinn und verletze

Nicht das Gesetz der großen Natur mit verbotenen Lüsten.

Wolltest du auch, doch kann's nicht sein. Fromm ist und der Sitte

Jener gedenk; o glühte in ihm doch gleiche Begierde!‹

So sprach Myrrha für sich. Doch Cinyras, welchen der Freier

Würdige Schar unschlüssig gemacht, fragt selber die Tochter,

Während die Namen er nennt, wes Gattin sie wünsche zu werden?

Stumm bleibt jene zuerst und hängt am Gesichte des Vaters

Heftig bewegt und näßt mit tauenden Zähren die Augen.

Cinyras schreibt dies zu jungfräulichem Zagen und heißt sie

Stillen die Thränen und wischt sie ihr von den Wangen und küßt sie.

Allzu froh ist Myrrha darob, und auf sein Befragen,

Was für ein Mann ihr erwünscht, antwortet sie: ›Einer, wie du bist.‹

Jener belobte das nicht verstandene Wort und versetzte:

›Bleibe so kindlich gesinnt!‹ Bei des kindlichen Sinnes Erwähnung

Senkte das Auge, der Schuld sich bewußt, zur Erde die Jungfrau.[159]

Mitten war's in der Nacht, und gebannt hielt Sorgen und Glieder

Lösender Schlaf. Doch wach ist Cinyras' Tochter zur Beute

Nicht zu bezähmender Glut und hegt wildgärende Wünsche.

Bald verzweifelt sie ganz, bald will sie es wagen; Verlangen

Streitet mit Scham, und sie weiß nicht Rat. Wie, wund von dem Beile,

Harrend des fällenden Streichs, läßt zweifeln der ragende Baumstamm,

Wohin gehe der Sturz, und auf jeglicher Seite gescheut wird:

So schwankt hin und her ihr Gemüt, von verschiedenen Wunden

Wankend gemacht, und neigt gleichmäßig nach zwiefacher Richtung.

Nichts kann außer dem Tod Ziel geben und Ruhe der Liebe.

Tod ist die Wahl. Entschlossen, den Hals mit dem Strange zu schnüren,

Rafft sie sich auf und knüpft an die Höhe der Pfoste den Gürtel.

›Cinyras, lebe denn wohl und ahne, warum ich gestorben!‹

Das noch sagt sie und fügt den erbleichenden Hals in die Schlinge.

Aber es hatte der Laut des Gesprochenen, sagt man, die treuen

Ohren der Amme erreicht, die des Pfleglings Schwelle bewachte.

Rasch aufspringt sie und öffnet die Thür, und wie sie des Selbstmords

Werkzeug sieht, da schreit sie und schlägt sich und trennt mit den Händen

Vorn an der Brust das Gewand und zerreißt, frei machend die Kehle,

Alles in einem den Strang. Dann erst war Muße zu weinen,

Ihr zu umfangen den Leib und der Schling' Anlaß zu erfragen.

Schweigend und regungslos blickt nieder zur Erde die Jungfrau,

Traurig, vereitelt zu seh'n den Versuch des verzögerten Todes.

Aber die Alte beharrt; das erblichene Haar und den leeren

Busen entblößt sie und fleht bei der Wieg' und der frühesten Nahrung,

Was sie betrübt, ihr doch zu vertrau'n. Von der Bittenden kehrt sich

Myrrha und seufzt. Ihr Herz ist die Amme gewillt zu erforschen,

Auch nicht Treu' allein zu geloben. ›Entdeck' es mir,‹ sprach sie,

›Und nimm Hilfe von mir! Nicht ist untüchtig mein Alter.

Krankt dein Gemüt, ich weiß, wo Sprüche dich heilen und Kräuter;[160]

That dir einer es an, dich läutern entzaubernde Bräuche;

Ist es der Himmlischen Zorn, der lässet durch Opfer sich sühnen.

Was sonst kann's noch sein? Dir sind ja Haus und Vermögen

Sicher in blühendem Stand und Mutter und Vater am Leben.‹

Als sie ›Vater‹ gehört, drängt Seufzer aus innerstem Busen

My'rrha hervor. Auch jetzt noch denkt im Gemüte die Amme

Nicht an Schuld, doch ahnt sie bereits, daß Liebe der Grund sei,

Und sie beschwört sie, getreu dem Entschluß, was immer es wäre,

Nichts zu verschweigen, und hebt die Weinende auf zum bejahrten

Schoße, und so ihr den Leib mit den zitternden Armen umschlingend,

Sprach sie: ›Ich sehe, du liebst, und förderlich – laß von der Furcht nur –

Soll mein Eifer dir sein, und nie soll's wissen der Vater!‹

Da springt jene vom Schoß wie rasend und ruft, mit dem Antlitz

Drückend das Bett: ›O geh', mir niedrige Scham zu ersparen!‹

Dann, da immer sie bat: ›Geh' oder befrage mich nimmer,

Was mich quält: denn Greu'l ist, was du zu wissen dich mühest.‹

Schaudernd vernimmt es die Alte und streckt die von Jahren und Schrecken

Bebenden Hände und wirft sich dem Pflegkind flehend zu Füßen,

Und bald schmeichelt sie ihr, bald schreckt sie und droht zu verraten

Strick und begonnenen Mord, wenn nicht die Vertraute sie würde,

Während gefälligen Dienst sie gelobt der gestandenen Liebe.

Myrrha erhebt ihr Haupt und beströmt mit entquellenden Thränen

Ihrer Ernährerin Brust. Oft war sie bereit zu gestehen,

Oft stockt wieder das Wort, und sie deckt das errötende Antlitz

Mit dem Gewand und spricht: ›O Mutter, beglückt durch den Gatten!‹

Das nur sagt sie und seufzt. Kalt rieselt ein Schauer der Amme,

Die nun alles erkennt, durch Mark und Gebein, und am Scheitel

Sträubt das erblichene Grau sich empor mit starrenden Haaren.

Viel noch bietet sie auf, daß Myrrha womöglich ersticke[161]

Solch unselige Glut. Sie weiß, wie gerecht die Ermahnung,

Doch sie besteht auf dem Tod, wo sie nicht den Geliebten erlange.

›Lebe denn! Dein soll sein –‹ sprach jene; ›der Vater‹ zu sagen

Wagte sie nicht und schwieg. Das Versprechen bekräftigt ein Eidschwur.

Ceres' jährliches Fest ward fromm von den Müttern begangen,

Jenes, wobei sie, den Leib einhüllend in weiße Gewänder,

Erstlinge nährender Frucht darbringen in Ährengewinden

Und neun Nächte hindurch zum Verbotenen zählen des Mannes

Nah'n und der Liebe Genuß. Kenchre'is, des Königs Gemahlin,

War auch unter der Schar und teilte die heimliche Feier.

Während das Bett nunmehr der gesetzlichen Gattin entbehrte,

Thut dem Ci'nyras kund die zum Unheil thätige Amme,

Da sie berauscht ihn fand, mit gelogenem Namen die wahre

Liebe und rühmt das Gesicht, und, gefragt nach den Jahren des Mädchens,

Sagt sie: ›Der Myrrha gleich.‹ Wie er jene zu bringen befohlen

Und sie daheim nun war: ›Mein Pflegkind, freue dich!‹ sprach sie.

›Jetzt ist gesiegt.‹ Doch nicht ist die unglückselige Jungfrau

Froh von ganzem Gemüt; sie trauert im ahnenden Herzen,

Aber sie freut sich doch auch. So ist des Gemütes Entzweiung.

Schweigende Nachtzeit war's, und Boo'tes hatte den Wagen

Zwischen den Stieren gewandt an der schräg sich senkenden Deichsel.[162]

Da, zu dem Argen bereit, kommt Myrrha. Die goldene Lu'na

Flieht vom Himmel; Versteck gibt schwarzes Gewölk den Gestirnen;

Ohn' ihr Licht ist die Nacht. Du, I'karus, hüllst dich zuerst ein,

Wie Eri'gone auch, ob kindlicher Liebe vergöttert.

Dreimal ward sie gewarnt durch Straucheln des Fußes, und dreimal

Gab durch Totengeschrei Vorzeichen der schaurige Uhu.

Aber sie geht, und es mindern die Scham ihr Dunkel und Nachtzeit.

Während die Amme sie hält an der Linken, erkundet die Rechte

Tastend den finsteren Weg. Nun steht sie bereits auf der Schwelle;

Auf nun macht sie die Thür, läßt nun in die Kammer sich ziehen.

Doch den wankenden Knie'n ist die Beuge gelähmt, und die Farbe

Weicht mit dem Blut, und der Mut, noch weiter zu gehen, verläßt sie,

Und mit der Nähe der Schuld wird größer ihr Schauder; das Wagnis

Reut sie, und unerkannt gern ginge sie wieder von hinnen.

Aber die Greisin zieht die Verweilende mit an das hohe

Lager und spricht, sie dort hingebend dem Cinyras: ›Nimm sie!

Dein ist, die du verlangt!‹ und schließt die verruchte Verbindung.

Ins unzüchtige Bett nimmt auf sein Fleisch der Erzeuger,

Hebt jungfräuliche Furcht und redet der Zagenden Mut ein.[163]

Tochter vielleicht auch sagt er zu ihr nur wegen des Alters,

Wie sie Vater zu ihm, daß Namen bezeichnen die Blutschuld.

Schwanger vom Vater verläßt sie die Kammer, und gräßlichen Samen

Birgt sie im schandbaren Schoß und trägt die empfangene Sünde.

Wieder vereint sie die folgende Nacht. Nicht war es die letzte,

Bis daß Cinyras einst, die Geliebte zu sehen begierig

Nach so vielem Umfah'n, als Licht er zu bringen befohlen,

Schuld er und Tochter gewahrt. Weil Worte versagte der Ingrimm,

Reißt er heraus sein blinkendes Schwert aus der hangenden Scheide.

Myrrha entflieht, und geschützt von der starrenden Nacht und dem Dunkel,

Wird sie entzogen dem Tod und läßt, durch weite Gefilde

Schweifend, Panchä'a's Flur und Arabiens Palmen dahinten.

Neunmal sah sie erneut auf der Irre die Hörner des Mondes,

Bis sie ermattet zuletzt, kaum tragend die Bürde des Schoßes,

In dem sabäischen Land ausruhete. Da, in dem Wunsche

Ratlos, bange zugleich vor dem Tod und müde des Lebens,

Sagte sie solches Gebet: ›O, wenn ihr geständigen Sündern,

Götter, ein Ohr noch leiht: Schuld trag' ich, und traurig zu büßen

Bin ich bereit. Daß aber ich nicht den Lebendigen lebend

Ärgernis sei, noch tot den Gestorbenen, stoßt von den beiden

Reichen mich aus und versagt mir Leben und Sterben durch Wandlung.‹

Irgendein Gott leiht gnädig sein Ohr. Das Letzte des Wunsches

Wenigstens ward von den Göttern erhört. Denn über die Schenkel,

Während sie sprach, kam Erde, und schräg durch die berstenden Nägel

Dehneten Wurzeln sich aus, die Stützen des steigenden Stammes.[164]

Knochen gedeihen als Holz, und während inmitten das Mark bleibt,

Wandelt das Blut sich in Saft, in gebreitete Äste die Arme,

Finger in dünnes Gezweig, und die Haut wird härter zur Rinde.

Als den belasteten Schoß nun zwängte der wachsende Baumstamm

Und ihr bedeckte die Brust und den Hals schon wollte verhüllen,

Wartete länger sie nicht, und entgegen dem kommenden Holze

Saß sie geduckt und senkt' ihr Antlitz unter die Rinde.

Hat mit dem Leibe sie auch die früheren Sinne verloren,

Weinet sie doch, und es rinnen vom Baum warm quillende Tropfen.

Hoch sind die Thränen geschätzt, und die Myrrhe, getropft von der Rinde,

Führet den Namen nach ihr. So nennen sie ewige Zeiten.

Unter dem Stamm ward nun der in Sünden empfangene Knabe

Zeitig und suchte den Weg, auf dem er, die Mutter verlassend,

Komme zum Licht. Der befruchtete Schoß schwillt mitten im Baume.

Schwer ist die Mutter bedrängt; die Worte gebrechen den Schmerzen,

Und der Gebärenden Ruf kann nicht herrufen Luci'na.

Dennoch thut es der Baum den Kreißenden gleich, und sich krümmend,

Stößt oft Seufzer er aus und ist feucht von fallenden Thränen.

Mitleidsvoll trat nah' an die leidenden Äste Luci'na,

Legte die Hände daran und sprach zwanglösende Worte.

Risse gewinnet der Baum und gibt aus gespaltener Rinde

Lebend die Last, und es wimmert ein Knab'. Ihn salbten Najaden,

Als sie auf schwellendes Gras ihn gelegt, mit Thränen der Mutter.

Schönheit mußt' ihm erkennen der Neid. Denn ganz wie die nackten

Liebesgötter gemalt sich dem Blick darstellen auf Bildern,[165]

War er von Wuchs. Daß aber die Tracht nicht störe die Gleichheit,

Gib ihm oder entnimm den Göttern den zierlichen Köcher!

Schier unmerklich enteilt die geflügelte Zeit und betrügt uns:

Schneller ist nichts denn der Jahre Vergeh'n. So ist von der Schwester

Und von dem Ahne der Sohn, der unlängst ruhte im Baume,

Unlängst kam in die Welt, erst eben ein reizendes Kind war,

Jüngling schon, schon Mann, schon reizender noch denn er selber;

Schon ist Venus ihm hold, und er rächet die Flamme der Mutter.

Arglos hatte die Brust, wie er küssend die Mutter umarmte,

Mit vorstehendem Pfeil ihr geritzt der beköcherte Knabe.

Von sich stieß die Verletzte den Sohn. Doch tiefer gedrungen

War die Wund', als es schien, und zuerst ihr selber entgangen.

Nicht mehr denkt sie, entzückt von des Mannes Gestalt, an Cythe'ra's

Küsten, besucht auch nicht die vom Meer umgürtete Pa'phos,

Noch Amathu'nt an Metall und Gni'dos an Fischen ergiebig,

Meidet den Himmel sogar. Vorzieht sie dem Himmel Adonis.

An ihm hängt, ihm folgt sie allein, und behaglich im Schatten

Immer zu ruhen gewohnt und durch Pflege zu heben die Schönheit,

Zieht sie mit ihm durch Wald und Gebirg und dornige Klippen,

Bis zum Kniee geschürzt ihr Gewand nach der Weise Dia'na's,

Mahnet die Hunde zur Hast, treibt sicher zu jagende Beute,

Hirsche mit hohem Geweih, jach fliehende Hasen und Rehe

Vor sich hin, doch hält sie sich fern von streitbaren Ebern;

Raubender Wölfe Gezücht und mit Tatzen gewaffnete Bären

Meidet sie auch und Rinder zum Fraß hinmordende Löwen.

Dich, Adonis, ermahnt sie zugleich – wenn nur die Ermahnung

Fruchtete – diese zu scheu'n. ›Sei gegen die flüchtigen streitbar!‹

Sagte sie. ›Ohne Gefahr ist nicht bei Kühnen die Kühnheit.

Sei nicht allzu dreist, mich selber gefährdend, o Jüngling!

Reize das Wild nicht, das die Natur mit Waffen gerüstet,

Daß nicht teuer dein Ruhm mir kommt! Denn Alter und Schönheit,

Alles, wodurch du Venus gerührt, rührt nimmer den Löwen

Oder das borstige Schwein und die Augen und Herzen des Wildes.[166]

Schmetternden Blitzstrahl führt in den hakigen Hauern der Eber;

Grimm und erdrückende Wucht ist eigen den bräunlichen Löwen,

Die ich hasse zumeist.‹ Nach dem Grund fragt jener. ›Vernimm denn‹,

Sprach sie, ›und staun' ob alten Vergeh'ns seltsamer Bestrafung!

Doch schon bin ich erschöpft von der wenig gewohnten Beschwerde;

Sieh', uns bietet allhier willkommenen Schatten die Pappel,

Auch ist Rasen zum Sitz. Hier laß uns ruhen beisammen!‹

Sprach's und ruhte mit ihm und drückte das Gras und Adonis,

Und rücklings mit dem Nacken gelehnt an den Busen des Jünglings,

Redet sie also und stört durch öfteren Kuß die Erzählung:

›Wohl schon hast du gehört, daß einst ein Mädchen im Wettlauf

Hurtige Männer besiegt. Kein Märchen enthielt das Gerede;

Denn es ist wahr, daß jene gesiegt. Nicht konnte man sagen,

Ob sie im Laufe sich mehr auszeichnete oder in Schönheit.

Diese befragte den Gott einst wegen des Gatten. »Ein Gatte«,

Sprach er, »ist nicht, Atala'nta, dir not. Fleuch eh'liches Lager!

Doch du entfleuchst ihm nicht und entbehrst dein selber lebendig.«

Von dem Bescheide geschreckt lebt jene im Dunkel der Wälder,

Jungfrau bleibend, und scheucht die bedrängende Menge der Freier

Mit dem gestrengen Beding: »Nicht werd' ich«, sprach sie, »gewonnen,

Außer im Laufe besiegt. Laßt uns mit den Füßen uns messen!

Gattin und Ehegemach soll nehmen zum Preise der schnelle,

Säumige Tod zum Lohn. So sei es gehalten im Wettstreit.«

Hart war freilich der Spruch; doch so ist mächtig die Schönheit:

Selbst auf solchen Beding nah'n Scharen verwegener Freier.

Auch Hippo'menes saß, zuschauend dem leidigen Wettlauf.

»Wie mag einer ein Weib mit solchen Gefahren erstreben?«

Sprach er und tadelte laut der Jünglinge blinde Bethörung.

Wie er das Antlitz sah und befreit von der Hülle den Körper,

Der wie der meinige war, wie der deinige, wärst du ein Mädchen,

Stand er verwundert und sprach, aufhebend die Hände: »Verzeiht mir,

Die ich so eben gestraft. Noch war mir nicht die Belohnung,[167]

Die euch lockte, bekannt.« Lobpreisend erglühet er selber.

Daß nicht eher das Ziel von den Jünglingen einer erreiche,

Wünscht und besorgt er zugleich aus Neid. »Weswegen«, begann er,

»Soll ich aber das Glück nicht auch in der Wette versuchen?

Wagenden hilft ein Gott.« Wie noch Hippo'menes sinnend

Solches erwägt, fliegt hin mit beflügeltem Schritte die Jungfrau.

Ob die auch wie ein skythischer Pfeil dem ao'nischen Jüngling

Schien zu durcheilen die Bahn, zur Bewunderung reißt ihn die Anmut

Mehr noch hin; denn gerade der Lauf gibt jener die Anmut.

Rückwärts wehen hinweg von den flüchtigen Fersen die Schleifen;

Flatternd schweben im Zug auf dem helfernen Rücken die Haare,

Flatternd unter dem Knie mit gesticktem Besatze die Bänder.

Am jungfräulichen Leib war über die liebliche Weiße

Röte gehaucht, gleichwie wenn ein purpurfarbiger Vorhang

Über das weiße Gemach hinwirft rotscheinenden Schatten.

Während der Gast dies schaut, ist erreicht die Grenze des Laufes,

Und mit dem festlichen Kranz als Siegerin prangt Atala'nta.

Klagend verbüßen gemäß dem Vertrag die Besiegten die Strafe.

Aber den Jüngling schreckt nicht ab ihr warnender Ausgang;

Vor nun tritt er und spricht, an die Jungfrau heftend das Auge:

»Was nur suchst du im Streit mit Schwächlingen fahrlosen Siegsruhm?

Lasse mit mir dich ein! Wenn mir zum Gewinnen Fortu'na

Hold ist, hast du fürwahr dich nicht des Besiegers zu schämen.

Me'gareus hat mich gezeugt, der Onche'stier, der den Neptu'nus

Hatte zum Ahn. Ich bin Urenkel vom König der Wasser.[168]

Mannskraft auch läßt nicht von der Art. Doch sollt' ich erliegen,

Bringt Hippo'menes' Fall dir großen und rühmlichen Namen.«

Sanft sah, während er sprach, ihn an die Tochter des Schö'neus,

Schwankend im Wunsch, ob lieber ihr sei Sieg oder Erliegen.

»Welcher der Götter«, begann sie für sich, »mißgünstig den Schönen,

Will ihn verderben und heißt ihn, das teuere Leben gefährdend,

Also frei'n um die Braut? So hoch nicht acht' ich mich selber.

Nicht rührt mich die Gestalt, – doch die auch könnte mich rühren –

Nur, daß Knab' er noch ist; nicht er, sein Alter bewegt mich.

Ist er beherzt nicht auch und von todverachtender Kühnheit?

Zählt als vierter er nicht zu den Sippen des Meeresbeherrschers?

Liebt er mich nicht und hält soviel auf uns're Vermählung,

Daß er sich gibt in den Tod, wenn mich ihm weigert das Schicksal?

Fremdling, geh' – noch darfst du – und laß von dem blutigen Lager:

Grausenvoll ist der Bund mit mir. Dir möchte sich jede

Gern antrau'n; dich kann ein verständiges Mädchen sich wünschen.

Doch was sorg' ich um dich, da schon so mancher dahinsank?

Sei es denn! Fahr' er dahin, da Tod so vieler Bewerber

Ihn nicht warnt und zur Last ihm selber geworden das Leben!

Also er stürbe, dieweil er mit mir nur wünschte zu leben?

Schuldlos sollt' er den Tod zum Lohne der Liebe erleiden?

Unserem Siege gewiß folgt nicht zu ertragender Vorwurf.

Doch nicht mein ist die Schuld. O ständest du ab von dem Wagnis

Oder, dieweil du verblendet beharrst, o wärst du behender!

Aber, wie sind in dem Knabengesicht jungfräulich die Züge!

Armer Hippo'menes du, ach, hättest du nie mich gesehen,

Du zu leben so wert! Ja, wenn ich glücklicher wäre,

Wenn nicht herbes Geschick mir versagte das eh'liche Bündnis,

Keinen erwählt' ich mir dann als dich zum Genossen des Lagers.«[169]

Sprach's, und ein Neuling noch und vom ersten Verlangen ergriffen,

Wußte sie nicht, was sie that. Sie liebt, doch ohn' es zu ahnen.

Auf den gewöhnlichen Lauf dringt jetzt mit dem Volke der Vater,

Als der Neptunische Sproß Hippo'menes flehenden Tones

Mich anruft und spricht: »Zu dem Wagnis stehe Cythe'ra's

Göttin mir bei und helfe der Glut, die selbst sie entzündet.«

Mir trug zu dienstwillige Luft die freundliche Bitte,

Und ich erhört' ihn gerührt und verzog nicht lang mit dem Beistand.

Von den Bewohnern genannt das tama'sische, ist ein Gefilde,

Dem auf Cy'prus an Wert keins gleicht. Mir haben es vormals

Würdige Greise geweiht, die jenes zu unserem Tempel

Als Mitgabe gethan. Ein Baum glänzt mitten im Felde,

Golden von Laub und von leuchtendem Gold aufrauschend die Äste.

Dorther kam ich gerad' und trug drei goldene Äpfel,

Die ich gepflückt, in der Hand, und sichtbar keinem als ihm nur,

Trat ich Hippomenes nah' und lehrt' ihn der Äpfel Verwendung.

Kaum gab Zeichen das Horn, als beide den Schranken enteilen

Übergeneigt und den Sand kaum streifen mit hurtigem Fuße.

Über das Meer, so schien's, wohl könnten sie trockenen Schrittes

Gleiten und über die Saat weglaufen auf stehenden Ähren.

Steigernd des Jünglings Mut, scholl günstiges Schreien und Lärmen

Und der ermahnende Ruf: »Jetzt, jetzt ist Zeit, dich zu sputen;

Rasch, Hippo'menes, rasch! Nimm alle die Kräfte zusammen!

Laß nicht nach, und du siegst!« Ob mehr sich Me'gareus' Sprößling

Freute darob, ob mehr des Schöneus Tochter, ist zweiflig.

O, wie säumt sie so oft, wenn leicht sie könnte voraus sein,

Und geht ungern fort von dem lange betrachteten Antlitz!

Aus dem ermatteten Mund kam trockenes Keuchen, und ferne

War noch immer das Ziel. Da endlich versendet im Wurfe

Eine der Früchte vom Baum der edle Neptunische Sprößling.

Siehe, die Jungfrau stutzt, und gelockt von dem glänzenden Apfel

Lenkt sie den Lauf seitwärts und hebt das rollende Gold auf.

Schnell ist Hippomenes vor. Rings hallt von Klatschen der Schauplatz.[170]

Doch im beschleunigten Lauf bringt ein Atala'nta die Säumnis

Und den Verzug und läßt bald wieder im Rücken den Jüngling.

Nochmals dann durch den Wurf des anderen Apfels verzögert,

Holt sie ihn ein und eilt ihm voraus. Noch harrte die letzte

Strecke der Bahn. »Nun hilf, du göttliche Geberin!« rief er,

»Und in das Feld schräghin, daß länger verziehe die Jungfrau,

Warf er das leuchtende Gold mit Jünglingskraft auf die Seite.

Ob sie es hole, besann sie sich erst, wie es schien. Es zu holen

Zwang ich, und das Gewicht dem gehobenen Apfel vermehrend,

Hielt ich sie auf durch Schwere der Last nicht minder wie Säumnis.

Kurz, daß langsamer nicht, als der Lauf, sei meine Erzählung:

Sie kam später ans Ziel. Heim führte der Sieger den Kampfpreis.

Daß er mir dankte dafür und des Weihrauchs Ehre mir zollte,

Hatt' ich es nicht, Ado'nis, verdient? Er vergaß mir zu danken,

Zollt' auch Weihrauch nicht. Rasch bin ich gewendet zum Zorne.

Bitter empfindend die Schmach, verbiet' ich durch warnendes Beispiel,

Mich zu versäumen hinfort, und entrüste mich gegen die beiden.

Cy'bele's Tempel vorbei, den einst der berühmte Echi'on

Treu dem Gelübde gebaut in der Stille des schattigen Haines,

Gingen sie. Auszuruh'n riet ihnen die Länge des Weges.

Dort wird plötzlich entfacht durch Einfluß unserer Gottheit

In des Hippomenes Brust unzeitige Lust nach Umarmung.

Spärlich erhellt vom Licht war neben dem Tempel ein Winkel,

Fast zur Grotte gewölbt, von natürlichen Bimsen umschlossen,

Heilig erklärt durch erbliche Scheu. Dort hatte in Menge

Hölzerne Bilder gehäuft von gealterten Göttern der Priester.

Diese geheiligte Statt entweiht er mit sträflicher Unzucht.[171]

Zornvoll sah'n die Gefilde hinweg, und die Mutter im Turmkranz

Wollte die Schuldigen schon in die stygische Welle versenken.

Doch das schien zu gelind. Drum hüllt sich in gelbliche Mähne,

Glatt noch eben, ihr Hals; krumm werden die Finger zu Tatzen,

Während ein Bug aus den Schultern entsteht; in die mächtige Brust geht

Alles Gewicht, und ein Schweif fegt über die Fläche des Sandes.

Ingrimm blickt das Gesicht; ein Brüllen ersetzet die Rede;

Ehegemach ist ihnen der Wald, und anderen furchtbar

Drücken sie Cy'bele's Zaum mit gebändigten Zähnen als Löwen.

Diese, du Trautester, fleuch und die sämtlichen Tiere der Wildnis,

Die zum Kampfe die Brust, nicht aber zum Fliehen den Rücken

Bieten, auf daß dein Mut nicht sei uns beiden verderblich!‹

Also warnte sie ihn und fuhr, von den Schwänen gezogen,

Rasch durch die Lüfte davon. Doch Mut strebt gegen die Warnung.

Siehe, der sicheren Spur nachgehend verscheuchten die Hunde

Aus dem Versteck ein Schwein, und als es den Wald zu verlassen

Trachtete, traf es mit schrägem Geschoß des Ci'nyras Sprößling.

Aber der Eber verdrängt mit gebogenem Rüssel den Jagdspieß,

Welchen gefärbt sein Blut, und dem Jüngling, wie er mit Zittern

Schutz sucht, rennet er nach voll Grimm und stößt ihm die Hauer

Tief in die Weichen und streckt in den Sand ihn tödlich getroffen.[172]

Noch nicht hatte, die Luft durchfahrend auf schwebendem Wagen,

Cy'prus erreicht mit dem Fluge der Schwäne die Göttin Cythe'ra's,

Als sie von weitem erkennt des Verscheidenden Ächzen und dorthin

Lenkt ihr weißes Gespann, und wie von der Höhe des Äthers

Nun sie den Sterbenden sah sich wälzen im eigenen Blute,

Sprang sie herab und zerriß das Gewand und zerraufte das Haupthaar,

Schlug im Jammer die Brust, nicht schonend der zärtlichen Hände,

Haderte mit dem Geschick und sprach dann: ›Aber es fällt dir

Doch nicht alles anheim. Stets soll, o Adonis, ein Denkmal

Unserer Trauer besteh'n: dein Tod soll jährlich erneuet

Wieder erscheinen im Bild mit dem Gleichnis unserer Klage.

Blume jedoch soll werden das Blut. War etwa gestattet

Weiblichen Leib vormals in duftende Minze zu wandeln

Dir, Perse'phone, nur? Uns sollte verargen die Mißgunst,

Wenn wir Cinyras' Sproß auch wandelten?‹ Als sie geredet,

Sprengte sie unter das Blut wohlriechenden Nektar, und schwellend

Stieg es, von diesem berührt, nach Art durchsichtiger Blasen,[173]

Die beim Regen entsteh'n. Nicht länger denn stündliche Weile

Hatt' es gewährt, da wuchs aus dem Blut gleichfarbige Blume,

So wie die punische Frucht sie trägt, die unter der zähen

Schale die Kerne verschließt. Doch kurz nur ist ihr Bestehen;

Denn weil lose sie hängt, zu schwach durch Mangel an Schwere,

Wird sie vom Winde verweht, davon sie erhalten den Namen.«[174]

Quelle:
[Ovidius Naso, Publius]: Ovids Metamorphosen. 3 Bde., Berlin 5[um 1911–1916], Band 3.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Metamorphosen
Metamorphosen: Auswahlausgabe. Lateinisch - Deutsch
Metamorphosen: Epos in 15 Büchern
Metamorphosen: Lat./Dt.
Metamorphosen: Lateinisch/Deutsch
Metamorphosen

Buchempfehlung

Prévost d'Exiles, Antoine-François

Manon Lescaut

Manon Lescaut

Der junge Chevalier des Grieux schlägt die vom Vater eingefädelte Karriere als Malteserritter aus und flüchtet mit Manon Lescaut, deren Eltern sie in ein Kloster verbannt hatten, kurzerhand nach Paris. Das junge Paar lebt von Luft und Liebe bis Manon Gefallen an einem anderen findet. Grieux kehrt reumütig in die Obhut seiner Eltern zurück und nimmt das Studium der Theologie auf. Bis er Manon wiedertrifft, ihr verzeiht, und erneut mit ihr durchbrennt. Geldsorgen und Manons Lebenswandel lassen Grieux zum Falschspieler werden, er wird verhaftet, Manon wieder untreu. Schließlich landen beide in Amerika und bauen sich ein neues Leben auf. Bis Manon... »Liebe! Liebe! wirst du es denn nie lernen, mit der Vernunft zusammenzugehen?« schüttelt der Polizist den Kopf, als er Grieux festnimmt und beschreibt damit das zentrale Motiv des berühmten Romans von Antoine François Prévost d'Exiles.

142 Seiten, 8.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon