Zwölftes Buch.

[31] Inhalt: Die Schlange in Au'lis. Iphigeni'a. Fa'ma. Cy'gnus. Kä'neus. (Kampf der Lapi'then und Centau'ren). Perikly'menus. Tod des Achilles.


Pri'amus, unkund noch, daß Fittiche tragend er lebte,

Trug um Äsakus Leid; auch brachte zugleich mit den Brüdern

Opfer am ledigen Grab, das der Name bezeichnete, Hektor.

Pa'ris jedoch war nicht bei der traurigen Ehre zugegen,

Er, der brachte nachher langwierigen Krieg in die Heimat

Mit dem entführeten Weib. Ihm folgen verschworene Schiffe,

Tausend an Zahl, und der ganze Verein des pela'sgischen Stammes;

Nicht auch hätte gesäumt der Vergelt, wenn tobende Winde

Unwegsam nicht machten das Meer und die harrenden Kiele

Nicht Böo'tien hielt bei der fischergiebigen Aulis.[32]

Als sie nach Vätergebrauch dort wollten dem Ju'piter opfern

Und der geheiligte Herd heiß war von gezündetem Feuer,

Nahmen die Da'naer wahr, wie eben ein bläulicher Drache

Auf die Platane zunächst dem begonnenen Opfer hinankroch.

Mit acht Vögeln befand sich ein Nest in der Höhe des Baumes:

Sie und die Mutter zugleich, die um die verlorenen Jungen

Flatterte, packte die Schlang' und barg sie im gierigen Bauche.

Alle erschraken darob. Doch der Wahrheit wissende Seher

Kündete, The'stors Sohn: »Freut euch! Wir siegen, Pela'sger;

Tro'ja erliegt; doch lang harrt unser beschwerliche Mühsal.«

Und er verheißt neun Jahre des Kriegs, soviele wie Vögel.

Jene, gewunden am Baum, wie sie war, um die grünenden Äste,

Wird zu Gestein und beharrt als Stein im Bilde der Schlange.

In dem ao'nischen Sund bleibt Ne'reus ständig in Aufruhr,

Nicht hinlassend den Krieg, und manche vermeinen, Neptu'nus

Schone die tro'ische Stadt, weil selbst er die Mauern gegründet.

Doch nicht Thestors Sohn: der weiß und verkündet es offen,

Daß jungfräuliches Blut zur Sühne der göttlichen Jungfrau[33]

Zorn heischt. Als dem Gefühl Obsieger geworden das Volkswohl

Und dem Erzeuger der Fürst und, ihr züchtiges Blut zu vergießen

Vor dem Altar, von den Dienern beweint, stand Iphigeni'a,

Rückte die Göttin gerührt ein Gewölk vor die Augen und tauschte

Unter dem Opfergeschäft, dem Gedräng und den betenden Stimmen

Mit der Myke'nerin rasch, wie es heißt, ein ersetzendes Hirschkalb.

Als nun, wie sich geziemt, durch Blut Diana versöhnt war

Und mit der Phö'be Zorn sich der Zorn der Gewässer besänftigt,

Segelt, im Rücken gefaßt von den Winden, das Tausend von Schiffen,

Und nach vieler Beschwer wird Phrygiens Küste gewonnen.

Zwischen der Erd' und dem Meer und den himmlischen Höhen gelegen

Mitten im Raum ist ein Ort, des dreifachen Reiches Verbindung,

Wo, was irgend sich zeigt, sei noch so groß die Entfernung,

Ist zu erspäh'n und jeglicher Laut zum gehöhleten Ohr dringt.

Fa'ma erkor sich die Statt und wohnt in der obersten Feste.

Zahllos brachte sie an Eingänge am Hause und tausend

Öffnungen, und es verschließt nicht Thor noch Thüre die Schwellen.

Tag und Nacht ist es offen, und ganz aus tönendem Erze

Hallet es ganz und erwidert den Laut, das Gehörte verdoppelnd.

Ruh' ist keine darin und nirgends schweigende Stille,

Aber Getös' auch nicht, nur raunender Stimmen Gemurmel:

Wie von den Wogen der See, wenn einer sie hört in der Ferne,

Schall herkommt, wie dumpf, wenn Jupiter krachende Schläge

Sendet aus schwarzem Gewölk, wegziehende Donner verhallen.

Lebhaft wogt es im Saal; stets drängt sich kommend und gehend

Gaukelndes Volk, und umher gehn tausend Gerüchte, mit wahren

Falsche gemengt, unstät und wirren verschwommene Worte.

Einige füllen davon mit Gerede die müßigen Ohren;

Andere tragen umher das Erzählete, und die Erdichtung

Wächst, und Eigenes thut zum Gehörten der neue Berichter.[34]

Gläubiger Wahn ist dort, dort auch zutappender Irrtum,

Eitles Ergötzen dazu und bestürzt auffahrender Schrecken,

Aufruhr neu im Entstehn und Gezischel von zweif'liger Herkunft.

Fa'ma selber erblickt, was irgend im Himmel, im Meere

Oder auf Erden geschieht, und forscht ringsum in dem Weltkreis.

Durch die war es bekannt, daß gra'jische Schiffe mit Kriegsvolk

Zögen heran, und nicht naht wider Erwarten in Waffen

Feindliche Macht. Am Strand stehn trotzige Tro'er, den Zugang

Sperrend, zur Wehr. Du fällst durch He'ktors Speer nach Bestimmung,

Protesila'us, zuerst, und den Da'naern teuer zu stehen

Kommt das Gefecht, und erkannt in des Helden Erlegung ist Hektor.

Aber den Phry'gern bewies, wie stark die achä'ische Rechte,

Auch nicht kärgliches Blut. Schon war die sige'ische Küste

Weithin rot; in den Tod schon hatte der Sohn des Neptu'nus,

Cy'gnus, tausend geschickt; schon stand auf dem Wagen Achi'lles

Und warf Scharen dahin mit dem Stoße der pe'lischen Lanze.

Während den Cygnus er sucht in den Schlachtreih'n oder den Hektor,

Trifft auf Cygnus der Held. Für das zehnte der Jahre verblieb noch

Hektor verspart. Das Gespann, das unter dem Joche den weißen

Hals bog, muntert er auf und lenkt nach dem Feinde den Wagen,

Und den geschwungenen Speer aufhebend mit kräftigem Arme,

Spricht er: »Wer du auch seist, nimm das zum Troste des Todes,

Jüngling, daß du erlagst dem hämo'nischen Fürsten Achi'lles!«

Also des Ä'akus Sproß. Schwer folgt das Geschoß auf die Worte.[35]

Aber wiewohl nicht ging in die Irre die sichere Lanze,

Richtet sie doch nichts aus mit der Spitze des fliegenden Eisens;

Denn sie erschütterte nur stumpf prallend die Brust, und der Troer

Sprach: »O Göttinsohn, – wir kennen dich längst vom Gerede –

Was verwunderst du dich, daß fern uns bleibt die Verletzung?« –

Denn er verwunderte sich. – »So wenig der Helm mit dem blonden

Roßhaar, den du erblickst, wie die Bürde der Linken, der hohle

Schild hier, dienen zum Schutz: nur Zierat sollen sie geben.

Darum nimmt auch Mars sein Rüstzeug. Aller Bedeckung

Schutzwehr geb' dich dahin: doch soll kein Eisen mich schrammen.

Etwas heißt es, der Sohn nicht sein von der Tochter des Ne'reus,

Sondern vom Herrscher des Meers und des Nereus selbst und der Töchter.«

Sprach's und schnellte den Speer, der Halt fand in dem gewölbten

Schilde, nach Äakus' Sproß; durch das Erz hin fuhr und die nächsten

Neun Stierhäute der Speer und stak in der zehnten der Schichten.

Ihn reißt jener heraus, und wieder mit kräftiger Rechten

Warf er das schwanke Geschoß, und wieder bestand es der Körper

Ohne Verletzung und heil. Nicht minder erwies sich ein dritter

Wurf unmächtig, den bloß sich gebenden Cygnus zu ritzen.

Da ist der He'ros ergrimmt, wie der Stier in der offenen Rennbahn,

Wenn er mit schrecklichem Horn losstürzt auf die punischen Tücher,

Die ihm reizten die Wut, und den Stoß sieht listig vereitelt.

Ob sich das Eisen jedoch mit dem Speer ablösete, forscht er:

Fest noch hing es am Schaft. »So ist unkräftig mein Arm denn«,

Sprach er, »und hat an dem einen erschöpft vormalige Stärke.

Stark doch war er zuvor, als ich die lyrne'sischen Mauern

Nieder geworfen zuerst und Te'nedos und mit dem Blute[36]

Ihrer Bewohner gefüllt die eëtio'nische The'bä,

Auch als rot von dem Mord einheimischen Volkes Kaï'kus

Floß und Wirkung bewies mein Speer an Te'lephus zweimal.

Hier auch zeigte sich stark mein Arm, der Erschlagenen Menge

Kündet es, die ich gehäuft und gewahr' am Strand, und er ist's noch.«

Sprach's und warf, als traut' er zu wenig den früheren Thaten,

Nach dem begegnenden Manne vom lykischen Volke, Menö'tes,

Und das Geschoß drang ein in die Brust durch den deckenden Panzer.

Während mit sterbender Brust der schlug die belastete Erde,

Zog er dasselbe Geschoß aus der blutenden Wunde und sagte:

»Das ist die Hand und der Speer, die Sieg uns eben erstritten!

Er sei nun ihr Ziel: gebt, Götter, denselbigen Ausgang!«

Also sprach er und warf, und die fehl nicht gehende Esche

Tönete links an der Schulter des nicht ausweichenden Cygnus:

Wie von Gemäuer zurück dort prallte sie oder von Felsen.

Doch wo traf das Geschoß, da hatte mit blutigen Flecken

Jenen gezeichnet gesehn und umsonst frohlocket Achi'lles.

Keine Verletzung war's; das Blut nur war's von Menötes.

Da nun, tobend vor Wut, springt eilig vom Wagen der Heros,

Und mit dem blinkenden Schwert nah' gehend dem sicheren Feinde,

Sieht er den Schild und den Helm von den Streichen der Klinge sich spalten,

Doch am gehärteten Leib selbst auch stumpf werden das Eisen.[37]

Länger erträgt er es nicht, und den Schild wegreißend berennt er

Drei-, viermal mit dem Heft das Gesicht und die Schläfe des Mannes.

So stets folgend bedrängt er den weichenden, plagend und stoßend,

Daß nicht Ruhe vergönnt dem betäubeten. Angst und Entsetzen

Faßt den, vor dem Gesicht schwimmt Nacht, und während er rückwärts

Wendet den Schritt, hemmt plötzlich ein Stein in der Mitte des Feldes.

Als mit dem Leibe darob nun rücklings strauchelte Cygnus,

Riß ihn mit aller Gewalt und warf ihn zu Boden Achilles.

Hart dann drückend die Brust mit dem Schild und gestemmeten Knieen,

Zieht er den Riemen am Helm: der schnürete, unter dem Kinne

Zwängend gehalten, den Hals und sperrte die Luft und des Atems

Lebenerhaltenden Weg. Den Besiegten gedacht' er zu plündern:

Waffen gewahret er nur. Von dem Meergott war in den weißen

Vogel gewandelt der Leib, des Namen er eben geführet.

Solch anstrengender Kampf gab Ruh' jedwedem der Teile

Längere Zeit und gebot Stillstand den verziehenden Waffen.

Da nun sorgliche Hut die phrygischen Mauern bewachte,

Da gleich sorgliche Hut die argo'lischen Gräben bewachte,

Nahte der festliche Tag, wo Cygnus' Bezwinger Achilles

Blut der geschlachteten Kuh darbrachte zur Sühne der Pa'llas.

Als auf den glühenden Herd er gelegt die geheiligten Stücke,

Und zu dem Äther der Duft aufwallete, lieblich den Göttern,

Wurde dem Opfer das Teil; zum Festmahl diente das and're.

Lässig auf Polster gestreckt nun schmausen die Fürsten gebrat'nes

Fleisch und stillen den Durst mit Wein und die lästigen Sorgen.

Saitengetön labt nicht ihr Gemüt, nicht singende Stimmen,[38]

Noch langgehendes Rohr viellöchriger Flöten von Buchsbaum,

Sondern die Nacht geht hin mit Gespräch, und männliche Thatkraft

Bietet den Stoff. Man erzählt vom Kampfe des Feindes und eig'nem,

Und es behagt, oftmals zu erwähnen im Wechsel gesuchte

Oder bestand'ne Gefahr. Wovon sonst spräche Achilles?

Wovon spräche man sonst auch wohl beim großen Achilles?

Aber der neueste Sieg, erstritten mit Cygnus' Erlegung,

War im Gespräche zumeist. Gar seltsam fanden es alle,

Daß durchdringlich der Leib des Jünglings keinem Geschosse,

Daß er, besiegbar nie durch Verletzungen, stumpfte das Eisen.

Selbst drob staunte der Sproß von Ä'akus, drob die Achi'ver,

Als so Ne'stor begann: »Nur Cygnus in eueren Tagen

War ein Verächter des Stahls und undurchbohrlich den Stößen;

Doch selbst hab' ich gesehn, wie Streiche zu tausenden vormals

Mit heilbleibendem Leib aushielt der perrhä'bische Kä'neus,

Käneus, Perrhä'biens Held, der thatenberühmt an dem O'thrys

Wohnete. Was an dem Mann noch staunlicher machte die Gabe:

Anfangs war er ein Weib.« Von dem seltenen Wunder betroffen,

Bitten sie alle den Greis zu erzählen. Darunter Achilles:

»Thu' uns kund, – denn gleich sind alle zu hören begierig –

O wohlredender Greis, du Einsicht unseres Alters,

Wer denn Käneus war; weshalb er erfahren die Wandlung;

Welches gewesen der Zug und die Schlacht, darin du ihn kennen

Lernetest; wer ihn besiegt, wenn anders ihn einer besiegt hat.«

Nestor erzählt: »Obwohl ich, vom stumpfenden Alter behindert,

Schon gar manches vergaß, was während der Tugend ich schaute,

Mehr doch bleibt mir getreu im Gedächtnis. Aber von allem,

Was ich erlebte daheim und im Feld, steht fester als jenes

Nichts vor unserem Geist. Wenn je weitreichendes Leben

Einen zum Zeugen gemacht vielfältiger Thaten: verlebt sind

Zwei Jahrhunderte mir; nun leb' ich das dritte der Alter.

Lieblich und anmutreich war Kä'nis, des E'latus Tochter,

Schön wie keine der Frau'n in Thessalien, und in den nahen[39]

Städten, den Deinigen auch, – du warst, Achi'lles, ihr Landsmann –

Eitel ersehnt und begehrt vom Wunsch gar vieler Bewerber.«

Pe'leus auch wohl hätte gestrebt nach dem bräutlichen Lager,

Doch schon war er vermählt mit deiner unsterblichen Mutter,

Oder sie war ihm verheißen zum Weib. Zu keiner Verbindung

Mochte sich Känis verstehn, und wandelnd am einsamen Strande

Litt sie Gewalt von dem Gotte der Flut: so ging das Gerede.

Wie als erster die Lust des Umfah'ns Neptu'nus genossen,

Sprach er: »Es sei dein Wunsch vor jeglicher Weigerung sicher:

Wähle denn, was du begehrst!« So wußte dasselbe Gerede.

Känis versetzt: »Mich läßt das Erlittene Großes begehren,

Daß ich für immer bewahrt davor. Gib, daß ich kein Weib sei:

Alles gewährst du mir dann.« Und siehe, mit tieferem Tone

Sprach sie den Schluß, und es konnt' als männliche gelten die Stimme,

So wie sie war; denn gewährt schon hatte der Herrscher des tiefen

Meeres den Wunsch und verliehen dazu, daß nimmer ein Angriff

Konnte verwunden den Mann, noch je ihn fällen ein Eisen.

Froh des Geschenks geht weg der atra'kische Kämpfer und widmet

Männlichen Werken die Zeit und durchirrt die pene'ischen Fluren.

Mit Hippo'dame hielt Hochzeit des verwegnen Ixi'on

Sprößling und hieß zum Schmaus an gereiht dastehenden Tischen

Lagern das Wolkengeschlecht in baumumschatteter Grotte.

Edle Hämo'nier lud er zu Gast; Gast waren wir selber,

Und von Gewirr und Gewühl war laut die festliche Hofburg.

Horch, man singt Hymenä'en; es rauchen von Feuer die Hallen;

Jetzt auch naht, umringt von der Menge der Mütter und Schnuren,

Herrlich in Schöne, die Braut. Wir priesen Piri'thous glücklich,

Daß sein solch ein Weib; doch fast ward eitel der Glückwunsch.

Denn dir, Eu'rytus, glüht, dem grausesten von der Kentau'ren[40]

Grausem Gezüchte, die Brust, wie von Wein so auch von der Jungfrau

Anblick, und es beherrscht dich der Rausch, von Begierde verdoppelt,

Lärmend auf einmal stören das Mahl umstürzende Tische,

Und an den Haaren gefaßt und geraubt wird frech die Vermählte.

Eurytus raubt für sich Hippo'dame, and're nach Auswahl

Oder wie jeder gekonnt, und ein Bild von eroberter Stadt war's.

Laut schallt Weibergeschrei durchs Haus. Auf springen wir alle

Schleunig vom Sitz, und zuerst ruft The'seus: »Was für ein Wahnsinn

Treibt dich, Eurytus, an, den Piri'thous also zu reizen,

Da ich leb', und zwei nicht wissend in einem zu kränken?«

(Daß auch nicht umsonst so spräche der streitbare Heros,

Stößt er die Drängenden weg und entreißt die Geraubte den Tollen.)

Jener versetzt kein Wort – rechtfertigen können ja Worte

Nimmer das frevlige Thun –, doch frech zum Gesichte des Schützers

Hebt er die Faust und trifft ihm die edele Brust mit dem Schlage.

Nah' war eben ein Krug, uneben von ragendem Bildwerk,

Altertümlicher Art: den mächtigen mächtiger selber

Hebt der Ägi'de empor und wirft ihn dem Gegner ins Antlitz.

Dem strömt klumpiges Blut und Gehirn und Wein aus der Wunde

Wie aus dem Mund, und er zappelt, gestreckt im befeuchteten Sande.

Grimm ist entfacht vom Morde des Bruders den Doppelgeschöpfen:

»Auf, zu den Waffen!« ertönt einstimmiger Ruf. »Zu den Waffen!«

Mut gab ihnen der Wein, und es fliegen geschleuderte Becher,

Bauchige Näpfe zuerst im Streit und zerbrechliche Töpfe,

Sonst zum Mahle bequem, nunmehr zum Kämpfen und Morden.

A'mykus, Sohn des Ophi'on, vermaß sich zuerst, zu berauben

Ihres geweihten Gerätes die heilige Statt: von der Zelle

Riß er die Ampel hinweg, die leuchtende Dochte umkränzten.[41]

Hoch dann hob er sie auf, gleichwie wenn einer des Farren

Schneeigen Nacken sich müht zu durchhauen mit opferndem Beile,

Und traf Ke'ladons Stirn des Lapithen, und in dem entstellten

Antlitz ließ er gewirrt ineinander die Knochen. Die Augen

Quollen heraus, und durch die zerschmetterten Knochen des Mundes

Wurde die Nase gequetscht und haftete mitten im Gaumen.

Doch ihn streckt mit dem Bein, das dem Ahorntisch er entrissen,

Pe'lates hin, der Pelläer, das Kinn nach der Brust ihm zerschlagend.

Während er Zähne gemengt nun spie mit schwärzlichem Blute,

Schickt ein erneuerter Streich ihn hinab zu des Ta'rtarus Schatten.

Gry'neus stand ihm zunächst; der schaute mit schrecklicher Miene

Hin auf den rauchenden Herd: »Warum nicht brauchen wir diesen?«

Sprach er und hob mit dem Feuer darauf den gewichtigen Altar,

Hob und warf ihn hinein in das dichte Gewühl der Lapithen:

Bro'teas wurde zermalmt von der Wucht und O'rius. Orius

Nannte sich My'kale's Sohn, die oft, wie man wußte, des Mondes

Hörner mit bannendem Spruch trotz seines Erwehrens herabzog.

»Du sollst büßen dafür, steht Waffe mir nur zu Gebote!«

Rief Exa'dius nun, und er nimmt als dienliche Waffe

Hoch von der Fichte herab das Geweih des gewidmeten Hirsches.

Mit dem gedoppelten Ast dann stößt er hinein in des Gryneus

Augen und drängt sie heraus, und es klebt ein Teil an den Zacken,

Anderes fließt in den Bart und hängt mit Blute geronnen.

Sieh, ein brennendes Scheit vom Pflaumbaum raffete Rhö'tus

Mitten vom Opferaltar und zerschlug am Haupt des Chara'xus,

Rechtsherschmetternd, den Schlaf, den blond umwallte das Haupthaar.[42]

Rasch wie trockene Saat vom reißenden Feuer ergriffen

Stand in Flammen das Haar, und das Blut in der Wunde gesenget

Zischte mit schrecklichem Ton, sowie von der Hitze gerötet

Eisen zu tönen gewohnt, das mit der gebogenen Zange

Zieht aus der Esse der Schmied und taucht in die Kufe; doch jenes

Zischt und sprühet noch fort auch unter der laulichen Welle.

Wieder vom struppigen Haar abschüttelnd das gierige Feuer,

Wühlte der Wunde vom Grund und hob auf die Schulter die Schwelle,

Last für den Wagen genug; doch Schuld war eben die Schwere,

Daß sie den Feind nicht traf, und den eig'nen Genossen Kome'tes,

Der so weit nicht stand, drückt nieder die steinige Masse.

Hoch ist Rhö'tus erfreut und verhehlt's nicht: »Möchte doch«, ruft er,

»Auch solch tüchtige Kraft darthun dein übriges Kriegsvolk!«

Und mit dem glimmenden Ast nochmalige Wunde verdoppelnd,

Sprenget er drei-, viermal mit gewichtigem Streiche des Schädels

Fugen und treibt in das flüssige Hirn die zerschmetterten Knochen.

Ko'rythus wallte sich nun und Eua'gros und Dry'as der Sieger.

Als er den einen gefällt, dem Flaum erst deckte die Wangen,

Korythus, rief Euagros ihm zu: »Was hast du für Ehre,

Daß dir ein Knabe erlag?« Nicht läßt der erbitterte Rhötus

Weiteres reden und stößt dem sprechenden Mann in den offnen

Mund und hinab durch den Mund in die Brust die gerötete Flamme.

Dir auch rückt er zu Leib, streitfertiger Dryas, das Feuer

Drohend geschwungen ums Haupt; bei dir war aber der Ausgang

Nicht so. Ihm, der prahlt mit des ständigen Mordes Gelingen,

Bohrst du geglüheten Pfahl dicht neben dem Hals in die Schulter.

Da stöhnt Rhötus und reißt mit Mühe den Pfahl aus dem harten

Knochen und flieht nun selber, benetzt von dem eigenen Blute.

Ly'kabas auch sucht Heil in der Flucht und Orne'us und Me'don,[43]

Rechts am Buge verletzt, nicht minder Pise'nor und Thau'mas;

Auch, der alle besiegt unlängst in der Wette der Füße,

Me'rmeros, war langsamer im Gang von empfangener Wunde;

Pho'lus und Me'laneus auch und mit A'bas, dem Ebererbeuter,

Er, der eitel vom Krieg abmahnte die Seinen, der Seher

A'stylos. Der sprach auch zu dem Wunden befürchtenden Ne'ssus:

»Flieh doch nicht, du bleibst ja bewahrt für He'rkules' Bogen!«

Aber Eury'nomus nicht und Ly'cidas und mit Are'os

I'mbreus mieden den Tod: die streckte die Rechte des Dryas

Alle danieder von vorn. Von vorn nicht minder empfingst du,

Ob du den Rücken zur Flucht auch wandtest, Krenä'us, die Wunde.

Umseh'n wolltest du dich, als zwischen den Augen hineinfuhr,

Wo sich die Nase der Stirn anfügt, das verderbende Eisen.

Bei so tobendem Lärm lag stets und ständig in allen

Adern befangen vom Schlaf und nicht zu erwecken Aphi'das,

Der, auf dem zottigen Fell der ossä'ischen Bärin gelagert,

In der erschlaffeten Hand noch hielt die gefüllete Kanne.

Ihn, der nicht zum Gewinn das Gefecht mied, schaute von weitem

Phorbas und fügt in des Speers Wurfriemen die Finger und sagte:

»Trinke den Wein mit der Styx!« Mehr zaudert er nicht, und dem Jüngling

Schwingt er entgegen den Spieß, und die eisenbeschlagene Esche

Bohrte sich, wie er gerade so rücklings lag, in die Kehle.

Fühllos litt er den Tod, und hervor aus strotzender Gurgel

Rieselte schwarz auf den Pfühl und selbst in die Kanne der Blutstrom.

Auszureißen versucht – ich sah's – Peträ'us den Eichbaum,

Der mit Eicheln behängt dastand; doch, wie er umklammernd

Hin und her ihn bewegt und rüttelt am wankenden Stamme,[44]

Heftet Piri'thous' Speer, in die Rippen geschnellt dem Peträ'us,

Fest die gestemmete Brust mit dem knorrigen Holze zusammen.

Ly'kus erlag vor der Kraft des Piri'thous, hörten wir sagen;

Chro'mis erlag vor der Kraft des Pirithous. Aber die beiden

Schafften geringeren Ruhm dem Besieger als Di'ktys und He'lops.

Helops sank vor dem Spieß, der Bahn sich brach durch die Schläfe

Und von dem rechten gebohrt durchdrang zu dem linken der Ohren.

Diktys, der von des Bergs unsicherer Spitze hinabglitt,

Während er zitternd entfloh vor dem drängenden Sohn des Ixion,

Stürzt in die Tiefe hinab und zerbricht mit der Schwere des Leibes

Eine gewaltige Esch' und bezieht mit Gedärmen den Baumstumpf.

Rächend ist A'phareus nah' und müht sich zu schleudern ein Felsstück,

Das er vom Berg losriß. Den bemühten erreicht der Ägide

Eher mit eichenem Pfahl und zerschellt ihm die riesigen Knochen

Mitten am Arm. Doch ganz den jetzt machtlosen zu töten,

Fehlt Zeit oder Gelüst. Auf den Rücken des hohen Bia'nor

Schwingt er sich, der nur sich, sonst keinen zu tragen gewohnt war,

Stemmt in die Rippen das Knie und zerrt nach hinten das Haupthaar,

Das mit der Linken er packt, und zerschlägt mit dem knotigen Holze

Ihm das Gesicht und den drohenden Mund und die knochigen Schläfe.

Dann schlägt nieder das Holz den Nedy'mnus, den Werfer Lyko'tas,

Hi'ppasus, welchem die Brust von wallendem Barte bedeckt war,

Ri'pheus, der mit dem Leib noch über die Wipfel der Wälder

Ragete, Te'reus auch, der in den hämo'nischen Bergen

Bären zum öfteren fing und lebendig die brummenden heimtrug.

Länger ertrug's nicht mehr Demo'leon, daß für den Theseus

Immer der Kampf sich entschied, und den Stamm vieljähriger Fichte

Strebt er mit großer Gewalt aus der untersten Feste zu reißen.

Fruchtlos blieb der Versuch, und er warf sie geknickt nach dem Feinde.

Theseus aber entging wegtretend dem kommenden Wurfe,

Weil ihn Pa'llas gewarnt – er selber bestärkte den Glauben.[45]

Doch nicht stürzte der Baum unschädlich: dem stattlichen Kra'ntor

Riß er hinweg von der Kehle die Brust und die linke der Schultern.

Der war Waffengenoß bei deinem Erzeuger, Achilles;

Äakus' Sohn empfing ihn vom Do'loperkönig Amy'ntor,

Den er im Kriege besiegt, als Gewähr und Bürgen des Friedens.

Als so gräßlich zerfetzt ihn Peleus sah aus der Ferne,

Sprach er: »Sühnung im Tod, o liebster der Jünglinge, Krantor,

Sollst du empfah'n!« Und im Schwung auf Demoleon sandt' er mit starkem

Arme, dazu mit den Kräften des Zorns, die eschene Lanze,

Welche der Rippen Geflecht durchbrach und haftend im Knochen

Schwankte. Heraus riß jener den Schaft, doch ohne die Spitze;

Kaum auch folgte der Schaft; fest blieb in der Lunge das Eisen.

Eben der Schmerz gab Kräfte dem Mut: der Verwundete bäumt sich

Gegen den Feind und tritt nach dem Mann mit gehobenen Hufen.

Doch mit dem Helm und dem Schild fängt jener die schallenden Hiebe,

Hält sich die Schulter gedeckt und stemmt abwehrende Waffen,

Und zwei Brüste durchbohrt ein Stoß in den Bug des Kentauren.

Fernher hatte der Held den Phlegrä'os getötet und Hy'les

Vorher schon, im nahen Gefecht mit Iphi'nous Kla'nis.

Do'rylas teilt ihr Los, der über die Schläfe ein Wolfsfell

Hatte gedeckt und trug an der Stelle verderblicher Waffe

Krummes Gehörn vom Stier, mit reichlichem Blute gerötet.

Diesem erging mein Ruf – denn Stärke verlieh mir die Kampflust –:

»Sieh, wie weit dein Horn vor unserem Eisen zurück steht!«

Und ich entsandte den Speer. Weil er nicht war zu vermeiden,

Hielt er die Rechte zum Schirm der mit Wunde bedroheten Stirne.

Fest an die Stirn anspießt' ich die Hand. Laut schrieen die andern;

Doch ihn traf, wie er hing und von bitterer Wunde besiegt war,

Peleus, näher als ich, mit dem Schwert in der Mitte des Bauches.

Wild springt Dorylas auf und schleift sein Gedärm an der Erde,[46]

Tritt das geschleifte, zerreißt das getretene, wird mit den Beinen

Gar noch drinnen verstrickt und fällt mit geleeretem Bauche.

Dir auch, Cy'llarus, bracht' im Streit nicht Rettung die Schönheit,

Falls wir solcher Gestalt nur nicht absprechen die Schönheit.

Schwach erst keimte der Bart und war goldfarbig, und golden

Wallete nieder das Haar bis mitten zum Bug von den Schultern.

Frisch und jugendlich war das Gesicht; Hals, Schultern und Hände

Kamen zunächst und die Brust den gerühmten Gebilden der Künstler,

Alles, soweit er ein Mann. Auch war untadlig der Roßleib

Drunter und nicht nachstehend dem Mann. Gib Nacken und Haupt ihm,

Und er ist Ka'stors wert: so beut sich der Rücken zum Sitze,

So prall hebt sich die Brust. Pechschwarz ist er über und über,

Aber am Schweif schneeweiß; weiß auch ist die Farbe der Beine.

Viele begehreten sein der kentaurischen Weiber: doch einzig

Nahm ihn Hylo'nome hin, so schmuck wie keine von allen,

Welche bewaldete Höh'n mit den Halbgetieren bewohnten.

Durch zutrauliches Thun, durch Lieb' und der Liebe Geständnis

Fesselt sie Cyllarus' Herz. Auf Putz auch wendet sie Sorgfalt,

Wie ihn der Wuchs zuläßt: daß glatt vom Kamme das Haar ist,

Daß bald Rosmarin, bald Rosen sie oder Violen

Flicht in das Haar, oft auch hellfarbige Lilien wählet

Und das Gesicht in dem Quell, der rinnt von paga'si scher Waldhöh',

Zweimal wäscht am Tag, zweimal sich badet im Strome,

Daß von erlesenem Wild und nur schön kleidende Felle

Über die Schulter sie deckt an der Linken und über die Seite.

Gleich liebt jedes vom Paar; sie schweifen vereint im Gebirge,

Gehen in Höhlen vereint. Auch in die lapi'thische Wohnung

Traten zusammen sie ein und standen zusammen im Mordstreit.

Dunkel ist, wer es gethan: linksher kam plötzlich ein Wurfspieß

Auf dich, Cy'llarus, zu und ereilte dich unter der Stelle,

Wo sich die Brust anfügt an den Hals. Nur wenig verwundet,

Wird mit dem Leibe das Herz gleich kalt nach des Speeres Entziehung.[47]

Aber Hylo'nome fängt nicht säumend die sterbenden Glieder,

Legt ihm die lindernde Hand auf die Wund' und naht mit dem Munde

Liebend dem Mund und versucht der entweichenden Seele zu wehren.

Als sie ihn tot nun sah, da sagte sie, was das Getöse

Nicht ließ dringen zu mir, und stürzte sich rasch in die Waffe,

Die ihn hatte durchbohrt, und umfing hinsterbend den Gatten.

Er auch stehet mir noch, Phäo'komes, immer vor Augen,

Der sechs Felle von Leu'n mit geschlungenen Knoten zusammen

Hatte verknüpft und das Roß damit und den Menschen bedeckte.

Mit dem geschleuderten Klotz, den kaum zwei Joche bewegten,

Traf er des O'lenus Sohn, den Te'ktaphus, malmend am Scheitel.

(Weithin barst von der Wucht das bewegliche Haupt; aus der hohlen

Nase zugleich und dem Mund, aus den Augen hervor und den Ohren

Quillet das weiche Gehirn, wie aus dem Geflecht die verdickte

Milch abfließt, wie Öl beim Drucke des löch'rigen Durchschlags

Tropfet heraus und träge sich drängt aus den engenden Löchern.)

Wie den Erlegten der Feind nun wollte der Waffen entkleiden,

Streckte den plündernden hin mein Schwert – dein Vater bezeugt es –

Tief in die Weichen gebohrt. Mit Tele'boas auch ist erlegen

Chtho'nius unserem Stahl. Der trug zweizackigen Prügel;

Jenen bewehrt' ein Spieß. Ich war von dem Spieße verwundet:

Schaue das Mal; noch zeigt sich davon die verwachsene Narbe.

Damals mußte man mich zum Sturm gen Pe'rgamus senden;

Damals hätt' ich vermocht, wo nicht zu besiegen, zu hemmen

Hektors gewaltige Macht. Noch nicht war aber am Leben

Hektor oder ein Kind. Nun bin ich entkräftet vom Alter.

Wozu Pe'riphas' Ruhm, der erschlug den Kentauren Pyre'tus,

Künden und A'mpyx' Ruhm, der vorn in des Trabers Oche'kles[48]

Antlitz trieb, obwohl ihr die Spitze gebrach, die Kornelle?

Vom pelethro'nischen Volk Erigdu'pus erlag von dem Barren,

Den ihm Ma'kareus rannt' in die Brust. Noch seh' ich den Jagdspeer,

Der, von Ne'ssus geschnellt, sich barg in dem Bauch des Kyme'los.

Hege den Wahn auch nicht, daß bloß weissagte die Zukunft

Mo'psus, des A'mpyx Sohn. Der doppelgestalt'te Hodi'tes

Sank durch Mopsus' Geschoß und suchte vergeblich zu reden,

Weil ihm die Zung' ans Kinn und das Kinn an die Gurgel gespießt war.

Käneus sendete fünf in den Tod, Anti'machus, Bro'mus,

Sty'phelus, He'limus auch und den Streitaxtträger Pyra'kmus:

Wie, das ist mir entfallen; die Zahl und die Namen behielt ich.

Sieh, mit der Beute bewehrt vom ema'thischen Kämpfer Hale'sus,

Den er erlegt, dringt vor, an Gliedern und Leibe gewaltig,

La'treus. Zwischen dem Greis und dem Jüngling stand er im Alter,

Jugendlich aber an Kraft; grau waren die Schläfen gesprenkelt.

Dieser, mit Schild und Schwert und mit makedonischer Lanze

Stattlich zu sehn und gewandt nach jedem der Heere das Antlitz,

Schüttelt das Kriegesgerät und reitet im sicheren Kreise,

Und hochmütig ergießt er in ledige Lüfte die Worte:

»Was will Känis allhier? Denn du bleibst immer ein Weib mir,

Du bist Känis für mich. Macht nicht der natürliche Ursprung

Schwach dein Herz und bedenkest du nicht, welch Thun dir Belohnung,

Was für ein Preis dir erwarb des Mannes betrüglichen Anschein?

Sieh, was du von Geburt und was du gelitten! Den Rocken

Nimm in die Hand und den Korb und dreh' mit dem Daumen den Faden;

Krieg laß Männern allein!« Dem prahlenden öffnete Kä'neus

Mit dem geschleuderten Speer die vom Rennen gedehnete Seite,[49]

Wo an das Roß sich fügte der Mann. Wild tobet im Schmerze

Jener und stößt in das nackte Gesicht des Phylle'ers die Lanze.

Aber sie prallte zurück, wie oben vom Dache der Hagel

Oder wie kleines Gestein, wenn es fällt auf bauchige Pauke.

Dicht nun geht er zu Leib und müht sich, dem Feind in die harte

Seite zu bohren das Schwert: für das Schwert ist nirgends ein Durchgang.

»Doch nicht sollst du entflieh'n; dich soll hinmorden die Schneide,

Weil denn die Spitze gestumpft!« So spricht er und holt mit dem Schwerte

Seitwärts aus und erreicht mit der Länge der Rechten die Lende.

Hell klirrt's unter dem Streich, gleichwie an getroffenem Steinbild,

Und abspringend zerbrach am geschlagenen Halse die Klinge.

Als dem Erstaunten genug die gesicherten Glieder geboten

Käneus, rief er: »Wohlan, dein Leib nun werde von uns'rem

Schwerte versucht!« Und er stößt in den Bug das verderbende Eisen

Bis an das Heft und drängt und bohrt in die innern Geweide,

Ohne zu sehen, die Hand und erneut in der Wunde die Wunde.

Grimmig mit wüstem Geschrei anstürmen die Doppelgeschöpfe,

Alle den einen bemüht zu erreichen mit Würfen und Streichen.

Stumpf fällt jedes Geschoß, und undurchbohrt von den Stößen

Allen und stets unblutig verbleibt der elatische Käneus.

Höchlich erstaunt bei dem Wunder die Schar. ›Ha, Schmach und Beschimpfung!‹

Ruft jetzt Mo'nychus aus. ›Uns viele besieget der eine,

Kaum ein Mann; doch freilich ein Mann, wir aber in Schlaffheit

Sind, was der einst war. Was nützen die riesigen Glieder,

Was zwiefältige Kraft? Was nützt, daß doppeltes Wesen

Einig verbindet in uns die stärksten Geschöpfe der Erde?

Nicht – so dünket es mir – von der Göttin und nicht von Ixi'on

Stammen wir, der so groß, daß sich zur erhabenen Ju'no[50]

Konnte versteigen sein Wunsch. Uns wird Obsieger ein Halbmann.

Auf, wälzt Felsen auf ihn, Baumstämm' und ganze Gebirge,

Und mit geworfenem Wald drängt aus das beharrliche Leben!

Wald mag schnüren den Hals, und Last wird Wunden ersetzen.‹

Sprach's und packte den Stamm, der gerade vom tobenden Südwind

Niedergestreckt dalag, und warf nach dem mächtigen Feinde.

Beispiel war's für den Schwarm, und O'thrys nach kurzem Verweilen

Stand von Bäumen entblößt, und dem Pe'lion fehlte der Schatten.

Käneus aber, gedrückt von der Baumlast, mühte sich schnaubend

Unter der gräßlichen Schicht und trug auf gehärteten Schultern

Haufen von Holz. Als aber die Last nun über das Antlitz

Wuchs und das Haupt, und Luft nicht war, die zöge der Atem,

Liegt ohnmächtig er bald, bald strebt er, empor an die Lüfte

Sich zu erheben, umsonst, und von hinnen zu wälzen die Stämme;

Manchmal regt er sich auch, wie wenn die erhabene I'da,

Die vor Augen wir seh'n, von der Erde Erschütterung aufhebt.

Zweifelhaft ist der Erfolg. Sein Leib, so sagten die andern,

Sei von dem lastenden Wald in des Ta'rtarus Öde gestoßen.

Nicht so A'mpyx' Sohn: der sah, wie hervor aus dem Haufen

Flog in die lautere Luft mit gelbem Gefieder ein Vogel,

Welchen zuerst damals und zuletzt damals ich erblickte.

Wie er den Vogel gewahrt, der kreisete um der Gefährten

Lager gemächlichen Flugs und mit schallendem Kreischen hinabrief,

Da sprach Mo'psus, zugleich mit dem Geist und den Augen ihm folgend:

»›Sei mir gegrüßt, du Ruhm und Stolz des lapithischen Volkes,

Trefflicher Mann vormals, nun einziger Vogel, o Käneus!‹

Glauben erwirbt der Verkünder dem Wort. Schmerz mehrte den Ingrimm,

Und wir gedachten mit Wut, wie viele den einen erdrückten,

Und nicht standen wir ab, den Zorn mit dem Eisen zu kühlen,

Bis teils Tod sie gerafft, teils Flucht und Nacht sie entzogen.«[51]

Also vom Py'lier ward das Gefecht halbwilder Kentauren

Mit den Lapithen erzählt; Tlepo'lemus aber ertrug nicht

Schweigenden Mundes den Schmerz, daß nichts vom Alciden erwähnt war,

Und er begann: »Seltsam, daß du in Vergessenheit ließest

He'rcules' Ruhm, o Greis! Mir hatte doch öfter der Vater

Selber erzählt, wie einst er bezwungen die Wolkengebornen.«

Nestor versetzt voll Harm: »Was zwingst du mich, daß ich der Trübsal

Wieder gedenk' und erneue den Gram, den Jahre vernarbten,

Daß ich gestehe den Groll und den Hader mit deinem Erzeuger?

Zwar Unglaubliches hat er gethan fürwahr und den Erdkreis

Mit Großthaten erfüllt, die leugnen zu können ich wünschte;

Aber Deï'phobus nicht und Poly'damas mögen wir loben,

Noch auch He'ktor sogar: wer spräche zum Lobe des Feindes?

Er, den Vater du nennst, warf einst die messe'nischen Mauern

Nieder, und E'lis vertilgt' er und Py'los, die schuldlosen Städte,[52]

Und ließ Feuer und Schwert einbrechen in meine Penaten.

Aller der anderen nicht, die jener erschlug, zu gedenken:

Zwölf Neliden an Zahl, ansehnlich als rüstige Jugend,

Waren wir: alle die zwölf, nur mich nicht, fällte der starke

He'rcules. Daß er die andern besiegt, das ließe sich tragen:

Ganz absonderlich starb Perikly'menus, dem das Vermögen,

Jede beliebte Gestalt zu nehmen und wieder zu lassen

Hatte Neptu'nus verliehn, des Nele'ischen Stammes Begründer.

Der, nachdem er umsonst sich gewandelt in alle Gestalten,

Wird zu dem Vogel zuletzt, der in den gebogenen Füßen

Pfleget zu tragen den Blitz, liebwert dem Beherrscher der Götter.

Nutzend die Stärke des Aars nun hatt' er mit Schwingen und krummem

Schnabel des Mannes Gesicht und mit hakigen Krallen zerrissen;

Doch der Tiry'nthier spannt auf ihn zu sicherem Bogen;

Dann, als hoch in die Wolken hinan sich schwangen die Glieder,

Trifft er ihn mitten im Flug, wo sitzt an der Seite der Fittich.

Schwer nicht war er verletzt, doch die Sehnen, zerschnitten vom Eisen

Sind ihm gelähmt und versagen den Schwung und die Kräfte zum Fliegen.

Jählings fällt er hinab, weil jetzt unmächtig die Flügel

Nicht angreifen die Luft, und den Pfeil, da, wo er am Fittich

Leicht nur hing, drückt ein das Gewicht des getroffenen Leibes:

Oben durchstach er die Seit' und ragt' aus der Achsel zur Linken.

Meinest du noch, ich soll, was that dein Hercules, rühmend[53]

Künden, o stattlicher Herr und Führer der rhodischen Flotte?

Doch nicht weiter, als nur durch tapferer Thaten Verschweigung,

Räch' ich der Brüder Geschick: dir wahr' ich beständige Freundschaft.«

Als dies Neleus' Sohn mit gefälligem Munde gesprochen,

Ba'cchischer Trank dann wieder gelabt nach der Rede des Greises

Standen vom Polster sie auf und schliefen die übrige Nachtzeit.

Aber der Gott, der zähmt die Gewässer des Meers mit dem Dreizack,

Grollt im Vatergemüt, daß zum Phaetho'ntischen Vogel

Wurde gewandelt der Sohn, und hassend den grausen Achilles

Hegt er gedenkenden Groll viel mehr, als Männern geziemend.

Da sich der Krieg schon fast in das zehnte der Jahre gezogen,

Sprach er zum smi'nthischen Gott, dem nimmer geschorenen, also:

»O du wertester mir von allen den Söhnen des Bruders,

Der du umsonst mit mir einst Tro'ja's Mauern gegründet:

Seufzest du nicht, wenn du siehst so nahe dem Falle die Feste,

Oder beklagest du nicht die gefallenen Schützer der Mauern,

Soviel tausend an Zahl? Tritt nicht, zu geschweigen der andern,

Hektors Schatten dir nah, der um sein Troja geschleift ward,

Während der Wüterich doch, der blutiger noch als der Krieg ist,

Fortlebt, unseres Werks Umstürzer, der arge Achilles?

Kommt er mir nur, da soll er verspüren die Stärke des Dreizacks![54]

Weil mir aber versagt, in der Nähe dem Feind zu begegnen,

Laß von verborgenem Pfeil ihn wider Vermuten verderben!«

Eigenem Zorn willfährig zugleich und dem Zorne des Oheims

Sagt es der De'lier zu und gelangt in verhüllender Wolke

Rasch zu dem ilischen Heer; und mitten im Morde der Männer

Wird er den Pa'ris gewahr, der einzeln auf schlichte Achi'ver

Pfeile verschießt, und er gibt sich als Gott: »Was«, spricht er, »verlierst du

Schüsse an niederem Volk? Wenn irgend dich kümmern die Deinen,

Ziel' auf Ä'akus' Sproß und räche die Leichen der Brüder.«

Sprach's und wies auf den Sohn des Pe'leus, der mit dem Eisen

Tro'er zuhauf hinwarf, und richtend auf diesen den Bogen

Lenkt er den sicheren Pfeil mit der lebenvernichtenden Rechten.

Wessen nach Hektors Fall sich Pri'amus mochte erfreuen,

Dies war's. Du, der besiegt so treffliche Streiter, Achi'lles,

Liegest besiegt von dem feigen Entführer der gra'jischen Gattin.

Mußtest du aber den Tod doch leiden im weibischen Kampfe,

Besser, du littest den Tod von der thermodo'ntischen Streitaxt.

Schon war Phrygiens Schreck, der Pela'sger Beschirmer und Zierde,

Ä'akus' Enkel, das Haupt, das keiner bezwungen im Kampfe,

Flammen zum Raub. Der Gott, der ihn hatte gewaffnet, verbrannt' ihn.

Asch' ist er nun; und es bleibt von dem einst so großen Achilles

Kaum noch übrig genug, zu füllen die winzige Urne.

Aber es lebt sein Ruhm, der füllet die sämtlichen Lande.

Solch ein Maß entspricht dem gewaltigen Helden, und gleich ist

So der Peli'de sich selbst und fühlt nicht Ta'rtarus' Öde.[55]

Fehde erregt auch noch, auf daß jedweder ersähe,

Wessen er war, sein Schild, und um Waffen erheben sich Waffen.

A'jax leistet, der Sohn des Oï'leus, samt dem Tydi'den

Sie zu begehren Verzicht und der jüngre Atrid' und der andre,

Höher in Alter und Krieg, und die übrigen; Te'lamons Sohn nur

Wagt und Lae'rtes' Sohn um die herrliche Ehre zu werben.

Sich dem gehässigen Amt zu entziehn, hieß mitten im Lager

Ta'ntalus' Sproß zum Rat die argolischen Führer sich setzen

Und gab allen gesamt statt seiner den Zwist zu entscheiden.

Quelle:
[Ovidius Naso, Publius]: Ovids Metamorphosen. 3 Bde., Berlin 5[um 1911–1916], Band 3, S. 31-56.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Metamorphosen
Metamorphosen: Auswahlausgabe. Lateinisch - Deutsch
Metamorphosen: Epos in 15 Büchern
Metamorphosen: Lat./Dt.
Metamorphosen: Lateinisch/Deutsch
Metamorphosen

Buchempfehlung

Lohenstein, Daniel Casper von

Cleopatra. Trauerspiel

Cleopatra. Trauerspiel

Nach Caesars Ermordung macht Cleopatra Marcus Antonius zur ihrem Geliebten um ihre Macht im Ptolemäerreichs zu erhalten. Als der jedoch die Seeschlacht bei Actium verliert und die römischen Truppen des Octavius unaufhaltsam vordrängen verleitet sie Antonius zum Selbstmord.

212 Seiten, 10.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon