43. Glückselige Liebes Begegnus.

[86] Die Göttin Venus / eine Schwester der Fortunen /theilet bißweilen aus einer ihr anklebenden Leichtfertigkeit ihre Gaben offtmahls denen mit / welche sie nicht begehren; sehet eine merckwürdige Probe dessen. Ein junger wackerer Mensch / sehr gelehrt /brachte[86] durch sein bitten so viel zu wegen / daß Er einer jungen Bürgerlichen Jungfrauen / welche eine reiche Kauffmanns Tochter war / ihre Liebe abgenommen. Diese verliebte Jungfrau sahe wohl zuvor / daß ihre Eltern nimmermehr in die Heyrat willigen wurden / und da sie das Liebes-Feuer / welches sie gantz ausbrannte / nicht mehr dulten kunte / entschlosse sie bey ihr / sie wolte die Eltern darzu nöthigen / durch ein Mittel / welches wider den Gehorsam ist / den die Kinder denen schuldig sind / die sie auf die Welt gebracht. Sie truge ihrem Liebsten vor / er solte sie des andern Tags besuchen / Abends umm 11. Uhren / sie wolte ihn heimlich in ihre Kammer führen / aber alles unter dem Ehe versprechen. Der junge Gesell / welcher nichts bessers verlangte / auch keine bessere Gunst begehren kunte / verwilligte darein / und damit Er nicht er manglen möchte auf die bestimmte Zeit zu kommen / versteckte Er sich unter eine Banck / bey seiner Liebsten Thüre / ungefehr um zehen Uhren /und wartete also[87] seiner Zeit. Als er aber in diesem Zustand war / hörte er ein grosses Geschrey / und das Klingen der Degen / welches die jenige machten / die den Flüchtigen nachjagten. Er furchte sich / und vergaß schändlich seiner Ernde / welche er im Frühling seiner Liebe schon einnehmen solle / oder er wolte sie biß auf den andern Tag verschieben / verliesse seinen Ort / und flohe davon. Ein anderer guter Kerl / deme die Furcht auch gleiche Sporn / wie dem ersten gegeben / flohe diesen Streit / und verbarge sich eben an selbigem Ort / welchen der flüchtige Liebhaber verlassen. Als nun dieses Ungewitter vorüber war / und er sich wieder auf seine Füsse machen wolte / hörte er die Thür leise aufmachen / und sahe eine andere Venus / welche nicht aus dem Wasser / sondern von ihrem Bette kam / welche ihme einen schnee-weissen Arme darreichte / und bate / er solte ohne grosses Geschrey hinein gehen. Er gehet hinein / und siehet eine Jungfrau im Hembd / die ihn bey der Hand nimmet /und in ihre Kammer[88] führete / nach dem sie die Thür wieder zugemacht / und sich liederlich wieder niedergelegt. Dieser Mensch war so voll Freuden / daß Er nicht reden kunte / (dann es war auch nicht redens Zeit) und wuste nicht / ob Er wachte oder schlieffe /erholte sich wieder auf Bitten dieser schönen Jungfrauen / er solte sich ausziehen / und sich erinnern /daß sie sich nicht anderer gestalt auf Discretion ihme untergeben wolle / als umb ihre Eltern zu nöthigen /daß sie die Heyrat zulassen möchten. Er gehorchte /und liesse sich nicht bey den Haaren dazu ziehen /sondern bauete einen Garten / der einem andern vermeynt war. Den ersten Angriff that Er ohne Trompeten schall: Die Schöne aber bezeugte mit Umbarmen in der That und in Worten / die Ubermaß ihrer Liebe /hiesse ihn auch schon ihren Mann. Dieser Vogel sagte nichts / aus Furcht / die Stimme möchte ihn verrathen / oder es dürffte sonst der Sturm abgeschlagen werden. Er kommet nochmal auf die Brosche / unn hätte geschrien:[89] gewonnen / wann seine Rede nicht straffbar wäre gewesen. Die junge Dame war froh / daß sie einen so guten Gespan erwählet hatte / und nöthigte ihn zu reden. Aber er antwortete nicht anders / als mit Küssen / und machte sich zum dritten Sturm fertig: darnach gab er sich zu erkennen / und sagte zu ihr: Meine liebste Junge Frau / es ist leicht zu mercken /daß ihr diese süsse Anweisung einem andern Freund gegeben habt / welcher durch seine Abwesenheit derselben sich unwürdig gemacht. Die arme Dame starb schier vor Unmuth über dieser Rede / fiele in ihre Haare / und fienge so bitterlich an zu weinen /daß dieser junge Kerl sich darüber sehr erbarmet. Und wer hätte ein solch Hertz von Felsen gehabt / der nicht Mitleiden mit ihr gehabt hätte / von welcher Er so sonderliche Liebe genossen. Derohalben bemühet er sich / weil er von gutem Verstand war / sie zu trösten / Er wuste ihr auch so artlich zu erweisen / daß nach geschehenen Dingen kein Mittel mehr übrig sey / und schwuhr ihr so sehr / er[90] wolte nichts davon offenbaren / daß sie endlich aufhörte zu seuffzen. Als Er nun sahe / daß sie wieder gestillet / sonst aber sehr schön war / wolte Er den Scharmützel wieder anfangen / aber er fande viel grössern Widerstand / als im Anfang. Endlich ergab sie sich auf sein Versprechen /und ließ ihm die gantze Beut biß am Morgen; Sie schieden endlich auf Befehl der Morgenröthe nach tausend Umbarmungen von einander / die Dame / um ihn desto mehr in dem Eyd auf das Stillschweigen zu stärcken / verehrte ihme eine schöne guldene Kette /und einen Beutel halb voll Ducaten. Wiewohl er für seine sanffte Arbeit wohl belohnet wurde / gieng er doch mit mercklicher Reu von ihr / und liesse sie in sanffter Ruhe. Den andern Tag entschuldigte sich der ander / mit der grossen Gefahr / welcher er glücklich entrunnen / so bald er sie allein antreffen kunte / er kunte sie so artlich beschwätzen / dann sie stellte sich sehr erzürnet / daß sie ihm endlich umb eilf Uhren wieder ankommen liesse. Ich kan nicht[91] sagen / ob er gemercket hat / daß ein Rauber im Garten gewesen /welcher den ersten Knopf abgepflücket: Ich will noch weniger sagen / ob er ein besserer Gärtner / als der erste gewesen. Dieser heyratete sie endlich etliche Monat hernach mit Consens der Eltern / weil der Garten nicht unfruchtbar war.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 86-92.
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