45. Ein Schimpff / welcher einem geitzigen Liebhaber angethan wurde.

[93] In einem Land / welches ein Arm vom Rhein befliesset / welches auch Käyser Karl der Fünffte mit den Niederlanden vereiniget / trug sich ungefehr Anno 1626. diese kurtzweilige Geschicht zu. Ein junger Baur von den reichesten im Dorff / liebte ein Mägdlein / welche mit Gaben der Natur mehr als mit Gaben des Glücks geziert war; Dieses Mägdlein / welches Hirn im Kopf hatte / trachtete / wie sie diesen Vogel auf ihren Herd bringen möchte / daß er nicht wieder davon dürfte / sondern bey ihr zu Hauß bleiben muste / gebunden mit den Banden / welche allein der Tod zerreissen kan: wuste ihn dermassen einzunehmen /und zu bereden / daß er glaubte / in was für Noht die Liebe sie gebracht / und ihr Erbieten[93] anzunehmen /daß sie ihn umb bestimmte Zeit in ihre Kammer / ja gar in ihr Bett lassen wolte. Er stellte sich ein / nahm aber nichts vor / aus Mangel des Hertzens / oder vielmehr / weil er mehr geitzig / als verliebt war. Doch war Er so behertzt / daß Er sich zu dem Bett machte /Sie reichte ihme die Hand / er vergnügte sich aber mit einem Kuß / griffe ihr an die Brüst / und sagte / weiters wage er sich nicht / dann das Brod wäre sehr theur / und würde viel kosten / ein Kind aufzuziehen. Das Mägdlein verdroß ein so grober Schimpf / und da sie sahe / daß Er die Stiege hinab gieng / machte sie sich im Grimm auf / welches man leichter bey sich erachten / als beschreiben kan / und giebet ihm einen Stoß mit dem Fuß / daß Er die Treppe hinab fiele /und durffte die Staffeln doch nicht zehlen. In dem Gerümpel vom Fallen erwachten ihre Eltern / und fragten / woher solches komme: Er schrecket nicht / sagte sie überlaut / es ist die Theurung. Diese artliche Antwort wurde in allen umbliegenden Dörffern[94] bekandt / und wurde ein Lied darauf gemacht. Der junge Dölpel wurde aber so sehr ausgelacht / daß er nicht mehr zu seines gleichen kommen durffte. Das Mägdlein aber bekam noch eine bessere Heyrath / als mit ihme.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 93-95.
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