18. Von einem Frantzösischen Edelmann / der ermordet wurde in einem von den schönsten Orten in Holland.

[72] Die zu Hofe gewesen sind / und wieder davon sind kommen / sagen / es sey ein Meer voller Lust / aber auch voller Felsen und Stein / welche mit dem besten Wind die beste Schiffe bekommen. Das Glück ist der Wind / der das Schiff treibet / die Sandbäncke sind der Neid / der verursachet die Zerscheiterung / sonderlich wann das Schiff nicht mit Tugend wol verpichet ist. Sich nun darinn wohl zu halten / muß man alles ausstehen / alles verschmertzen / und dem Raht des Dædali folgen: Wieviel sind gewesen / die schon biß zum Einlauf des Flusses kommen sind / Vorhabens hinein zu steigen / die sich aber wieder zuruck begeben haben / wie der Fuchs / der den krancken Löwen eine Visite gegeben? Aber damit wir nicht davon reden wie ein Blinder von der Farb / und die Hofleute nicht erzürnen[73] mögen / wie der unwissende Redner gethan / der von dem Krieg von Hannibal geredet. Wollen wir die Historie von einem vornehmen Hoffmann anfangen / wie derselbe gefallen: wollen uns aber nicht der verborgenen Ursachen seines Unglücks annehmen: Man kan auch nicht von diesen grossen Meer reden / wann man nicht den gesaltzenen Lufft desselben gekostet / denen aber / die nichts als Holtz und Gebirge gesehen / stehet das Stillschweigen wol an. Dieser Herr nun / von welchem wir reden / war lange Zeit bey den vornehmsten Herrn einem in Franckreich in Gnaden / die er aber dadurch verloren; weil Er sich in seines Herrn Sattel setzen wollen! wann er nicht den Schlüssel zu dem freyen Feld geschwind erwischt hätte / wäre er damahl in Gefahr gestanden Schiffbruch zu leiden. Von dannen kam er in Holland; Wie er nun ein trefflicher Hoffman war: also brachten ihm seine Meriten / und sein Herkommen nicht allein die Gnade des Fürsten von Oranien / sondern auch[74] aller der jenigen zu wege / die auf diesen lustbarem Welt-Meer walleten / unter dem Fahne dieser blinden Göttin. Er war vollkommen / von einer mehr hohen / als mittelmässigen Statur / und hatte keinen Mangel an einer Eigenschafft / die einen Menschen über die andere bey wackern Leuten angesehen machen. Er hatte ein Krakel mit einem jungen Fürsten / und sie wurden alsbald gescheiden / aber die Empfindlichkeit gienge gar zu tieff dem Fürsten zu Hertzen / daß er sich nicht so geschwind zu frieden stellen kunte. Er liesse ihn einsten auskundschafften / und erdappete ihn / da er eben von dem Frantzösischen Ambassador herkam / mit seinem Obersten / dann Er war Major im Regiment / und solte des andern Tags verreisen / sich zu seinen General zu verfügen. Er wurde von 5. oder 6. Personen angegriffen / mit grossem ungestümm / Er gienge immer zu ruck / und parierte; Nachdem er aber von seinem Obersten verlassen war /wolte er in ein Hauß fliehen umb der grossen Gefahr zu entgehen.[75] Man machte das Hauß zu / und alle Burger in derselben Gassen thäten deßgleichen / lieffen an das Fenster / und wolten sehen / wie dieser Handel folgend ablauffen würde. Der Frantzoß / deme an Geschicklichkeit und Hertz nichts mangelte / und sich liederlich schluge / da Er die Partey ungleich befunden / ruffte Er dem Fürsten zu: Es wäre genug zwey über einem / und begehrte Quartier / aber vergeblich. Er sprach: Du must sterben! Er war schon hart verwundet / und hatte sich dapffer gewehret. Da bekame er einen harten Stoß / (wie etliche Zeugen / die es gesehen / aussagen) zwischen den Ruckgrad / der durch und durch gienge. Darauf rieffe er mit lauter Stimme: Grosser Gott! sey meiner armen Seele genädig! Nach diesem Stoß stritte er noch biß hin an den Marckt / da fiel er vor den gulden Kopf auf einen hauffen Kräuter / dann der Verlust des Geblüts und seine Wunden schwächten ihme seine Kräfften. Nach dem er gefallen war / bekame er noch zween Stöß / einen[76] in Leib /den andern in das Gesicht.

Er hatte noch so viel Kräffte sich wieder aufzurichten / und warff die Augen auf den jenigen / der ihme den letzten Stoß gegeben: Darauf starb er gleichsam mit Verwunderung. Die auf dem Marckt waren / da sie solch eine Procedur sahen / rieffen: Ein Mörder! über solchem Geschrey lieffen die Fleischhacker zu /und wann sie hätten den Fürsten und alle die bey ihm waren / erdappen können / hätten sies in Stücken zerhauet: So mitleidig ist das Volck daselbst / wann sie eine grausame und unbilliche That sehen. Diese Procedur wurde sehr übel aufgenommen. Endlich wurde der Fürst bezwungen / seine Sicherheit anderswo zu suchen / und die Frantzosen / die ihme den Tod geschworen / die gaben ihme denselben auch / aber in dem Bette der Ehren / in einer Schlacht / welche die Spanier verlohren. Sehet wie dieser wackere Frantzösische Herr sein Leben geendet / der dasselbe besser in Eroberung der[77] Niederland hätte anwenden können /seinem Herrn zu Dienst / und dem gantzen Königreich zu Nutzen.

Quelle:
Parivall, J[ean] N[icolas] d[e]: Sinnreiche / kurtzweilige und Traurige Geschichte [...]. Nürnberg 1671, S. 72-78.
Lizenz:
Kategorien: