Von Schimpff das 250.

[158] Von Milo, wie er starb.


Valerius Maximus, deßgleichen vil andere Historiographi und Aristotiles schreiben von einem Man, der hieß Milo, der was ein Jünger Socratis, der was so starck, das er ein Ochsen uff seinem Hals trůg und einsTags 30 Meil mit lieff und den Ochsen mit flacher Hand zů Dot schlůg, und den Ochsen uff einmal aß. Und da er alt ward, da gieng er durch ein Wald, da lag ein eichner Baum, da het ein Buer eichne Speidel daryn geschlagen. Da wolt der Milo sein Stercke versůchen und thet beide Hend in den Spalt und wolt den Baum von einander reissen. Da sprungen die Speidel heruß, und schnalt der Baum zů und ergreiff im beide Hend, und er bleib also gefangen. Da kamen die wilden Thier und frasen in.

Sihe Franciscum Petrarcham an De remediis fortune lib. 1, cap. 5. Da fragt Aristotiles, wan man das Mittel solt sůchen, wie vil einer essen solt. Seine Jünger meinten, Milo solt herabgangen sein und den halben Ochsen haben gessen, und der ander, der so wenig aß, der solt uffgon, das er den andern halben Ochsen het gessen, das wer das Mittel gewesen. Da sprach Aristotiles: ›Nein, nit also. Das Mittel sol in der Vernunfft funden werden, das ein jeglicher Mensch nem Speiß und Tranck, als vil im Not ist zů seiner Uffenthaltung. Das, das einem zů wenig ist, das wer einem andern zů vil; ein Hantwerck můß auch me gessen haben dan das ander, ein Gerwer můß me essen dan ein Schneider, wan er in dem Wasser werckt. Darumb sůch jederman sein Mittel.‹ Wer von dem Fraß wolt schreiben, der mächt wol ein eigin Bůch darvon, und ist die war Geschrifft.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 158-159.
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