Von Ernst das 253.

[161] Nieman sol essen on das Benedicite.


Sanctus Gregorius schreibt in Dialogo von einer Klosterfrawen, die aß ein Lattichblat on das Benedicite, oder on das heilig Crütz, da für der Tüfel in sie; deßgleichen vil ander. Wir finden in der Geschrifft, die besessen sein worden, das sie es ongesegnet haben gessen. Darumb so leren euwere Kind vor dem Essen betten mit Worten und mit Wercken, thůn es auch selber! Wan in moralibus so bewegen me die Exempel dan die Wort. Zů dem minsten ein Paternoster oder den Namen der Heiligen Dreiheit (In nomine patris et filii et spiritus sancti amen) oder den Tittel an dem heiligen Crütz (Jesus Nazarenus ein Künig der Juden) oder Jesus nennen, so möcht euch nit Schedlichs widerfaren. Aber ir beschammen euch über den Tisch zů betten; gleich als ein Sau zů dem Trog, zů dem Mul zů, und thůn die Wamisch uff und die Gürtel und rumen den Sack, den Buch, das vil daryn gang. Es wer besser, du gürtest dich eng zů, wan du über den Tisch giengest, und essest dich vol, und wan man gessen het, thetestu dan den Gürtel wider uff; so werstu nit zů vol und wer dir eben recht. Versůch es doch einmal umb der Gesellen willen! Es fert doch einer umb der Gesellen willen gen Baden, oder laßt sein Blůt in einer Geselschafft. Aber wir machen die Ermlen uff und wetzen die Messer und rüsten unß über den Tisch, als wolten wir ein Ochsen schinden. Deßgleichen ob dem Tisch betten und Got dancken umb die Speiß, die er unß beschert hat, und nit darvon lauffen eben als ein Sau von einem Eichbaum, die nur lůgt, wa die Eichlen sein, und hebt nimer kein Aug uff, das sie den Baum ansehe, der ir die Eichlen gibt. Ja wol wir das Gratias betten; ja vor keinem Fürsten, dy sich grose Herren duncken, darff man kein gantz Gratias betten, als nur drü oder fier Wort.[161]

Was ist euwer Leyen-Gratias, wan ir ein Hochzeit haben? Wolan, Pfeiffer, schlag uff, mach bumerlin bum, bumerlin bum! so man dan umher fert wie die Juden umb das Kalb, da sie zů vol waren; wan mit nichterem Buch ist nit gůt dantzen. Was ist unser Priester-Gratias, wan wir etwan beieinander sein uff einem Jarzeit oder in einem Capittel und wir die Presentz haben empfangen, und wan man dan das Pro defunctis gebet hat? Gerat es wol, so kumpt einer daher, der bringt zwo Blatten ůber einander gestirtzt; und wan man sie uffhebt, so ligen drü oder fier Kartenspil darunder, und etwan 10 oder 12 Wirffel. Das sein ire Brevier, und spilen umb die Presentz, wer sie gantz nem, als die Juden umb den Rock Christi spilten. Das ist unser Gratias. Hüten euch!

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 161-162.
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