Von Schimpff das 34.

[27] Wie einer der Narren spottet.


Es regnet uf ein Zeit, und alle, die der Regen anrürt, die wurden alle zů Kinden und zů Narren und triben Kinderspil und Narrenwerck. Es füget sich, das ein witziger Man da fürgieng und sahe, das die alten Lüt also Narrenwerck triben, als sie nackent lieffen und ritten uff Stecken und dergleichen Narrenwerck triben, und er achtet sie alle für Narren. Sie achteten in auch für ein Narren und lachten sein und schruwen über in und schlůgen die Hend zůsamen. Er fragt sie, wie sie darzů kummen weren, das sie also zů Narren weren worden. Die Narren sagten es im und sprachen: ›Es hat geregnet, und uff wen der Regen kumen ist, der můß also Kinderspil und Narrenwerck treiben.‹ Der weiß Man fragt sie, ob man nit des Regenwassers me finden künt. Da sprach der Narren einer: ›Nein.‹ Da sprach ein anderer Nar: ›Ja, da in dem Grüblin ist desselbigen Regenwassers.‹ Da legt sich der Witzig uff den Bauch nider und stieß das Maul in das Grüblin und tranck darauß, und darnach greiff er mit der Hand in das Grüblin und guß im des Wassers uff das Haupt und zwůg im selber darmit. Und gleich was er auch ein Nar worden und treib auch gleich Narrenwerck und Kinderspil.

Also mag das Exempel zů vil geistlichen Dingen gezogen werden, da einer jetz etwan Laster hasset, und bald darnach so treibt er die Ding auch und lert es von denen, bei denen er wont. Es kumpt auch offt, das die bösen Narren die gůten Narren schelten, darumb das sie inen nit gleich wollen sein; das sollen sie gern leiden. Es spricht Sanctus Paulus: (1. Corinth. 3. Si quis vult sapiens esse in hoc seculo, stultus fiat, ut sit sapiens.) ›Wer da wil witzig sein in diser Welt, der werd ein Nar, uff das er witzig sei.‹

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 27-28.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Schimpf und Ernst
Sinnreiche Und Unterhaltende Geschichten Aus Frater Johannes Pauli's Schimpf Und Ernst
Schimpf und Ernst