Von Schimpff das 40.

[31] Der Seilgenger fiel, der Narr weint.


Deßgleichen thet auch ein Nar. Es was einer, der wolt gaucklen und uff dem Seil gon; wan er het vil Geltz mit uffgehebt. Uff einmal wolt er der Gemein zů Letz ein Stück schencken on Gelt; es dorfft niemans nichtz geben. Er het das Seil über die Gassen gespandt von einem Hauß zů dem andern. Der Obentürer treib sein Gefert und sprang uff dem Seil, je wy er die Sach übersahe, das er überabfiel und fiel fast übel. Und es lacht alle Welt und spottet sein, wie man dan thůt, wan ein felt, ußgenumen ein Nar, der auch da stůnd; der weint, das ein Trehen den ander schlůg. Man sprach zů im: ›Wie ist das ein Sach? Alle Welt lacht, und du weinst.‹ – ›Ja‹, sprach er, ›solt ich nit weinen? Man heiset mich ein Narren, und bin ich witziger, dan der ist. Got hat dem Menschen das Ertreich geben, das er daruff sol gon, und der wil in dem Lufft gon. Darumb wein ich.‹

Darumb sprach David (Psal. 113. Celum celi domini, terram autem dedit filiis hominum etc.)

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 31.
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