Von Schimpff und Ernst 44.

[33] Der Nar verbrant sein siechen Herren.


Es ist geschriben für ein Warheit, das da ist gewesen ein Edelman, der ein Fogtei erkaufft hat, vil Dörffer und Stetlin, als etwan die Herren im Land versetzen. Der Edelman nam das Land yn und ließ es im schweren von einem Dorff zů dem andern, und war er kam, da eerten in die erber Lüt und schanckten im Gaben, und einer dis, der ander yens. Nun het der Her ein Schreiber bei im, der zeichnet ire Namen uff mit iren Gaben. Die erber Lüt waren fro, das er es uffschreib, und meinten, er thet es darumb, das er es nit vergeß, und erkanten in in Danckbarkeit gegen einem jeglichen, und ye einer sagt es dem andern, und wolt keiner der minst sein. Das was aber nit; was man im zů dem ersten gab, das wolt er für ein Recht haben und für ein Gewonheit; darumb ließ er es auch uffzeichen. Er befalh auch seinen Schaffnern und Knechten, das sie das ynzügen und forderten von[33] einem jeglichen, wie er es uffgeschriben het. Es fügt sich uff ein Zeit, das der Edelman kranck ward, und het der reichen Lüt Siechtagen, wiewol vil armer Menschen denselbigen Siechtagen auch haben, das Podagra, das er ein Drit nit gon mocht, und ließ im ein Bet bereiten bei einem Kemmet, da man ein Feür macht, als in den Landen, da etwan kein Stuben sein.

Der Edelman het ein Narren, der in etwan zů lachen macht und im kurtzweilig was. Und uff einmal, da niemans daheiman was und ein Füer in dem Herdt was, da fieng der Nar an zů schimpffen mit dem Feür und legt Strau hinzů, und zůletzt von dem Feür zů dem Bet und zünt es an. Der Edelman fieng an zů schreien und sprach zů dem Narren: ›Nar, lesch das Feür! Wiltu mich verbrennen?‹ Der Nar wolt es nit thůn und sprach: ›Ich wil es nit löschen.‹ Der Edelman sprach: ›Warum wiltu es nit löschen?‹ Der Nar sprach: ›Darumb. Wan ich es jetzund läscht, so woltestu es für ein Gewonheit haben, und müst es morgen aber löschen. Das ist das Wort deiner armen Lüt: wer dir einmal het geben, der muß es dir alwegen geben.‹ Also kam das Feür in das Bet, und verbrant der Edelman in dem Bet.

(Sapientie 11) Warin einer sündet, darin soll er büssen. Das hat Got der Her gethon durch den Narren, als Seneca spricht in einer Epistel zů Sancto Paulo, das Got der Her etwan durch ein Narren redet. Also sagt dem der Nar, das sein böse Gewonheit ein Ursach wer, das er hie leiblich solt verbrent werden und dort ewiglich.

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 33-34.
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