Von Ernst das 469.

[275] Sant Bernhardin bewert das Fegfüer.


Doctor Felix Hemmerlin schreibt De occasione boni et mali, wie Sant Bernhardin ein Barfůser, der canonisiert ward, da man zalt 1450, der kam uff einmal mit seinen Brüdern in ein Stat in dem Welschen Land, da was kein Barfüserkloster in. Nun was das sein Gewonheit, wa er in ein Stat oder ein Dorff kam, da gieng er zů dem ersten in die Kirchen. Und da er also bettet in der Kirchen, da kam ein reicher Burger zů im und bat in, er solt zů Nacht sein Gast sein und seine Brüder. Er nam es an. Und der Burger lůd im zů Eren ander Nachburen, die brachten Essen und Trincken mit inen. Und da man nun gessen het, da fieng Sant Bernhardin an zů predigen ein kurtze Collatz zů einer Selenspeiß. Und da sie uß was, da stůnd der Wirt in dem Huß uff, und stůnd für den heiligen Man und sprach: ›Geistlicher Vatter, mir ist ein Brůder on Leibßerben abgangen, und hab dis Huß mit seinem Gůt ererbt. Was müst ich im nachthůn, das sein Seel erlößt würd?‹ Sant Bernhard sprach: ›Heb dein Finger da in das Liecht!‹ Er thet es, aber er hielt in nit lang darin, dan es brant in, und zögt in Sant Bernhard. Sant Bernhard sprach: ›Was wolten ir nemen und wolten den Finger drei Stůnd in dem Liecht halten?‹ Er sprach: ›Ich wolt nit alles Gold und Silber nemen, das uff Ertreich ist.‹ Sant Bernhard hieß in den Finger wider in das Liecht heben. Er thet es, da brant es in nit; und da er in lang darin hielt, da hieß in Sant Bernhard den Finger wider herußthůn, und fragt in, ob er in auch gebrent het. Er sprach: ›Nein, es hat mich jetz nit gebrent.‹ Da sprach Sant Bernhard:[275] ›So gewarlich euch das Liecht zů dem ersten hat gebrent und darnach nit, so gewarlich wil ich euch sagen, wie es umb euwern Brůder stot. Er ist in dem Fegfeüer, das ist also heiß, wan man ein Amboß daryn würff, so zerschmültz er in einem Augenblick; dis Feüer hie möcht kum ein Nadel zerschmeltzen. Und euwer Brůder hat das Gůt unredlich gewunnen, und von den Gnaden Gottes ist er zů dem letzten zů der Penitentz kumen. Darumb keren das unfertig Gůt wider! Das ist im zů dem besten.‹

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 275-276.
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