Von Schimpff das 108.

[73] Jurista, ein Haß machet Ferß und het auch Penssion.


Es kam auff einmal ein Haß zů einem Lewen als zů seinem Künig und sprach: ›Her, ich bin zů Paryß uf der hohen Schůlen gestanden und hab verstudiert, was ich hie und daheimen hab, und bin ein gelerter Gesel. Ich beger, ir wöllen mir ein Dienstgelt, ein Pension oder ein Wartgelt geben, das ich Narung mög haben; wan ein Künig gelerter Lůt bedarff und besunder Juristen und Redner.‹ Der Lew sprach: ›Du sagst recht. Ich[73] wil aber dich vor beweren, ob du gelert seiest und was du gestudiert habest. Darumb so kum mit mir in die Welt!‹

Da sie nun also durch den Walt giengen, da sahen sie ein Jeger, der het das Armbrust gespannen und wolt entweders ein Fuchs oder ein Beren schiessen, die er bei einander sahe. Der Fuchs der lieff und sprang hin und her und bleib nit an einem Ort stil ston. Der Ber gedacht an sein Stercke und meint, er wolt den Jeger einsmals zerreissen und sprang gegen im. Der Jeger truckt das Armbrust uß und traff den Beren an das Hertz, und was gleich dot. Da sprach der Lew zů dem Hasen: ›Nun mach mir ein latinisch Verßlin daruff, und mach mir es darnach zů tütsch!‹ Der Haß der was behend da mit seinem Bůch und schreib daryn:


Valet plus ad ictum mortis

Esse sapiens quam fortis.

Weißheit weit fůr Stercke godt,

So mit unß schirmen ist der Dodt.


Der Lew lobt die Verßlin, und gefielen im wol. Sie kamen in ein Stat; da sahen sie ein Herren, der het zwen Knecht. Und was der Her den einen Knecht hieß, das thet er alsamen, und was er den andern Knecht hieß, das wolt er nit thůn und flůcht dem Herren übel und gab im stoltze Wort. Der Her ließ denselben Knecht übel schlagen und jagt in von im und gab im Urlaub. Da sprach der Lew zů dem Hasen: ›Davon mach mir auch ein Verßlin zů latin, und darnach mach mir es auch zů tütsch!‹ Der Haß der was behend da mit seinem Bůch und schreib daryn:


Multum melius est tacere

Quam male respondere.

Besser Schweigen ist fürwar

Dan ůbel Antwurt geben zwar.


Der Lew erhůb und macht groß das Verßlin. Zů dem dritten kamen sie in ein Dorff, da sahen sie, wie ein Buer zwen Ochsen zůsamenwettet under das Joch und wolt zů Acker gon und band inen ein Burde Heu uff die Kopff. Der ein Ochs trůg sein Hewlin, sein Speiß mit Gedult. Der ander Ochs murmlet wider den Buren und sprach: ›Was sol unß so wenig Heu! Es mag doch unß nit ersettigen und die Büch füllen. Ich wil sein nit,‹ und warff es von im. Da es nach mittem Tag was worden, und zů Acker waren gangen, da aß der Bauer zů Abent und gab dem Ochsen sein Hewlin auch, das er sich damit erlabte, als er auch thet. Der ander Ochs het nichtz sich zů frischen und zů stercken und můst in dem Pflůg ziehen biß Nacht. Er lag, das er starb. Der Lew sprach: ›Davon[74] mach mir ein Verß zů latin und zů tütsch!‹ Der Haß schreib behend in sein Bůch also:


Melius est possidere

Parvum quam nihil habere.


Besitzen etwas besser ist

Dan nichtz haben zů aller Frist.


Der Lew sprach zů dem Hassen: ›Du bist recht und wol gelert und hast dein Zeit nit verloren. Da nim die Pension und das Gelt! Du bist sein würdig.‹ Und macht im auch ein Verßlin also:


Qui vult esse sublimatus,

Prudens fiat et sensatus.


Der hoch daran wil sein hie uff Ert,

Der lůg, das im vil Weißheit werd.


Darumb so sol man gelert Lüt ziehen und sie uffbringen; wan vil sein, die Klöster buwen, Korn, Gült, Wein, Pfenniggelt kauffen; es ist gebauwen. Wan man aber nit gelert Lüt bauwet, die das alles in Wesen behalten, so ist es umbsunst. Darumb der best Bauw ist gelerte Lüt bauwen.

Es schreibt Franciscus Petrarcha von einem Fürsten, der hasset gelerte Lüt und schwůr dazů, das er tausent Guldin wolt geben, das kein gelerter Man in seinem Land wer und nie keiner daryn kummen wer. (O vox saxei pectoris!) – Er schreibt darnach von einem andern, der hieß Lucinius, der hasset auch gelerte Lüt, als von im geschriben stot, so nent er gelerte Lüt, sie weren Gifft und ein offenlicher Schaden des gemeinen Nutz. Aber durch sein Grobheit und Bürischeit, wan er ein Buer was, so ist er entschuldigt, und wan er schon ein Keiser wer worden, so wer er dannocht von bürischer Art gewesen. Wan als Flaccus spricht: (Fortuna non mutat genus. Franciscus Petrarcha, De librorum copia, dialog. 43).

Quelle:
Johannes Pauli: Schimpf und Ernst. Teil 1. Berlin 1924, S. 73-75.
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