16. Tiridates an Sulpicien.

[74] (Im vorigen eingeschlossen.)


Nikomedien, im Mai 301.


Meere und Länder trennen uns! Zwei unendliche Monate dehnen sich zwischen dem letzten glücklichen Augenblicke meines Lebens, und den unerträglichen Stunden, die ich hier Pflanzen gleich verträume! Was ist das Daseyn ohne dich? Was ist das bedeutungslose Athmen einer Luft, in der dein Hauch nicht schwimmt, der langweilige Verkehr mit Menschen, von denen Keiner dich kennt, Keiner deine Göttergestalt gesehen, Keiner je das Glück gefühlt hat, den Ton deiner Stimme zu hören? Sulpicia! Nur die Aussicht auf das Ziel, das meine angestrengtesten Kräfte jetzt zu erreichen streben, die Hoffnung auf die Befriedigung der edelsten Leidenschaften, deren die menschliche Brust fähig ist, gibt mir Stärke, hier auszuhalten. Was sonst als dies kann mich hindern, zurückzueilen, und in deinen Armen, an deiner Brust die Wonne der Götter zu fühlen? O der Anblick deiner Reize, der Wohllaut deiner Stimme wird mit dem Leben nicht zu theuer bezahlt!

Und all' diese Fülle von Seligkeit wird mein seyn! Keine Macht der Welt, keine unwürdigen Bande, kein Bestreben niederer Eifersucht wird mir deinen Besitz streitig machen. Mein Arm wird den Thron meiner Väter erkämpfen, und ich werde ihn nur besitzen, um ihn[74] mit dem schönsten Weibe der Erde zu theilen. Dann, Sulpicia! dann wird dein Geist seinen angebornen Platz behaupten, und dein königlicher Sinn in königlichem Wirken sich beglückt und beglückend fühlen. O eilt, eilt ihr Stunden! Steige früher, Titan, aus dem Flammenmeere, stürze dich früher in Thetis Arme, und beflügle den trägen Gang der Zeit, bis der helle Augenblick naht, der allein den Namen des Lebens verdient!

Ich schwärme, Sulpicia! meine Pulse fliegen, mein Blut kocht, mein ganzes Wesen entzündet sich bei dem Gedanken dieses Glücks. Dann bist du mein! und all' der unendliche Liebreiz deiner Gestalt, diese zauberischen Formen, diese anmuthigen Bewegungen, dieser Ton der Stimme, der in den innersten Tiefen meines Herzens wiederhallt, sind mein – mein ausschließliches, unbestreitbares Eigenthum! Laß mich abbrechen, laß mich ruhiger werden, sonst kann ich unmöglich den Brief endigen, und dir sagen, was du zu wissen brauchst!

Ich habe deinen Brief erhalten. Welche düsteren Bilder, welche quälenden Vorstellungen beunruhigen dich, meine Geliebte! Fürchte nichts, nichts für unsere Liebe, nichts für mein Leben! Den Gefahren der See reise bin ich glücklich entgangen. Mehr als einmal drohte der Sturm unser Schiff an Felsen zu zerschellen, er durfte nicht. Der Glückliche, der zur Wonne der Götter in deinen Armen bestimmt ist, durfte sein Grab nicht in den dunkeln Fluthen finden, und kein Pfeil wird diese Brust treffen, in der dein Bildniß lebt. Diese Zuversicht steht fest in mir; mir ist, als könnte ich den Zufall[75] kühn herausfordern, und versichert seyn, daß seine ganze Tücke nichts gegen mein Glück vermögen wird. Du liebst mich, Sulpicia! du hast mich gewählt. Aus fernen Weltgegenden hat uns das Schicksal zusammengeführt, unsre Wege, die so verschieden lagen, vereinigt, mir in Cäsar Galerius einen Freund geschenkt, der das einzige Hinderniß unserer Vereinigung, deine Verbindung mit dem schwachen Serranus, zu heben vermag. Diocletians Politik macht ihn meinen Absichten geneigt, die Armee ist voll des besten Willens, in Armenien sind meine Freunde thätig gewesen, mein Volk liebt mich, es liebt nicht mich allein um meiner selbst willen, es segnet und ehrt noch die Wohlthaten und weise Regierung einer langen Reihe von Vätern in dem letzten Sprößling des edlen Stammes. Das persische Joch hat auch den Nacken der einst Mißvergnügten nun wund gedrückt, sie werden sich mit meinen Freunden vereinigen, sie werden viel – Alles wagen. Sage mir, Sulpicia! wo ist nun ein Grund zur Furcht für uns? Muthig, meine Geliebte! O laß mich die freudige Zuversicht, die meine Brust erfüllt, auch in deinen zarten Busen gießen, und dir Kraft ertheilen, das Einzige, was wir zu fürchten und zu tragen haben, die Qualen einer langen Trennung, standhaft zu erdulden.

Agathokles ist nun auch mit mir in den Strudel des geschäftigen Lebens hineingezogen. Ich glaube, es ist sehr gut für ihn; denn die Muße ließ seinem kräftigen Geiste zu viele Freiheit, in sich hinein mit verderblicher Gewalt zu wirken. Er hat Calpurnien mehr geliebt, als sie vielleicht glaubt; dennoch hat er in der Ueberzeugung,[76] daß er nie glücklich mit ihr werden könnte, die Kraft gehabt, sich von ihr loszureißen. Ich weiß nicht, was ich mehr bewundern soll, diese Standhaftigkeit oder jene Grille. Genug, es hat ihn einen schweren Kampf gekostet, aus dem sein besseres Ich, wie er es nennt als Sieger hervorging. Das hat er mir auf der Reise gestanden, so wie auch das, daß die Erinnerung an seine erste Geliebte in den gewohnten alten Umgebungen wieder lebhafter geworden ist. Er hat von Neuem Nachforschungen nach ihr angestellt, und der Eifer, mit dem er diesem Phantom nachstrebt, und die schöne Wirklichkeit von sich stößt, scheint mir ein neuer Beweis, wie nöthig ihm Zerstreuung und thätige Geschäftigkeit ist, die ihn aus den Regionen der Phantasie in die Gegenwart einführt. Dennoch liebe ich ihn herzlich, und fürchte mich auf unsre nahe Trennung; denn ich gehe zum Cäsar Galerius, der das Centrum kommandirt, und Agathokles als Centurio zu Demetrius, auf unsern linken Flügel.

Du aber, meine Geliebte, meine unaussprechlich theure Freundin! beruhige dich, entferne die düstern Bilder, die dein schönes Gemüth quälen! Die Götter werden, sie können uns nicht trennen. Was auch niedrige Menschen beginnen mögen, was sie ersinnen, um unsre Verbindung zu hindern, laß es dir keinen trüben Augenblick machen. Ich werde den Cäsar in wenig Tagen sprechen. Sein Machtwort beschwört jeden Sturm, der sich gegen uns erhebt, und mein Arm wird den Zufluchtsort, von dem aus unsere Liebe der ganzen Welt sicher Trotz bieten kann, erkämpfen. Diese schöne Hoffnung steht lebhaft[77] vor mir, befeuert meinen Muth, und macht es mir möglich, ohne dich zu leben. Leb' wohl!

Quelle:
Caroline Pichler: Agathokles. Erstes bis Sechstes Bändchen, Schriften, Band 31, Stuttgart 1828, S. 74-78.
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