56. Florianus an Valerien.

[11] Eboracum, im November 302.


Du hast verlangt, daß ich dir antworten soll, Valeria! Es scheint, daß du zu deiner Beruhigung und zur künftigen Leitung deines Betragens dieser Antwort bedarfst. Ich erfülle den Wunsch meiner Freundin. Denke[11] aber nicht, Valeria, daß es räthlich, daß es möglich sey, diesen Briefwechsel fortzusetzen. Die innere Stimme in meiner Brust, der streng geprüfte Ausspruch meiner Vernunft verwirft jedes Mittel, das nur dazu dienen könnte, ein Verhältniß fortzusetzen, welches wir Beide, als vom Himmel selbst getrennt, betrachten müssen. Es war eine Zeit, wo ein verzeihlicher Irrthum uns verleitete, kühne Wünsche und Hoffnungen zu nähren. Dieser Irthum ist verschwunden, und mit ihm jede Hoffnung, jede Entschuldigung für einen spätern Versuch. Der Himmel hat nur zu deutlich gesprochen. Dieser Brief ist mein Erster an dich seit jenem Tage, der mir die volle Kenntniß unsers Schicksals gab – er wird auch mein Letzter seyn.

Du kennst mich, Valeria! Es ist unmöglich, daß du in dieser Erklärung die Sprache des verlarvten Wankelmuths, des flatternden Leichtsinns fürchten solltest, der heilige Pflichten zum Vorwand sträflicher Kälte mißbraucht. Der Mann, der in so reifen Jahren wählte, hat für den traurigen Rest seines Lebens gewählt. Doch von mir soll die Rede nicht mehr seyn. Ich weiß, du hast Glauben an mich, aber ich möchte dies schöne Gefühl zum Werkzeug deiner Ruhe, deines künftigen Glückes gebrauchen.

Besinne dich, Valeria! Du bist eine Kaisertochter, du bist eine Christin! Es ziemt dir nicht, so kleinlaut zu verzagen, wenn das Unglück mit kalter Hand in den Blüthengarten deines Glückes greift, und seine lachende Schöpfung zerstört. Du flüchtest im Gebete zu jener Erhabenen, die so viele Schmerzen, so viele trübe Erfahrungen gelassen ertrug, und aus jedem Sturme in neuer Würde und stiller Hoheit hervorging. Flüchte zu ihr,[12] dies Gefühl ist richtig und tadellos; aber wende dich nicht blos mit zitterndem Herzen und strömenden Thränen an ihre Fürbitte. Lerne von ihr dulden und tragen; sie litt weit mehr als du, und weit standhafter. Halte dir ihr Vorbild gegenwärtig, sie ist nicht blos das Symbol unendlicher Liebe, sie ist auch das Urbild weiblicher Geduld und Sanftmuth, und der ergebensten Gottesfurcht. Unterwirf dich mit ruhiger Hoffnung dem vereinten Willen deines Vaters, deines Kaisers, und der Vorsicht. Nicht umsonst hat sie dich ihn gerade in diesem Zeitpunkt finden lassen. Nicht ohne ihre Leitung war dein Geschick bis hierher. Vielleicht – und sehr wahrscheinlich – bist du zu etwas Größerem bestimmt, und es wäre Frevel, diese höhern Zwecke, wenn wir sie gleich nicht kennen, auf dem häuslichen Altar unserer Liebe eigenmächtig zu opfern. Wir haben die innere Stimme vom Himmel erhalten, um zu wissen, was Recht ist, die Vernunft, um uns in schwerer Wahl zu leiten, endlich seine göttliche Lehre, um das einmal gewählte Recht mit Kraft zu ergreifen, und muthig auszuführen – sollte auch unser Glück darüber zu Grunde gehen. Viel deutlicher ist noch in diesem Fall sein Wille ausgesprochen. Kein Dunkel kann unsre Wahl erschweren, kein Zweifel über das Recht bleibt übrig. Dürfen wir anstehen, uns seinen Fügungen zu unterwerfen? Könnten wir's, wenn wir auch wollten?

Darum, Valeria, fasse dich, fordre die Kraft auf, die in deinem Busen wohnt, die ich nur zu wohl kenne. Sey stark, sey geduldig, vor Allem, sey fromm! Laß mich nie wieder von einem sträflichen Wunsche hören, der meine Seele verwundet hat. Laß mich nicht fürchten müssen, daß du dich einst so weit verlieren könntest, Hand[13] an dich selbst zu legen! Weißt du wohl, Valeria, daß wir dann ewig getrennt wären? Nur im Elysium begegnet die Selbstmörderin dem einst geliebten Schatten. Aber ein heiliger Gott verwirft den Rasenden, der über sein Leben gebieten zu können glaubt, und den Feigen, der die auferlegte Last ungeduldig abwirft, und der Prüfung entflieht. Valeria! wenn ich dich einst dort mit Wonne empfangen, wenn du mich in einer Welt des Friedens und der Gleichheit wieder antreffen willst: so trage, was dir die Vorsicht auferlegt, und harre standhaft aus.

Valeria! Leb' wohl! Was du auch zu dulden hast, wie viel Schwerter durch deine Seele gehen mögen, denke, daß dein Freund mit dir leidet, und dein Herz keine Wunde empfängt, die nicht das meine eben so schmerzlich zerreißt. Schreibe mir nicht mehr – ich darf dir nicht antworten. Mache keinen Versuch, dich an Constantin zu wenden. Ich kenne seine Lage – er kann uns nicht helfen, uns ist nicht zu helfen. Das bedenke – vergiß mich – und lebe wohl!

Quelle:
Caroline Pichler: Agathokles. Erstes bis Sechstes Bändchen, Schriften, Band 34, Stuttgart 1828, S. 11-14.
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