[391] SOSIA mit der brennenden Laterne, Wanderstab, müden Schrittes von der Landseite herkommend.
Gibt's einen zweiten, der so forsch und schneidig ist wie ich, da ich
Die Art der jungen Burschen kenn' und doch allein bei tiefer Nacht
Dahergebummelt komm'? Was fang' ich an, wenn nun die Polizei
Mich auf die Wache bringt und morgen aus der Vorratskammer sich
Herauslangt zur Verprügelung? Entschuld'gung hätt' ich keine nich,
Und auch von meinem Herrn gibt's keine Hilfe, niemand wäre da,
Der nicht für jede Zucht mich würdig hielte. Und es würden dann
Acht Folterknechte wie auf einem Amboß hämmern meinen Leib.
So würde mir bei meiner Heimkehr Gastlichkeit gewährt vom Staat.
Das danke ich nun der Vernunft des Herrn, der wider Willen mich
Zu dieser Nachtzeit auf den Schwung gebracht hat. War es denn nicht Zeit,
Bei Tag mich abzuschicken? Der Dienst bei großen Herren ist schon schwer,
Darum so schwer, weil's tags und nachts beständig was zu tuen gibt:
Du kommst niemals zu Ruh'. Der Herr ja selber, frei von jeder Müh'
Und Arbeit, meint, er könnt' sich alles leisten, was dem Menschen nur
Begegnen kann. Er hält's für richtig, denkt nicht, welche Müh' es macht,
Ob er Gerechtes nun oder Ungehöriges befohlen hat.
So gibt es also bei der Knechtschaft viele Ungerechtigkeit,
Man nimmt und trägt die Last, weil's einmal seien muß, mit großer Müh'.[391]
MERKURIUS für sich.
Da könnte eher ich doch klagen über meinen Dienst. Obgleich
Ich Freier bin, hat ihn mein Vater doch mir auferlegt: Doch der?
In Sklavenschaft geboren, beklagt sich gar?
SOSIA.
Verdien' ich nicht den Stock?
Da fällt mir eben ein, daß ich bei meiner Heimkehr doch die Pflicht
Wohl habe, erst die Götter anzusprechen, Dank erstatten für
Erwiesne Gnade. Freilich wollten sie mich lohnen nach Verdienst,
So müßten sie zu meiner Ankunft einen Menschen schicken, der
Das Maul mir recht vermöbelt, weil ich alles, was sie Gutes mir
Erwiesen haben, in den Wind geschlagen habe, ohne Dank.
MERKURIUS.
Das findet man nicht oft: daß einer selber weiß, was er verdient.
SOSIA.
Ich hätt' es nicht gedacht und keiner unsrer andren Bürger, daß
Es kommen würde, wie's gekommen ist, daß wir gesund an Leib
Nach Hause kommen würden: Die Feinde sind besiegt, als Sieger kommt
Das Heer zurück, erloschen ist der große Streit, der Feind ist tot.
Wie viele bittre Totenfeiern gab's auch im Thebaner-Volk!
Jetzt liegt die Feindesstadt, durch Männer-Tüchtigkeit besiegt, im Staub.
Und meines Herrn Amphitruo Kommando hat sich gut bewährt:[392]
Er hat an Beute, Land und Ruhm die Volksgenossen reich gemacht
Und hat dem König selber auch gefestigt den Thebaner-Thron.
Das seiner Gattin anzuzeigen, hat er mich vom Hafen her
Vorausgeschickt, wie unter seiner Führung, Leitung, Vorsicht es
Dem Staat ergangen sei. Ich will mir jetzt das überlegen, wie
Ich's in Worte fassen soll, wenn ich erst vor ihr steh'. Wenn's Lügen sind,
So stimmt das nur zu meiner Art: Denn als der Kampf am tollsten war,
Bin ich am tollsten ausgekratzt. Natürlich tu' ich so, als wär'
Ich auch dabei gewesen, obgleich ich nur Gehörtes melden kann.
Auf welche Weise aber und mit welchen Worten muß ich den Bericht
Erstatten? Lieber will ich's hier vorher erproben so bei mir.
Ich spreche also so: Zuerst, als wir dort angekommen sind,
Als wir den Fuß gesetzt auf Feindesland, da hat Amphitruo
Die Häupter unsres Staates ausgewählt vom adligen Geschlecht.
Die hat er abgesandt, den Teleboern Meinung und Befehl
Zu melden: Würden ohne krieg'rische Entscheidung sie den Raub
Mitsamt den Räubern übergeben, liefern alles, was geraubt,
So würde er sofort sein Heer entfernen, aus ihrem Land zurück
Die Griechen führen, jenen Ruh' und Frieden geben. Andernfalls
Wenn diese seine Wünsche nicht erfüllten, dann mit Waffengewalt
Und seiner Helden Kraft erstürmen ihre Stadt. Das meldeten
Die Abgesandten des Amphitruo getreu den Telebo'rn.
Die, übermüt'gen Sinnes, fahren herrisch die Gesandten an:
Sie wüßten sich und ihre Leute wohl zu schützen durch den Krieg,[393]
Drum sollten schleunigst wir die Truppen wieder ziehn aus ihrem Land.
Als die Gesandten dieses melden, führt Amphitruo sofort
Sein ganzes Heer aus seinem Lager 'raus. Die Teleboer auch
Aus ihrer Stadt die ihrigen in überreichem Waffenschmuck.
Nachdem die Massen ausgezogen sind, so hier, wie dort, bestimmt
Die Führer, aufgeteilt die Gruppen, stellten wir die unseren
Legionenweise auf, so wie es bei uns Sitte ist. Der Feind
Stellt gegenüber seine Truppen auf. Drauf gehn von beider Heer
Die Feldherrn in die Mitte vor, verhandeln in dem Zwischenfeld,
Gesondert von den Scharen. Sie kommen überein, daß, wer den Sieg
Erringen würde, diesem Stadt, die Länderei, Altar und Herd
Zufallen solle. Als nun das vereinbart war, ertönen laut
Auf beiden Seiten die Trompeten. Der Boden dröhnt, Geschrei
So hier wie dort, auf beiden Seiten werden Gelübde dem Jupiter
Laut von den Feldherrn dargebracht, das Heer ermahnt. Ein jeder gibt
Sein Bestes her an Mut und Kraft, schlägt wacker zu. Manch Wurfgeschoß
Zersplittert, laut erdröhnt der Himmel, eine Wolke bildet sich
Vom Atemhauch der Kämpfer. Viele sinken unter der Wunden Wucht.
Die Unsern dringen in die Bresche ein und unsre Mannschaft siegt.
In Massen sinkt der Feind, die Unsren drängen nach mit wilder Macht.
Doch wendet keiner sich zur Flucht und weicht, nein, jeder wehrt sich brav,
Es läßt der Mann sein Leben lieber, als den Platz in seinen Reihn.
Und jeder liegt, wie er gefochten hat, gereiht in Reih' und Glied.
Als das mein Herr Amphitruo erblickte, schickte er sofort[394]
Von rechts die Reiter vor. Gehorsam fliegen die von rechts heran
Mit lautem Schreien und mit kampfesfrohem Sturm. Durch diesen Stoß
Zerfetzen und zerstreuen sie der Feinde Massen, rächend so
Den Übermut.
MERKURIUS.
Bisher hat er noch nicht ein Wort gesagt, das nicht
Im Einklang mit der Wahrheit steht: denn ich war ja persönlich dort
Beim Kampf zugleich mit meinem Vater.
SOSIA.
Die Feinde wenden sich zur Flucht.
Da wächst der Mut der Unsrigen. Der Teleboer Leiber sind
Alsbald mit Wurfgeschossen wie gespickt. Den König Pterela
Hat da Amphitruo mit eigner Hand gefällt. So wurde dort
Von früh bis in die Abendzeit gekämpft – ich weiß das so genau,
Weil ich an diesem Tage ohne Mittag blieb. – Die Nacht hat dann
Durch ihre Zwischenkunft den Kampf zu End' gebracht. Den nächsten Tag
Da kamen früh aus ihrer Stadt die Häupter unter Tränen an
Im Lager, in den Händen Olivenreis, erflehen Gnade sich
Für ihr Vergehn: ergeben sich und alles Götter-Gut und was
An Eigenem sie haben, Stadt und Kinder dem Thebaner-Volk
Zu Eigentum. Drauf wurde unsrem Vater Amphitruo zum Lohn
Für seine Tapferkeit ein goldner Becher überreicht, aus dem
Der König Pterela zu trinken pflegte. So bericht' ich ihr's.
Nun gehe ich des Königs Auftrag zu erfüllen 'rein ins Haus.[395]
MERKURIUS.
Oho! Er will hierher: ich gehe ihm entgegen, lasse heut
Nicht einen einz'gen Menschen ein in den Palast. Da diesem da
Ich völlig gleiche, treib' ich mit dem Kerle sicher meinen Spott,
Und da ich seine Erscheinung angenommen hab', Gesicht und Wuchs,
So muß ich auch in Worten und Gesinnung ihm ganz ähnlich sein:
Das heißt ein Nichtsnutz, boshaft und versteckt und das nicht wenig, sonst
Verdrängt der Kerl mit seiner eignen Waffe, der Nichtsnutzigkeit,
Mich von der Türe hier. Was treibt er aber jetzt? Er glotzt empor
Zum Himmelszelt? Ich passe also auf, was er wohl treiben mag.
SOSIA.
Wenn sonst was sicher ist, unzweifelhaft, der Nachtgott hat gewiß
In dieser Nacht im Rausch verschlafen: Ich sehe nicht das Sieb'ngestirn
Am Himmel weiterrücken, nicht den Mond. Wo einer einmal steht,
Da bleibt er auch. Orion will nicht untergehn, nicht Lucifer,
Gluckhenne nicht. So stehen alle Sterne fest, auch weicht die Nacht
Dem Tage nicht.
MERKURIUS.
So fahre fort, o Nacht, wie du begonnen hast!
Sei meinem Vater nur gefällig! Leih aufs beste besten Dienst
Dem Besten, reich vergilt er dir's.[396]
SOSIA.
Mir ist, als hätt' ich nie
Eine Nacht gesehn, die länger war, nein höchstens – eine doch,
Als nämlich ich am Balken hängend Dresche kriegte: Diese hat
Sogar an Dauer die hier wirklich noch bei weitem überragt.
Der Sonnengott hat wohl zu tief ins Glas geguckt und schläft sich nun
Den Rausch gehörig aus. Kein Wunder, hat sich beim Gelage doch
Ein bißchen zu sehr zugesprochen.
MERKURIUS für sich, und so fort.
Höre mal, du Prügelsack,
Du meinst, die Götter trieben es den Menschen gleich? Ich aber will
Für diese Schmähungen dich, Galgenstrick, empfangen nach Verdienst.
Ja, komme nur heran! Dir soll es schlecht ergehn.
SOSIA.
Wo stecken nur
Die Buhler, die so ungern einsam schlafen? Diese Nacht ist ganz
Verflucht geeignet, müde sich zu tummeln mit einem Hurenmensch.
MERKURIUS.
Nach seiner Meinung tut mein Vater recht und weise, daß er ruht,
Umschlungen von der geliebten Alkumena, ganz nach Herzens Wunsch.
SOSIA.
Jetzt gehe ich und geb' der Alkumena den befohlenen Bericht.
Doch halt! Wer ist der Kerl, den ich zur Nachtzeit vor der Türe seh'?
Gefällt mir nicht![397]
MERKURIUS.
Der Kerl hat Angst wie keiner.
SOSIA.
Er hält mich für ein Schaf:
Er will mir wohl die Wolle von dem Mantel wieder haspeln, wie?
MERKURIUS.
Er ist in Angst: ich setz' ihm zu.
SOSIA.
Die Zähne klappern mir. O Gott!
Gewiß, der füttert mich zur Heimkehr nur mit Prügeltracht,
Nur aus Barmherzigkeit: mein Herr hat mich zur Wachsamkeit verdammt:
Der sorgt mit seinen Fäusten, daß ich Ruhe find'. Mit mir ist's aus,
Sofort! Um Gottes willen, wie groß er ist, wie stark!
MERKURIUS.
Ich spreche laut,
So daß er mich noch besser hört. Dann kriegt er noch viel größre Angst:
Ihr Fäuste, he! Es ist schon lange her, daß ihr dem Magen nichts
Zum Essen brachtet: kommt mir lange vor, obgleich ihr gestern erst
Vier Kerle habt mit nacktem Leib zur Ruh' gebracht.
SOSIA.
Wie fürcht' ich mich,
Daß der da meinen Namen ändert: »Fünften« macht aus Sosia.
Vier Männer hat er, wie er sagt, zur Ruh' gebracht: Daß ich nur nicht
Ihm diese Zahl vermehre!
MERKURIUS.
He, jetzt will ich ihm mit fetter Tracht –[398]
SOSIA.
Die trächt'gen Fäuste rüstet er.
MERKURIUS.
Herrichten, daß er's Heulen kriegt.
SOSIA.
Ja, wen?
MERKURIUS.
Wer immer kommt, der kriegt von meinen Fäusten seine Tracht.
SOSIA.
Zum Teufel! Nein, ich mag bei Nacht nicht essen, habe schon gespeist.
Und wenn du klug bist, biete diese Kost doch lieber Hungrigen.
MERKURIUS.
Die Faust da hat nicht übeles Gewicht.
SOSIA.
Er wiegt die Fäuste – ach!
MERKURIUS.
Ob ich ihn nur so sacht berühren soll, daß er in Schlaf verfällt?
SOSIA.
Das wär' mein Glück! Ich habe nämlich schon drei Nächte durchgewacht.
MERKURIUS.
'ne Schande, schlecht die Backen treffen! Du lernst nicht richtig, meine Hand!
Ganz umgestaltet muß die Backe sein, die du zerbröckelt hast
Mit deiner Faust.
SOSIA.
Der Mensch poliert mich wieder auf
Und schafft mir ein erneuertes Gesicht.[399]
MERKURIUS.
Entknöchert muß sie sein,
Die Fratze, wenn du richtig zugehauen hast.
SOSIA.
Ganz offenbar,
Ausgräten will er mich, wie eine Seemuräne. Scher dich fort,
Du Menschausgräter! Hin bin ich, wenn er mich nur zu sehn bekommt.
MERKURIUS.
Ich wittre einen Menschen zu seinem Pech!
SOSIA.
Verflucht, ich hab' doch nicht
Etwa gefurzt?
MERKURIUS.
Er kann nicht ferne sein von hier, obgleich ich weiß,
Daß er von ferne kommt.
SOSIA.
Der Mann versteht sich auf die Prophetie.
MERKURIUS.
In meinen Fäusten juckt es.
SOSIA.
Ist es abgesehn auf mich, probier's
Doch, bitte, an der Mauer erst!
MERKURIUS.
Mir flog zum Ohr ein Menschenwort.
SOSIA.
Ich Unglücksmensch! Ich habe mir die Afterhaare nicht gerupft:
Nun trag' ich eine Stimme, welche Flügel hat.[400]
MERKURIUS.
Der Mensch bezieht
Mit eigner Fracht sich großes Leid von mir.
SOSIA.
Wo ich kein Fuhrwerk hab'?
MERKURIUS.
Dem packt man tüchtig Fäuste auf.
SOSIA.
Wo ich doch von der Schiffahrt schon
So müde bin und noch die Seekrankheit verspüre von der Fahrt!
Ich schleppe mich auch so kaum fort, du willst, daß ich noch Lasten schlepp'?
MERKURIUS.
Hier spricht doch irgendwer, gewiß.
SOSIA.
Ich bin erlöst: er sieht mich nicht:
Er meint, es spräche »Irgendwer«, mein Name lautet Sosia.
MERKURIUS.
Es schlägt mir nämlich, wie mir scheint, von rechts ein Menschenwort ans Ohr.
SOSIA.
Daß ich nur nicht für dessen Schlag nachher die Prügel kriegen muß!
MERKURIUS.
Vortrefflich, sieh, er kommt auf mich heran!
SOSIA.
Ich schaudre, vergeh' vor Angst.
Ich weiß nicht, wo in aller Welt ich steh', falls jemand danach fragt.[401]
Ich kann mich leider auch vor Furcht vom Platz nicht rühren. Fahret wohl,
Befehle meines Herrn und Sosia mit euch! Jetzt steht es fest:
Voll Zuversicht begrüß' ich diesen Mann, vielleicht erschein' ich ihm
So forsch, daß er von mir die Hände läßt.
MERKURIUS laut.
Wo gehst du hin, du Mann,
Der du den Feuergott in der Laterne eingeschlossen trägst?
SOSIA.
Was fragst du mich danach, Entknocherer des menschlichen Gesichts?
MERKURIUS.
Bist Sklave oder frei?
SOSIA.
Das hängt durchaus von meiner Stimmung ab.
MERKURIUS.
Was heißt denn das?
SOSIA.
So ist es doch.
MERKURIUS.
Du Galgenstrick!
SOSIA.
Das lügst du jetzt.
MERKURIUS.
Besorge aber, daß es Wahrheit wird.
SOSIA.
Zu welchem Zwecke nur?[402]
MERKURIUS.
Erfahr' ich wohl, von wo du kommst, wem du gehörst, warum du kommst?
SOSIA.
Da will ich hin, bin Sklave meines Herrn. So, weißt du jetzt Bescheid?
MERKURIUS.
Du Schuft, ich drücke heute noch dir deine freche Zunge ein.
SOSIA.
Das ist unmöglich, denn ich wahre sie zu gut in Ehrbarkeit.
MERKURIUS.
So fährst du fort mit deiner Silbenstecherei? Was hast du denn
Dahier an dem Palast zu suchen?
SOSIA.
Nein, vielmehr, was suchst denn du?
MERKURIUS.
Der König Kreon läßt hier alle Nächte Einzelposten stehn.
SOSIA.
Mit Recht. So hat er, während wir abwesend sind, das Haus geschützt.
Du darfst jetzt gehn, und sag', die Hausbewohner wären wieder da.
MERKURIUS.
Ich weiß nicht, wer da Hausbewohner ist. Doch wenn du nicht sofort
Abziehst, so sollst du nicht grad hausbewohnerlich empfangen sein.
SOSIA.
Ich wohn' doch hier, bin Sklave hier im Haus.[403]
MERKURIUS.
Und weißt du, wie? Ich mach'
Dich heut zu einem feinen Herrn, wenn du nicht gehst.
SOSIA.
Wie machst du das?
MERKURIUS.
Du wirst dann fortgetragen, brauchst die Füße nicht, wenn ich einmal
Zum Knüttel greif'.
SOSIA.
Ich sage doch, daß ich zur Dienerschaft gehör'.
MERKURIUS.
Sollst sehn, wie bald du heulen mußt, wenn du dich schleunigst nicht entfernst.
SOSIA.
Du wehrst mir bei der Heimkehr Eintritt in das eigne Haus?
MERKURIUS.
Ist das
Dein Haus?
SOSIA.
Jawohl!
MERKURIUS.
Und wer ist denn dein Herr?
SOSIA.
Amphitruo, der jetzt
Die Heere Thebens kommandiert, der Gatte der Alkumena.
MERKURIUS.
Doch sag', wie heißt du selbst?[404]
SOSIA.
Ich heiß' bei den Thebanern Sosia,
Bin Sohn des Davos.
MERKURIUS.
Ja, du kommst mir heut daher zu deiner Not
Mit ausgesponn'nen Lügen, überlegter List, verwegner Schuft!
SOSIA.
Du irrst! Ich komm' mit ausgesponn'nem Mantel her, doch nicht mit List.
MERKURIUS.
Auch das gelogen! Mit Füßen kommst du doch, aber mit dem Mantel nicht.
SOSIA.
So ist's fürwahr.
MERKURIUS.
Dann ist's fürwahr auch recht, daß du jetzt Prügel kriegst,
Weil du gelogen hast.
SOSIA.
Ich aber will fürwahr nicht recht.
MERKURIUS prügelt ihn.
Fürwahr,
Dann gegen deinen Wunsch. Und mein »Fürwahr« steht fest und ist nicht nur –
Beliebig.
SOSIA.
Gnade, ich beschwöre dich!
MERKURIUS.
Willst du noch weiterhin
Dich Sosia benennen, der ich doch bin?[405]
SOSIA.
Ach Gott, ich bin des Tod's!
MERKURIUS.
Das ist noch nichts, es soll erst kommen. Wem gehörst du nun?
SOSIA.
Dir, dir!
Du hast durch deine Fäuste mich zu eigen dir gemacht. Herbei,
Ihr Bürgersleut' von Theben!
MERKURIUS.
Ja, was brüllst du denn, du Galgenstrick?
Jetzt sag': was willst du hier?
SOSIA.
Damit du einen hättest, den du mit
Den Fäusten malträtieren könntest.
MERKURIUS.
Wem gehörst du an?
SOSIA.
Dem, dem
Amphitruo, so sag' ich, ich, der Sosia.
MERKURIUS.
So wirst du denn
Noch mehr für dein Geschwätz verprügelt. Ich bin Sosia, nicht du!
SOSIA.
Ja, wollten's doch die Götter fügen, daß du Sosia wärst, ich der,
Der dich verprügelt!
MERKURIUS.
Keinen Muckser mehr![406]
SOSIA.
Ich schweig' ja schon.
MERKURIUS.
Wer ist
Dein Herr?
SOSIA.
Wer dir beliebt.
MERKURIUS.
Nun sprich: wie heißt du jetzt?
SOSIA.
Nur so, wie du
Befiehlst.
MERKURIUS.
Du nanntest dich den Sosia des Amphitruo.
SOSIA.
Es war
Ein Irrtum, wollte nämlich sagen »Socius Amphitruos«.
MERKURIUS.
Ich weiß, wir haben außer mir nicht einen zweiten Sosia.
Dein Denken läßt wohl nach?
SOSIA.
Wenn's lieber deine Faust doch lassen tät'!
MERKURIUS.
Ich bin der Sosia, von dem vorhin du sagtest, daß du's wärst.
SOSIA.
Ich bitte, laß in Ruhe mit dir sprechen und verhau' mich nicht![407]
MERKURIUS.
Gut, Waffenstillstand einen Augenblick, wenn du mir was zu sagen hast.
SOSIA.
Ich sprech' nur unter Frieden, weil du mir mit den Fäusten über bist.
MERKURIUS.
Nun sag', was willst du? Tu' dir nichts.
SOSIA.
Ich darf mich drauf verlassen?
MERKURIUS.
Ja.
SOSIA.
Doch wenn du mich betrügst?
MERKURIUS.
Dann soll Merkur dafür den Sosia
Bestrafen.
SOSIA.
Also passe auf! Ich darf doch offen sprechen jetzt?
Ich bin der Sklave des Amphitruo.
MERKURIUS.
So bleibst du denn dabei?
SOSIA.
Wir haben Frieden, fest steht der Vertrag. Ich sag' die Wahrheit nur.
MERKURIUS.
So gibt es Prügel.[408]
SOSIA.
Wie's beliebt, und tu nur, was du willst, da du
An Fäusten stärker bist. Doch was du immer tuen wirst, ich kann
Es nicht verschweigen.
MERKURIUS.
Bringst mich aber wirklich nicht dazu, daß ich
Nicht heute Sosia bin.
SOSIA.
Du bringst mich ganz gewiß davon nicht ab,
Daß ich nicht unsrer bin: denn, wenn ich da bin, ist kein andrer da,
Als jener Sosia, der ich zugleich mit dem Amphitruo
In's Feld gezogen war.
MERKURIUS.
Er ist verrückt, der Kerl!
SOSIA.
Du wirfst mir vor,
Was dich betrifft. Verflucht, ich soll nicht Sosia sein, Amphitruos'
Bedienter? Stieß denn diese Nacht nicht unser Schiff ans Land, das mich
Vom Perser-Meer hierhergebracht? Hat unser Herr mich nicht hierher-
Geschickt? Und steh' ich nicht vor unsrem Haus? Und halt' ich die Latern'
In meiner Hand? Und sprech' ich nicht? Und wache ich nicht? Und hat mich der
Nicht eben so geboxt? Er hat's getan: die Backen tuen mir
Noch weh, mir Ärmsten. Warum zweifle ich denn noch? Und warum geh'
Ich nicht in unser Haus?
MERKURIUS.
In unser Haus?[409]
SOSIA.
Nun ja!
MERKURIUS.
Das alles, was
Du da gesagt, ist Lug: Ich bin der Sosia des Amphitruo.
Denn unser Schiff, vom Perser-Meere kommend, ist in dieser Nacht
Gelandet, wir haben Pterelas Stadt erobert, der Teleboer Heer
Mit Waffenmacht besiegt, Amphitruo hat selber in der Schlacht
Den Pterela getötet.
SOSIA.
Jetzt aber glaub' ich selber mir nicht mehr,
Wenn ich ihn so berichten hör': er führt es richtig an, was dort
Geschehen ist. Doch sag': was wurde dem Amphitruo geschenkt
Vom Teleboer-Volk?
MERKURIUS.
Der goldne Kelch, aus dem der Pterela
Zu trinken pflegte.
SOSIA.
Stimmt! Wo ist der Kelch denn jetzt?
MERKURIUS.
Im Kästchen da,
Versiegelt mit dem Petschaft des Amphitruo.
SOSIA.
Was ist darauf
Denn für ein Wappen?
MERKURIUS.
Der Sonnengott aufsteigend auf dem Viergespann.
Was forschst du mich so aus, du Galgenvogel?[410]
SOSIA für sich.
Er siegt durch den Beweis.
Ich muß mir einen andren Namen suchen. Wo soll das nur hinaus?
Jetzt aber fasse ich ihn richtig ab! Denn was ich ganz allein
Begangen hab' im Zelt, wo doch kein Mensch zugegen war, das kann,
Das kann er doch unmöglich sagen.
Laut.
Bist du Sosia, sag':
Was hat der denn im Zelt getan, als die Legionen in der Schlacht
Am heftigsten gekämpft?
MERKURIUS.
Ein Krug voll Wein war da, und daraus hab'
Ich mir die Buttel angefüllt.
SOSIA.
Jetzt bist du auf der rechten Spur.
MERKURIUS.
Und hab' ihn, wie er von dem Mutterkruge kam, ganz ungemischt,
Mir zugeführt.
SOSIA für sich.
So war es wirklich. Ich habe meine Buttel dort
Voll reinen Weins ganz ausgeleert. Mich wundert, ob er nicht vielleicht
Sich in der Buttel hielt versteckt.
MERKURIUS.
Wie steht's? Hab' ich dich überzeugt,
Daß du der Sosia nicht bist?
SOSIA.
Du sagst, ich wär' nicht Sosia?[411]
MERKURIUS.
Natürlich, da ich selbst der Sosia bin.
SOSIA.
Ich aber schwöre dir
Bei Jupiter, daß ich es bin, nichts sage, was nicht Wahrheit ist.
MERKURIUS.
Ich aber schwöre beim Merkur, daß dir der Jupiter nicht glaubt,
Denn mir glaubt ohne Schwur er mehr, als dir, wenn du auch schwören magst.
SOSIA.
Wer bin ich aber dann, wenn nicht der Sosia? Das frag' ich dich.
MERKURIUS.
Sei nur getrost der Sosia, wenn ich er nicht mehr bleiben will.
Jetzt, da ich's bin, bekommst du Prügel, wenn du dich nicht fortbequemst
Als unbekannter Mensch.
SOSIA für sich.
Ja, wenn ich mir ihn so betrachte, dann
Erkenn' ich mich, genau so, wie ich bin – ich habe mich doch oft
Im Spiegel angesehn – er gleicht mir wunderbar. Er trägt wie ich
Den Reisehut, den Rock: er ist mein Ebenbild an Waden, Fuß,
Gestalt, Frisur, die Augen, Nase, Lippen, Backen, Bart und Hals:
Der ganze Kerl! Kurzum, wenn er auch Narben auf dem Buckel hat,
So ist nichts ähnlicher. Doch wenn ich es bedenke, bin ich doch
Gewiß derselbe, der ich immer war. Ich kenn' doch meinen Herrn,[412]
Ich kenne unser Haus, ich denke, fühle. Ach, ich kehr' mich nicht
Um sein Geschwätz und klopfe an das Tor.
MERKURIUS.
Wo gehst du hin?
SOSIA.
Nach Haus.
MERKURIUS.
Und wenn du jetzt das Viergespann besteigst des Jupiter und fliehst,
So könntest du doch schwerlich einer schweren Züchtigung entgehn.
SOSIA.
Ja, darf ich der Herrin nicht berichten, was mir aufgetragen ist?
MERKURIUS.
Ja, deiner, was du willst: Zu unsrer ist der Zugang dir versagt.
Und machst du mich noch böse, ziehst du heut dir einen Beinbruch zu.
SOSIA.
Da geh' ich lieber. Ihr Himmlischen, ich rufe eure Gnade an!
Wo hat man mich vernichtet? Wo verwandelt, wo mir die Gestalt
Geraubt? Ob ich mich dort gelassen habe aus Vergeßlichkeit?
Denn dieser da hat meine ganze Form jetzt im Besitz, die ich
Vorher besessen habe. Mir geschieht bei Lebzeit, was kein Mensch
Mir nach dem Tod erweisen wird. Ich geh' zum Hafen und erzähl' dem Herrn,
Die Dinge, wie sie sich dahier begeben haben: Wenn nur nicht[413]
Auch er mich so verleugnen wird! Das füge mir Gott Jupiter,
Daß er mich heute gar aus Sklaverei entließe, mir den Kopf
Glattscheren und mir drauf aufsetzen ließe einen Freiheitshut! –
Geht ab.
Buchempfehlung
Demea, ein orthodox Gläubiger, der Skeptiker Philo und der Deist Cleanthes diskutieren den physiko-teleologischen Gottesbeweis, also die Frage, ob aus der Existenz von Ordnung und Zweck in der Welt auf einen intelligenten Schöpfer oder Baumeister zu schließen ist.
88 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro