[419] Amphitruo, Sosia von derselben Seite kommend.
AMPHITRUO.
Komm mit!
SOSIA.
Ich komme, folg' dir auf dem Fuße nach!
AMPHITRUO.
Bist doch ein ganz verbrecherischer Wicht!
SOSIA.
Warum?
AMPHITRUO.
Weil du behauptest, was nicht ist, nicht war und nie
Geschehen wird.
SOSIA.
Sieh, Herr, das ist so deine Art,
Daß du den Dienern keinen Glauben schenken willst.
AMPHITRUO.
Ja, was? Wieso? Ich muß dir frechen Burschen doch
Wohl noch die Zunge aus dem Halse reißen!
SOSIA.
Wie's
Beliebt und angenehm! Ich bin dein Sklave, tu's!
Du bringst mich doch in keiner Weise davon ab,
Daß ich erzähle, wie es doch gewesen ist.
AMPHITRUO.
Du, Gauner, willst behaupten, daß du zu Hause wärst,
Und bist dabei doch hier?
SOSIA.
Ganz recht![419]
AMPHITRUO.
Und dafür geht's
Dir schlecht. Die Götter geben's dir! Ich heute auch.
SOSIA.
Das liegt in deiner Hand: ich bin der Deinige.
AMPHITRUO.
Wie wagst du, solchen Spott mit mir zu treiben, Schuft?
Zu sagen, was noch nie ein Mensch erlebt hat, nie
Geschehen könnte, daß ein Mensch zu gleicher Zeit
An zwei verschiednen Orten ist?
SOSIA.
Und doch, gewiß,
Verhält sich's so.
AMPHITRUO.
Verfluch' dich Gott!
SOSIA.
Was hab' ich, Herr,
Denn gegen dich verfehlt?
AMPHITRUO.
Da fragst du noch, Halunk'?
Da du mit mir doch Spott nur treibst?
SOSIA.
Du hättest recht,
Durchaus, mich auszuschelten, wenn's nicht Wahrheit wär':
Ich lüge nicht, erzähle, wie die Sache wirklich ist.
AMPHITRUO.
Der Kerl ist offenbar bezecht.
SOSIA.
Ach, wär' ich's doch!
AMPHITRUO.
Du wünschst es dir und bist es schon.[420]
SOSIA.
Was, ich?
AMPHITRUO.
Ja, du?
Wo hast du denn gezecht?
SOSIA.
Ich habe nirgends nicht –
AMPHITRUO.
Was geht nur mit dem Menschen vor?
SOSIA.
Ich hab' es dir
Zehnmal gesagt: Ich bin zu Hause – hörst du das?
Furzt.
Und bin bei dir als gleicher Sosia. Hab' ich das
Nun klar und glatt genug nach deiner Meinung, Herr,
Gesagt?
AMPHITRUO.
Pfui, Teufel! Geh mir aus dem Weg, sofort!
SOSIA.
Was ist denn los?
AMPHITRUO.
Du hast die Pestilenz im Leib!
SOSIA.
Wie kommst du nur darauf? Ich bin gesund und fühl'
Mich völlig wohl, Amphitruo.
AMPHITRUO.
Ich aber will
Schon sorgen, daß dir's nach Verdienst heut wen'ger gut
Ergehen soll, daß du dich elend fühlst, wenn ich
Gesund nach Hause komme. Tritt jetzt hinter mich,
Der du es wagst, zu foppen deinen Herren mit –
Verrücktem Schwatzen. Erst versäumst du, was dein Herr[421]
Dir aufgetragen hat, und dann erscheinst du hier
Und treibst noch obendrein mit deinem Herren Spott?
Was ganz unmöglich ist, was nie ein Mensch vernahm,
Das bringst du vor, du Galgenstrick? Doch zahl' ich heut
Auf deinen Rücken deine Lügnerein dir heim.
SOSIA.
Amphitruo, für einen guten Sklaven ist's
Die größte Not, wenn, was er Wahres sagt, vom Herrn
Gewaltsam abgeleugnet wird.
AMPHITRUO.
Verflucht, wie soll
Das möglich sein – so überleg' doch selbst mit mir! –
Daß du zu gleicher Zeit bei mir dich und zu Haus
Befinden kannst? Das, bitte, sage mir!
SOSIA.
Ich bin
Wahrhaftig hier und dort. Ein jeder mag darob
Sich wundern und dir selbst, mein Herr, erscheint es nicht
Mehr wunderbar, als mir.
AMPHITRUO.
Wieso?
SOSIA.
Ich sage nur:
Dir selbst erscheint es nicht mehr wunderbar als mir;
Wahrhaft'gen Gott, ich hab's ja selber nicht zuerst
Mir, Sosia, geglaubt, bis jener Sosia
Mich überzeugt hat, so, daß ich ihm glauben muß.
Er hat mir alles, wie's geschehen ist, derweil
In Feindesland wir lagen, ganz genau erzählt.
Auch hat er mir Gestalt und Namen wegstibitzt.
Kein Tropfen Milch gleicht einem andern mehr, als er
Mir gleicht. Und als du mich vor Tag vom Hafen her
Vorausgeschickt hast –
AMPHITRUO.
Nun?[422]
SOSIA.
Da stand ich lange schon
Zuvor vorm Tore, eh ich angekommen bin.
AMPHITRUO.
Welch albernes Geschwätz! Du bist wohl nicht bei Sinn?
SOSIA.
Ich bin, wie du mich siehst.
AMPHITRUO.
Dem Kerl hat irgendwer,
Nachdem er von mir ging, mit Feindeshand etwas
Des Bösen angetan.
SOSIA.
Das stimmt: denn schauderhaft
Bin ich von Fäusten zugerichtet.
AMPHITRUO.
Wer schlug dich denn?
SOSIA.
Ich selbst mich selbst, ich, der ich jetzt zu Hause bin.
AMPHITRUO.
Antworte ja auf das nur, was ich wissen will!
Zunächst, das will ich wissen: wer ist der Sosia?
SOSIA.
Dein Sklave.
AMPHITRUO.
Ich habe an dir einen mehr schon als –
Genug und von Geburt alleine dich gehabt
Als Sklaven Sosia.
SOSIA.
Ich aber sag' dir jetzt,
Amphitruo: Du sollst zu Hause, sag' ich dir,
Bei deiner Ankunft außer mir noch deinem Knecht,[423]
Dem Sosia, begegnen, der des Davos Sohn
Wie ich ist und derselbe an Gestalt wie ich
Und Alter. Kurz und gut: der Sosia erscheint
Als Zwillingspaar.
AMPHITRUO.
Der ist zu wunderbar! Doch, sag':
Bekamst du meine Gattin nicht zu sehen?
SOSIA.
Nein.
Es wurd' mir nicht erlaubt, in den Palast zu gehn.
AMPHITRUO.
Wer hat dir's denn verwehrt?
SOSIA.
Der Sosia, von dem
Ich immer spreche, der mich so verdroschen hat.
AMPHITRUO.
Wer ist der Sosia?
SOSIA.
Ich, sag' ich, ich! Wie oft
Noch soll ich's sagen?
AMPHITRUO.
Hör' mal: bist du nicht vielleicht
Inzwischen eingeschlafen?
SOSIA.
Aber nicht die Spur!
AMPHITRUO.
Und hast im Traum da jenen Sosia gesehn?
SOSIA.
Ich werde meines Herrn Befehl doch nicht im Traum
Erledigen. Nein, wachend sah ich ihn, so wie[424]
Ich wachend jetzt dich sehe, wachend spreche, mich
Hat wachend er, derweil ich wachte, vorhin auch
Mit Fäusten malträtiert.
AMPHITRUO.
Ja, wer?
SOSIA.
Ich sag' es doch:
Der Sosia, ich, er. Begreifst du denn noch nicht?
AMPHITRUO.
Verwünscht! Das soll ein Mensch begreifen? Nein, du schwatzt
Nur dummes Zeug.
SOSIA.
Du wirst ja selber ihn gleich sehn.
AMPHITRUO.
Wen sehn?
SOSIA.
Nun deinen Sosia.
AMPHITRUO.
Komm also mit!
Das muß ich doch zuerst erforschen. [Aber sieh,
Man bringt da alles, wie ich es befohlen hab',
Vom Schiff heran.
SOSIA.
Ich weiß und gebe acht, damit
Dein Wunsch befriedigt wird. Ich habe mit dem Wein
Zugleich auch deine Befehle weggespült.
AMPHITRUO.]
Wenn doch
Die Götter sorgen, daß sich's als Geschwätz enthüllt!
Buchempfehlung
Nachdem im Reich die Aufklärung eingeführt wurde ist die Poesie verboten und die Feen sind des Landes verwiesen. Darum versteckt sich die Fee Rosabelverde in einem Damenstift. Als sie dem häßlichen, mißgestalteten Bauernkind Zaches über das Haar streicht verleiht sie ihm damit die Eigenschaft, stets für einen hübschen und klugen Menschen gehalten zu werden, dem die Taten, die seine Zeitgenossen in seiner Gegenwart vollbringen, als seine eigenen angerechnet werden.
88 Seiten, 4.20 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.
424 Seiten, 19.80 Euro