[425] Alkumena, Amphitruo, Sosia.
ALKUMENA.
Ach, gar zu kurz sind doch die Freuden, die uns das Menschenleben gönnt!
Der Leiden sind viel mehr, und so erfährt's ein jeder Mensch, so hat's
Den Göttern auch beliebt: der Freude folgt die Trauer auf den Fuß,
Daß gleich, nachdem ein Glück uns traf, mehr Leid und Schmerz drauf folgen muß.
Und das erfuhr ich heute hier und an dem eignen Leibe, da
So wenig mir an Lust beschieden war; nur eine einz'ge Nacht
Den Gatten hier zu sehn, die Möglichkeit! Dann ließ er plötzlich ab
Von mir, vor Tagesanbruch noch. Jetzt komm' ich mir verlassen vor,
Da er nicht da ist, den ich mehr als alle liebe. So hat mir
Das Scheiden meines Mannes mehr des Leids gebracht, als Freude ich
Zuvor an seinem Kommen hatte. Eins beglückt mich aber doch:
Er hat gesiegt und kehrt zurück mit Heldenruhm!
Das ist mein Trost. Er sei mir ferne, wenn er nur
Mit Ruhm zurückkehrt! Ja, ich trage, ich erduld'
Auch ferner seine Trennung, tapfren Sinnes, mit
Standhaftigkeit, wenn mir dafür zum Lohne wird,
Daß mein Gemahl im Ruf als Schlachtensieger blüht.
Damit begnüg' ich mich. Das Heldentum ist doch
Der höchste Preis, geht allen andren Dingen vor!
Denn Freiheit, Leben, Glück, Besitz, die Elternschaft,
Das Vaterland, die Kinder schützen, retten, das,
Das alles schließt das Heldentum mit in sich ein.
Wo Manneskraft, da findet man auch jedes Glück.
AMPHITRUO.
Ich glaube wirklich, daß ich meiner Gattin recht ersehnt
Erscheinen werde, die mich liebt, wie ich sie liebe: Jetzt
Zumal nach unsrem glücklichen Erfolg, nach unsrem Sieg[426]
Da niemand glaubte, daß die Feinde unsrer Kraft
Erliegen würden, die wir aber gleich im ersten Sturm
Geworfen haben unter meiner Leitung, meinem Geist.
Gewiß, ich werde deshalb ihr auch sehr willkommen sein.
SOSIA.
Und meinst du denn, ich käme meinem Mädel auch nicht sehr
Erwünscht?
ALKUMENA für sich.
Mein Mann?! Das ist er doch?
AMPHITRUO.
Du, Sosia, folge mir!
ALKUMENA für sich.
Weshalb er wohl schon wiederkommt? Und sagte doch vorhin,
Wie eilig es ihm wär'! Ob er mich schlau erproben will,
Erfahren, ob ich traurig über seinen Weggang bin?
Bei Gott, ich bin nicht böse, daß er wieder zu uns kommt!
SOSIA.
Amphitruo, es ist wohl besser, wir kehren wieder um,
Aufs Schiff.
AMPHITRUO.
Warum denn das?
SOSIA.
Weil uns zu Hause doch kein Mensch
Ein Frühstück zum Empfange gibt.
AMPHITRUO.
Wie kommst du denn darauf?
SOSIA.
Weil wir ja doch zu spät gekommen sind.
AMPHITRUO.
Wieso zu spät?[427]
SOSIA.
Weil ich Alkumena gesättigt vor der Türe stehen seh'.
AMPHITRUO.
Ich ließ geschwängert sie bei meinem Abzug hier zurück.
SOSIA.
O weh, ich Unglücksmensch!
AMPHITRUO.
Was hast du denn?
SOSIA.
Da komme ich
Ja grade recht zur Wasserschlepperei nach Haus zurück!
Im neunten Monat, wie ich dich die Rechnung machen seh'.
AMPHITRUO.
Nur frischen Mut!
SOSIA.
Ja, weißt du, welchen frischen Mut ich hab'?
Wenn ich erst mal den Eimer packe, sollst du mir hinfort,
Bei Gott, kein frommes Wort mehr glauben, wenn ich den Brunnen nicht,
Wenn ich erst angefangen hab', ganz bis zum letzten Hauch
Auspumpen werde!
AMPHITRUO.
Komm nur mit mit mir. Ich trage das
Doch einem andren auf. Sei unbesorgt! Du tätest sonst
Was mehr doch meine Sache ist. Ich dächt', ich ginge ihr
Entgegen.
Zu Alkumena.
Amphitruo entbietet freudig seinem Weib,
Nach dem er sich gesehnt hat, und die jeder Mann der Stadt
Als allerbeste rühmt, die alle Bürger nach Gebühr
Verehren, seinen Gruß! Es ging dir stets nach Wunsch? Ich komm'
Dir auch erhofft?[428]
SOSIA.
Erhofft? Soviel ich seh', nicht sonderlich.
Begrüßen tut sie jedenfalls ihn mehr nicht als 'nen Hund.
AMPHITRUO.
Mich freut, daß ich dich schwanger seh', so reizend voll und rund!
ALKUMENA.
Mein Gott, ich bitte dich, warum begrüßt du mich denn so
Zum Spaß und sprichst zu mir, [als hättst du nicht erst vorhin mich
Gesehn? Als kämst du jetzt erst aus dem Feindesland zurück?
Du sprichst ja grade so, als hättst du lang mich nicht gesehn!]
AMPHITRUO.
Ich hab' dich doch vor heute nirgends in der Welt gesehn.
ALKUMENA.
Weshalb verleugnest du's?
AMPHITRUO.
Die Wahrheit sagen, habe ich
Gelernt.
ALKUMENA.
Es ist nicht recht, verlernen, was man gut gekonnt.
Bezweifelst du denn meine Sinnesart? Oder warum kommt
Ihr gar so schnell zurück? Dich hält vielleicht ein Priesterspruch
Zurück? Ein Sturm, daß du nicht abgezogen bist zum Heer,
Wie eben du doch sagtest?
AMPHITRUO.
Eben? Wann wäre das geschehn?
ALKUMENA.
Du fragst mich aus? Ganz eben erst![429]
AMPHITRUO.
Wie ist das möglich nur?
Ich bitte: »eben erst«? So sagtest du?
ALKUMENA.
Ja, meinst du denn,
Ich triebe meinen Spott auch meinerseits, weil du es tust?
Du sagst, du kämest grade jetzt nach Haus, und bist dabei
Doch eben fortgegangen.
AMPHITRUO.
Sie spricht, als wäre sie im Wahn.
SOSIA.
So wart' ein bißchen, bis sie diesen Traum beendigt hat.
AMPHITRUO.
Wer träumt denn wohl im wachen Zustand?
ALKUMENA.
Ich, bei Gott, bin wach
Und sag' als Wache das, was sich bei uns ereignet hat:
Denn kurz vor Tagesanbruch hab' ich dich und den gesehn.
AMPHITRUO.
Und wo?
ALKUMENA.
In deinem Hause, wo du wohnst.
AMPHITRUO.
Ist nie geschehn!
SOSIA.
So schweige doch! Ob nicht vielleicht, derzeit wir schliefen, doch
Das Schiff mit uns vom Hafen hergeflogen ist?
AMPHITRUO.
Und du
Bestärkst sie noch?[430]
SOSIA.
Was soll man machen? Ist dir's denn unbekannt?
Wenn man den rasenden Bacchantinnen entgegentritt,
Dann wird die Tolle nun erst völlig toll und haut oft zu.
Doch giebst du nach, befreist du sie auf einen Schlag.
AMPHITRUO.
Bei Gott!
Das steht mal fest: ich nehm' sie vor, die mir den Gruß versagt
Am Tag der Heimkehr.
SOSIA.
Wird ein Stoß in das Hornissen-Nest!
AMPHITRUO.
Halt's Maul! Alkumena, ein's will ich dich noch fragen.
ALKUMENA.
Was?
So frage nur!
AMPHITRUO.
Kam Dummheit über dich oder stieg dir in
Den Kopf der Übermut?
ALKUMENA.
Mein lieber Mann, wie kommt es dir
Nur in den Sinn, mich so zu fragen?
AMPHITRUO.
Weil du früher doch
Bei meiner Ankunft mich zu grüßen pflegtest und auch dann,
Wie's alle braven Fraun mit ihren Männern tun,
Zum Gruß mich anzusprechen. Von dieser Sitte hast du dich,
Wie ich bei meiner Ankunft sehen mußte, freigemacht.
ALKUMENA.
Ich habe dich doch gestern sicher, als du gekommen bist,
Sogleich begrüßt, nach deinem Wohlergehn gefragt, mein Mann,
Dir deine Hand gedrückt und dich geküßt.[431]
SOSIA.
Du hättest ihn
Begrüßt und gestern?
ALKUMENA.
Ja, und dich auch, Sosia, gegrüßt.
SOSIA.
Amphitruo, ich hab' gehofft, daß sie dir einen Sohn
Gebären wird, doch trägt sie keinen Sohn.
AMPHITRUO.
Was aber denn?
SOSIA.
Den Wahnsinn.
ALKUMENA.
Nein, ich bin gesund und fleh' die Götter an,
Daß ich gesund ein Kind gebären mag: dir aber steht,
Wenn der nur seine Pflicht erfüllt, ein hartes Leid bevor:
Für diese Prophezeiung sollst du was Gehöriges
Bekommen, mein Prophet!
SOSIA.
Ich mein, wenn eine schwanger ist,
Da muß man ihr mal Äppel geben, mal den Knüttel auch,
Damit sie was zu knabbern hat, wenn ihr mal übel wird.
AMPHITRUO.
Du hast mich gestern hier gesehn?
ALKUMENA.
Gewiß, ich sage doch,
Und wenn du's zehnmal hören willst.
AMPHITRUO.
Du hast's vielleicht geträumt?
ALKUMENA.
Nein, nein: ich selber wach' und du auch wach'.[432]
AMPHITRUO.
Ich Unglücksmensch!
SOSIA.
Was ist dir denn?
AMPHITRUO.
Mein Weib verrückt!
SOSIA.
Die schwarze Galle ist
Ihr aufgestiegen: das macht die Menschen riesig schnell verrückt.
AMPHITRUO.
Sag', Frau, wann hast du dich zuerst so überreizt gefühlt?
ALKUMENA.
Ich bin gesund und fühl' mich völlig wohl.
AMPHITRUO.
Wie sagst du dann,
Du hättst mich gestern schon gesehn? Da wir in dieser Nacht
Im Hafen eingelaufen sind? Ich habe dort zur Nacht
Gespeist und in dem Schiff geschlafen während der ganzen Nacht.
Ich habe meinen Fuß noch nicht in unser Haus gesetzt,
Seit ich von hier mit meinem Heere ausgezogen bin
Zum Teleboer Krieg, wir über sie den Sieg erlangt.
ALKUMENA.
Du hast ja aber doch mit mir gespeist, mit mir geruht.
AMPHITRUO.
Was habe ich?
ALKUMENA.
Ich sag' die Wahrheit.
AMPHITRUO.
Hierin nicht! Ob sonst?
Das weiß ich nicht.[433]
ALKUMENA.
Beim ersten Tagesgrauen gingst du fort
Zum Heere.
AMPHITRUO.
Wie?
ALKUMENA.
Ganz grad.
SOSIA.
Sie spricht aus der Erinnerung,
Erzählt dir ihren Traum. Doch, Weib, wenn du erwachen wirst,
Dann mußt du hin zum Jupiter und opfern gehen mit
Dem Salze, Mehle, Weihgeruch, daß er dem Unheil wehrt.
ALKUMENA.
Ich fluche dir!
SOSIA.
Es wär' dein eigner Schade, ließest du's.
ALKUMENA.
Zum zweiten Male schon erlaubt er sich, so frech zu mir
Zu sein und hat doch seine Strafe nicht?
AMPHITRUO zu Sosia.
So schweig!
Zu Alkumena.
Doch du:
Ich hab' dich heute früh verlassen in der Dämmerzeit?
ALKUMENA.
Wer anders hätte es denn mir erzählt, als ihr, wie dort
Die Schlacht verlaufen ist?
AMPHITRUO.
So weißt du das?[434]
ALKUMENA.
Weil ich's von dir
Gehört, wie ihr die größte Stadt erobert, aber du
Den König Pterela getötet hast.
AMPHITRUO.
Das hätte ich
Erzählt?
ALKUMENA.
Ja du, an jener Stelle, und Sosia stand dabei.
AMPHITRUO zu Sosia.
Hast du mich heute das erzählen hören?
SOSIA.
Wo sollte das
Geschehen sein?
AMPHITRUO.
Frag' sie!
SOSIA.
In meinem Beisein war es nicht,
Soviel ich weiß.
ALKUMENA.
Ein Wunder, wenn er dir nicht widerspricht!
AMPHITRUO.
Sieh, Sosia, mal her auf mich!
SOSIA.
Ich sehe schon!
AMPHITRUO.
Ich will,
Du sollst die Wahrheit sagen, will nicht, daß du mir nur so
Zustimmen sollst. Du hast gehört, wie ich ihr heute das,
Was sie da angibt, sagte?[435]
SOSIA.
Nun frag' ich dich, bist du denn auch
Verrückt, daß du mich sowas fragen kannst? Ich sehe doch
Selbst sie jetzt mit dir zugleich zum erstenmal!
AMPHITRUO.
Nun also, Weib,
Du hörst es doch?
ALKUMENA.
Gewiß, ich höre, daß er Falsches sagt.
AMPHITRUO.
Du glaubst nicht ihm und glaubst auch deinem eignen Manne nicht?
ALKUMENA.
Deswegen nicht, weil ich am meisten mir doch glaub' und weiß,
Daß es sich so ereignet hat, wie ich es sage.
AMPHITRUO.
So?
Du sagst, ich wäre gestern angekommen?
ALKUMENA.
Und du sagst,
Du wärest nicht von hier gegangen an dem heut'gen Tag?
AMPHITRUO.
Nein, nein! Ich sage, daß ich jetzt zum erstenmal zu dir
Nach Hause komm'.
ALKUMENA.
Mein Gott, da leugnest du vielleicht auch das,
Daß du mir einen goldenen Pokal am heut'gen Tag
Geschenkt, mit dem dich jene, wie du sagtest, erst beehrt?
AMPHITRUO.
Ich habe ihn dir wirklich nicht geschenkt und nichts gesagt,
Doch hatte ich es vor und habe es noch vor, dich mit
Dem Becher zu beschenken. Wer aber hat das dir gesagt?[436]
ALKUMENA.
Ich hab es selbst von dir gehört, aus deiner eignen Hand
Den Becher auch empfangen.
AMPHITRUO.
Halt, halt ein! Ich beschwöre dich!
Ich begreife nicht, wie, Sosia, sie davon Kunde hat,
Daß mir der Goldpokal verliehen worden ist. Es sei,
Daß du zuvor mit ihr zusammen warst und ihr dabei
Die ganze Sache ausgeplaudert hast.
SOSIA.
Nein, ganz gewiß:
Ich hab' ihr nichts gesagt, ich hab' sie nicht gesehen, war
Mit dir zusammen.
AMPHITRUO.
Was mag das nur mit meinem Weibe sein?
ALKUMENA.
Ich hol' den Becher, ist dir's recht?
AMPHITRUO.
Ja, schaffe ihn heran!
ALKUMENA.
Schon gut! Geh, Thessala, hinein und bring den Becher 'raus,
Den, den mein Gatte heute mir gebracht hat zum Geschenk.
AMPHITRUO.
Du, Sosia, komm beiseite! Von allen Wundern wäre das
Das wunderbarste, wenn sie wirklich jenen Becher hat.
SOSIA.
Wie kannst du so was glauben, da er doch verschlossen ist
In diesem Kästchen und petschiert mit deinem Siegel hier?
AMPHITRUO.
Und ist das Siegel heil?[437]
SOSIA.
Schau' selbst!
AMPHITRUO.
Wie ich's gesiegelt hab'.
SOSIA.
Du sorgst dafür doch, daß sie als Verrückte auch entsühnt
Durch Opfer wird?
AMPHITRUO.
Es wird gewiß doch nötig sein, da sie
So voller Spukgestalten ist.
ALKUMENA.
Wozu die Worte noch?
Da sieh, da ist der Becher!
AMPHITRUO.
Gib!
ALKUMENA.
Ja, schau' ihn dir nur jetzt
Gefälligst an, da du Geschehnes leugnest. Aber jetzt
Hab' ich doch offenbar dich überführt. Ja, ist es nun
Der Becher, den du als Geschenk erhalten hast?
AMPHITRUO.
O Gott,
Allmächt'ger Gott! Was seh' ich da? Wahrhaftig, ja – er ist's:
Der Becher! Sosia, ich bin verloren!
SOSIA.
Entweder ist
Das Weib die tollste Zauberin oder es muß der Becher hier
Darinnen sein.
AMPHITRUO.
Mach' zu und öffne deinen Kasten![438]
SOSIA.
Ach,
Wozu denn öffnen, da er richtig doch versiegelt ist?
Die Sache ist ganz klar: du hast einen zweiten Amphitruo
Geboren, ich einen zweiten Sosia: Wenn nun auch der,
Der Becher, einen Becher sich gebar, sind alle wir
Nun Zwillingspaare.
AMPHITRUO.
Nein, man muß ihn öffnen, muß ihn doch
Besichtigen!
SOSIA.
Da sieh dir, bitte, erst das Siegel an!
Sonst fällt die Schuld nachher auf mich.
AMPHITRUO.
Nur aufgemacht: Denn sie
Verlangt sonst gar in ihrer Tollheit, daß wir selber noch
Was Tolles tun.
ALKUMENA.
Von wem nun ist der Kelch, wenn nicht von dir?
Wenn nicht zum Geschenk gemacht von dir?
AMPHITRUO.
Untersuchen muß ich's erst.
SOSIA.
O Jupiter, o Jupiter!
AMPHITRUO.
Was ist dir denn?
SOSIA.
Es ist
Der Becher nicht im Kasten drin.
AMPHITRUO.
Was muß ich hören?[439]
SOSIA.
Was
Die Wahrheit ist.
AMPHITRUO.
Du kommst ans Kreuz, wenn du ihn mir nicht schaffst!
ALKUMENA.
Da ist er ja.
AMPHITRUO.
Wer also gab ihn dir?
ALKUMENA.
Der, der mich fragt.
SOSIA zu Amphitruo.
Du foppst mich! Bist auf andrem Weg geheim vorausgerannt,
Hast hier den Becher 'rausgenommen und ihn ihr geschenkt,
Dann heimlich wieder zugesperrt.
AMPHITRUO.
Verwünscht, nun unterstützt
Du sie sogar in ihrem Unsinn?
Zu Alkumena.
Du behauptest also doch
Wir wären gestern hier gewesen?
ALKUMENA.
Ja! Nach Ankunft hast
Du mich sogleich begrüßt, ich dich, und ich dich auch geküßt.
AMPHITRUO.
Von Anfang an gefällt mir nicht die Küsserei! Fahr fort!
ALKUMENA.
Dann hast du dich gebadet.
AMPHITRUO.
Nach dem Bad, was dann?[440]
ALKUMENA.
Zu Tisch
Gegangen.
SOSIA.
Hurra, famos! Frag' weiter!
AMPHITRUO zu Sosia.
Du unterbrichst mich nicht!
Zu Alkumena.
Fahr fort mit dem Bericht!
ALKUMENA.
Das Essen trug man auf: ich hab'
Mich neben dich gelegt.
AMPHITRUO.
Auf gleichem Lager?
ALKUMENA.
Ja, gewiß!
SOSIA.
Ei, ei, das paßt mir nicht, das Tischgelag'!
AMPHITRUO.
So laß sie doch
Die Sachen sagen!
Zu Alkumena.
Nach dem Mahl? Was dann?
ALKUMENA.
Da sagtest du,
Du wolltest schlafen. Der Tisch ward abgetragen und wir sind
Zu Bett gegangen.
AMPHITRUO.
Wo hast du geschlafen?
ALKUMENA.
Zugleich mit dir
In einem und demselben Bette.[441]
AMPHITRUO.
Tod und Teufel auch!
SOSIA.
Was ist dir denn?
AMPHITRUO.
Das gibt mir fast den Tod!
ALKUMENA.
Warum denn nur?
AMPHITRUO.
Du, sprich nicht mit mir!
SOSIA.
Ach, was ist dir nur?
AMPHITRUO.
Mit mir ist's aus!
Derweil ich fort war, hat man ihrer Ehrbarkeit den Schimpf
Getan!
ALKUMENA.
Um Gottes willen, Mann, was hör' ich da von dir?
AMPHITRUO.
Du nennst mich deinen Mann? Du Falsche, nenne mich doch nicht
Mit falschem Namen!
SOSIA.
Es hängt das Ding! Denn dieser Mann, so
Scheint's, ist in ein Weib verwandelt.
ALKUMENA.
Was hab' ich denn getan, wofür
Ich solchen Tadel hören muß?[442]
AMPHITRUO.
Das fragst du mich und führst
Doch selber deine Übeltaten auf?
ALKUMENA.
Was hab' ich dir
Zuleid getan, wenn ich mich dir in Lieb' ergeben hab'?
AMPHITRUO.
Dich mir ergeben? Welche beispiellose Dreistigkeit!
Wenn dir die Ehre fehlt, so wahre wenigstens den Schein!
ALKUMENA.
Was du mir da zum Vorwurf machst, das steht in Widerspruch
Zu unserem Geschlecht: du suchst Unehrenhaftigkeit
Bei mir? Du suchst umsonst.
AMPHITRUO.
Allmächt'ger Gott im Himmel, kennst
Du wenigstens mich noch, du, Sosia?
SOSIA.
So ziemlich, ja!
AMPHITRUO zu Sosia.
Ich habe doch im Schiff gegessen, gestern, im Hafen draus?
ALKUMENA.
Auch ich hab' Zeugen, die mir meine Worte bestätigen.
SOSIA.
Ich kann es mir nur so erklären: Vielleicht ist irgendein
Amphitruo noch da, der deine Angelegenheit
Besorgt, wenn du abwesend bist. Der falsche Sosia
War mir schon gräßlich wunderbar, noch wunderbarer wär's
Gewiß, wenn es auch gäbe einen Doppel-Amphitruo.[443]
AMPHITRUO.
Ein Verführer, scheint es, treibt sein freches Spiel mit diesem Weib.
ALKUMENA.
Ich schwöre dir beim höchsten Gott im Himmel, schwöre dir
Bei Juno, in deren Schutz die Mütter stehn, und deren Zorn
Ich jetzt besonders fürchten, meiden muß. Kein Sterblicher
Hat außer dir mit seinem Leibe meinen Leib berührt,
Unehrenhaftes mir zu tun.
AMPHITRUO.
Ich wünsch', es wäre wahr.
ALKUMENA.
Ich sag' die Wahrheit, doch was nützt es, da du's doch nicht glaubst?
AMPHITRUO.
Du bist ein Weib, und Weiber schwören keck.
ALKUMENA.
Wer nichts gefehlt,
Der darf sich zuversichtlich, offen, frei verteidigen.
AMPHITRUO.
Zu frei!
ALKUMENA.
Wie einer Braven ziemt.
AMPHITRUO.
In Worten nämlich brav.
ALKUMENA.
Nicht das gilt mir als Mitgift, was zumeist so heißt,
Nein: Keuschheit, Sittsamkeit, gezähmte Leidenschaft
Und Gottesfurcht, auch Elternliebe und der Sinn
Der Eintracht im Verwandtenkreis; dem Mann zumal
Ergebner Sinn, und daß man Guten hilfsbereit,
Rechtschaffnen in der Not nach Kräften nützlich sei.[444]
SOSIA.
Ja, wenn das alles wahr wär', was sie sagt, dann wäre sie
Wie nach der Schnur die Trefflichste.
AMPHITRUO.
Ich bin nun schon so mürb,
Daß ich schon selbst nicht weiß, wer ich wohl bin.
SOSIA.
Amphitruo,
Der bist du sicher. Nimm dich ja in acht, daß du dir nicht
Abhanden kommst. Die Menschen werden jetzt in dieser Art
Verwandelt, nachdem wir heimgekommen sind.
AMPHITRUO.
Ich werde, Weib,
Noch weiter diese Sache untersuchen, glaube mir!
ALKUMENA.
Gewiß, das wünsch' ich selbst.
AMPHITRUO.
Nun sag', wie wäre es damit,
Wenn ich den Naukrates vom Schiffe kommen ließe, der
Mit dir verwandt? Er war mit mir auf gleichem Schiff zur See.
Wenn der nun leugnet, was du als geschehen angibst, was
Verdienst du dann? Besteht dann Grund, daß ich die Vaterschaft
Verweigere?
ALKUMENA.
Wenn ich gefehlt hab' – nein!
AMPHITRUO.
Dann abgemacht!
Du, Sosia, führe sie hinein! Ich bring' den Naukrates
Vom Schiffe mit hierher. –
Eilig ab.
[445]
SOSIA zu Alkumena.
Es ist jetzt niemand außer uns
Noch da. Jetzt sage mir im Ernst: Ist noch ein Sosia
Da drin, der mir sehr ähnlich ist?
ALKUMENA.
Ach, geh mir doch vom Leib,
Du Sklave, der du deines Herrn würdig bist!
SOSIA.
Ich geh',
Wenn du's befiehlst. –
Ab.
ALKUMENA.
Es ist doch wirklich gar zu wunderlich!
Wie nur mein Mann darauf verfallen mag, mich einer Tat
So ungerecht zu zeihen, die so häßlich ist? Doch was
Es immer heißen soll, des werde ich ja jedenfalls
Jetzt bald gewiß durch meinen Anverwandten Naukrates. –
Ab in den Palast.
Buchempfehlung
Am Heiligen Abend des Jahres 820 führt eine Verschwörung am Hofe zu Konstantinopel zur Ermordung Kaiser Leos des Armeniers. Gryphius schildert in seinem dramatischen Erstling wie Michael Balbus, einst Vertrauter Leos, sich auf den Kaiserthron erhebt.
98 Seiten, 5.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
434 Seiten, 19.80 Euro