[387] MERKURIUS.
So, wie ihr wollt, daß ich bei eurem Handel mich,
Beim Einkauf und Verkauf durch reichlichen Gewinn
Euch gnädig zeige und in allem hilfreich sei,
Und wie ihr wollt, daß euer Vermögen immerfort
Und Rechnungswesen im Außenhandel wie daheim
Durch tüchtigen Gewinn von mir gesegnet sei,
Was ihr begonnen habt und erst beginnen wollt,
Und wie ihr wollt, daß euch und auch den Eurigen
Ich stets mit guter Botschaft diene, immer nur
Das meld' und bringe, was ihr selbst am meisten wünscht,
(Ihr wißt ja doch, daß von den andren Göttern mir
Das zugestanden und verliehen worden ist,
Dem Botenwesen und Geschäften vorzustehn):
So, wie ihr also wollt, daß ich dabei mich euch
Geneigt und gnädig zeige, [daß es an Gewinn
Euch niemals mangle], ebenso nun bitt' ich euch:
Hört schweigend dieses Schauspiel an und bewähret euch
Gerecht und billig in dem Urteil allzumal.
Jetzt sollt ihr hören, auf wes Befehl ich gekommen bin,
Zu welchem Zweck, und wie ihr mich benennen sollt:
Ich komm' auf Jupiters Befehl und heiß' Merkur.
Mein Vater schickte mich, daß ich euch bitten soll,
Obschon sein Wunsch euch gelten wird wie ein Befehl,
Dieweil er aus Erfahrung weiß, daß nach Gebühr
Ihr ihn verehrt und fürchtet, ungeachtet des
Hat er ausdrücklich mir befohlen, bittend nur,
Mit gutem Wort, um das euch anzugehen, was
Er wünscht. Denn Jupiter, auf dessen Wunsch ich hier
Erscheine, scheut die Strafe grade so wie auch
Nur irgendwer von euch: Von ird'schem Vater und
Von ird'scher Mutter stammend, sieht er gern sich vor.
Das darf euch nicht verwundern. Ich selbst, der ich der Sohn
Bin Jupiters, verleitet durch des Vaters Angst,
Bin auch in Furcht und komm' deshalb in Friedlichkeit
Und bring' denn euch den Frieden: wünsche mir von euch
Gerechte, freundliche Behandlung, denn man will
Als treuer Sprecher auch getreu behandelt sein,[387]
Und von Gerechten doch nicht Ungerechtigkeit.
Gerechtigkeit von Ungerechten fordern, das
Wär' Unvernunft, da diese Recht nicht kennen und
Nicht üben. Also jetzt mal aufgepaßt gesamt!
Ihr müßt von gleichem Wunsch erfüllt sein wie auch wir;
Wir haben uns, mein Vater und auch ich, doch sehr
Verdient gemacht um euren Staat. Ich seh' ja doch
Tragödien, darin Neptun, Viktoria,
Die Virtus, Mars, Bellona Rollen spielen, weil
Sie Gutes euch erwiesen hätten – ist aber denn
Mein Vater, der Götter Herr und Weltenlenker, nicht
Der Bauherr aller? Seine Sitte war es nie,
Euch vorzuhalten, was er Gutes Guten tat.
Er weiß, daß ihr ihm dankbar seid für alles, was
Er Gutes euch erweist. Zuerst tu' ich jetzt kund,
Um was zu bitten ich hierher gekommen bin.
Sodann erzähl' ich euch die Fabel dieses Stücks.
Ihr kraust die Stirnen, weil ich eine Tragödie
Euch angekündigt habe? Da ich Gott bin, werd'
Ich das veränderen: auf euren Wunsch soll jetzt
Die Tragödie von mir mit gleichen Versen in
'ne Komödie umgewandelt werden. Ist's euch recht?
Nicht recht? Doch bin ich nicht zu töricht, grad als ob
Ich, der ich Gott bin, selbst nicht wüßte, was ihr wollt?
Mir ist bekannt, was ihr darüber denkt, darum
Entsteht jetzt eine Tragiko-Komödie.
Unpassend scheint es, daß sie ganz Komödie sei,
Weil Könige und Götter darin handeln. Drum,
Da auch ein Sklave seine Rolle haben wird,
Wird, wie gesagt, die Tragiko-Komödie daraus.
Es bittet jetzt durch mich der Jupiter, daß doch
Detektivs gehen mögen durch alle Bogenreihn,
Ob sie vielleicht Claqueure finden, diesen dann
Zur Sicherheit die Mäntel nehmen. Wer erschleicht
Die Siegespalme, sei es für den Spieler, sei's
Für irgendeinen Künstler, sei es schriftlich nur,
Sei's, daß sie selbst erschlichen, oder daß für sie's
Ein Zwischenträger täte, sei es, daß sogar
Sie es betrügerisch durch die Ädilen tun,
Das soll auf Jupiters Befehl grad ebenso[388]
Geahndet werden, als wenn jemand sich ein Amt
Für sich erschleichen oder einen anderen will.
Er wünscht der Tüchtigkeit den Sieg, doch nicht etwa
Dem Ehrgeiz und der Hinterhältigkeit; weshalb
Dem Komödianten nicht das gleiche Recht, das für
Die höchsten Ämter gilt? Die Tugend soll den Kampf
Entscheiden, nicht die Gönnerschaft. Es hat auch stets
Wer rechtlich handelt seine Gönnerschaft, wofern
Gewissenhaftigkeit besitzen, in deren Hand
Die Sache liegt. Auch das noch hat mein Vater mir
Empfohlen, die Akteure prüfen lassen, ob
Sie sich nicht Klatscher angewiesen haben, daß
Durch ihren Beifall nicht zu kurz ein andrer kommt.
Man sollt' die Jacke ihnen und das Fell verhaun.
Ihr wundert euch vielleicht, daß Jupiter sich um
Schauspieler so viel kümmert. Wundert euch nur nicht:
Denn Jupiter spielt selbst in diesem Stücke mit.
Ihr seid erstaunt? Als ob das so was Neues wär',
Daß Jupiter Komödie spielt und ich mit ihm.
Und nun merkt auf, da ich den Inhalt dieses Stücks
Euch künde: Das ist Theben, und den Palast
Bewohnt Amphitruo, der Sohn des Argus, der
Aus Argos stammt. Seine Gattin ist Alkumena,
Des Elektrus' Tochter. Der Amphitruo ist jetzt
Zum Oberkommandant des Heers ernannt, dieweil
Im Kriege gegen die Teleboer liegt das Volk
Von Theben. Eh er selbst ins Feld gezogen, hat
Er seine Gattin geschwängert, die Alkumena.
Ich denke nun, ihr kennt doch meines Vaters Art:
Wie ungeniert in derlei Sachen er verfährt,
Wie oft er nach Belieben Liebeleien pflegt.
Er hat jetzt mit Alkumena, ohn' daß ihr Mann
Es weiß, sich eingelassen, Besitz von ihrem Leib
Genommen, so daß sie nun auch durch seine Tat
Geschwängert ist. Damit ihr also recht versteht:
Sie ist jetzt zwiefach schwanger, teils von ihrem Mann
Und teils vom höchsten Jupiter. Mein Vater liegt
Jetzt drin bei ihr und deshalb ist die heut'ge Nacht
Verlängert worden, bis er sich mit diesem Weib
Nach Wunsch belustigt hat. Doch stellt er sich, als ob[389]
Er wäre der Amphitruo. Damit ihr euch
Nicht wundert über meinen Aufzug, da ich hier
Auftrete wie ein Sklave hergerichtet, trag'
Ich eine alte und bekannte Sache vor,
Als wäre es was Neues, weshalb ich nämlich hier
In neuer Tracht erscheine: Jupiter, ihr wißt,
Mein Vater, ist jetzt drin. Er hat Amphitruos
Erscheinung angenommen: Alle Sklaven, die
Ihn sehen, halten ihn für den Amphitruo.
So kann er sich verwandeln, wenn's ihm gerade paßt.
Und ich, ich habe die Erscheinung Sosias,
Des Sklaven, angenommen, der mit seinem Herrn
Von hier zu Feld gezogen ist; so nämlich kann
Ich meinem Vater bei der Liebe nützlich sein,
Damit kein Hausgenosse fragen könne, wer
Ich sei, der mich hier ein- und ausmarschieren sieht;
Jetzt halten sie für einen Sklaven mich, der ihr
Genosse sei, und niemand fragt mich, wer ich bin,
Und was ich suche. Mein Vater dient jetzt seiner Lust
Da drinnen, liegt in deren Arm, nach der zumeist
Sein Sehnen geht. Mein Vater Alkumenen jetzt
Erzählt von dem, was sich beim Heer ereignet hat:
Und sie, sie meint, es wär' ihr Mann, mit dem sie doch
Ehbruch begeht. Mein Vater sagt ihr dort, wie er
Die feindlichen Legionen schlug und beutereich
Beladen komme. Was Amphitruo für sich
Geschenkt erhalten hatte, nahmen wir ihm ab;
Leicht kann mein Vater tuen, was er tuen will.
Heut kommt Amphitruo von seinem Heere her.
Mit ihm der Sklave, dessen Ebenbild ich bin.
Damit ihr uns nun leichter unterscheiden könnt:
Ich trag' beständig an dem Hut die Flügelchen;
Mein Vater aber trägt ein Stirnband unterm Helm.
Der wahre Amphitruo trägt dieses Zeichen nicht.
Kein Hausgenosse diese Zeichen merken kann.
Doch ihr, ihr sollt sie sehn. Der Sklave Sosias
Der hier mit der Laterne von dem Hafen kommt,
Den scheuch' ich bei der Ankunft vom Palaste fort.
Gebt acht! Es lohnt sich wirklich zuzuschauen, wenn
Der Jupiter Theater spielt und der Merkur.
[390]
Buchempfehlung
Der Held Gustav wird einer Reihe ungewöhnlicher Erziehungsmethoden ausgesetzt. Die ersten acht Jahre seines Lebens verbringt er unter der Erde in der Obhut eines herrnhutischen Erziehers. Danach verläuft er sich im Wald, wird aufgegriffen und musisch erzogen bis er schließlich im Kadettenhaus eine militärische Ausbildung erhält und an einem Fürstenhof landet.
358 Seiten, 14.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro