Nr. 105. Die Burgmieke.

[68] Die Burgmieke, die auf dem Burgberge gewohnet, hat so viele Katzen gehabt (einige sagen sieben, andere sagen elf, andere zwölf, andere dreizehn), aber alle Katzen sind weiß gewesen; auch sagen viele Leute, die Katzen wären ihre Kinder gewesen. Jede Katze hatte ihren eigenen Namen, die eine hieß Adämken, die andere Brillken u.s.w. Jede Katze hatte auch ihren eigenen Trog, und die Katzennäpfe waren immer so blank gescheuert, daß sie blitzerten und blänkerten. Wenn die Burgmieke ausgegangen war, so lauerten alle ihre Katzen auf sie, bis sie wiederkam, und dann hatte sie jeder Katze einen Zwieback mitgebracht. Jeden Freitag, wenn's unten in die Betstunde geläutet hat, hat die Burgmieke geweint; warum, das weiß man nicht. Einige sagen, es sei ihr einmal an einem Freitage[68] eine Katze gestorben, welche Kesemirken geheißen habe, und darum habe sie immer gesagt: »Allewiele lüt öt mienen Kesemirken wat.« Wenn ein Unwetter kam, so winkte sie den Mähern unten am Berge. Einige meinen auch wohl, ihr Bruder, der Burg-Hansjürgen, möchte vielleicht an einem Freitage gestorben sein, und da möchte sie wohl geweint haben, weil ihr Bruder tot sei. Der Familienname der Geschwister war Bierbaum. – Von dem Burg- Hansjürgen wird erzählt, daß sie ihn einmal nach Braunschweig unter die Soldaten genommen hätten, da habe er aber das Exerzieren nicht loskriegen können und dem Herzoge ein Vierfaß auserlesener Haselnüsse vom Burgberge versprochen, wenn er ihn wieder gehen ließe. Da habe der Herzog ihn gehen lassen, und der Burg-Hansjürgen habe nachher richtig das Vierfaß Haselnüsse angebracht.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Harzsagen, zum Teil in der Mundart der Gebirgsbewohner. Leipzig 21886, S. 68-69.
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