Zu den Sagen vom Regenstein.

(S. 40 u. 41.)

[218] Der Name Regenstein. Nr. 112. Aus Abel a.a.O. S. 41. – Herr Oberlehrer Keßlin zu Wernigerode hat in einer Vorlesung, die er im wissenschaftlichen Vereine zu Wernigerode über den Regenstein hielt, über den Namen Folgendes zusammengestellt: »Was den Namen des Felsens betrifft, so bemerkt Stübner in seinen Denkwürdigkeiten des Fürstenthums Blankenburg Folgendes darüber: Er bekam[218] den Namen Reinstein entweder vom Mangel der Bekleidung, weil er schon von Alters ein nackender, reiner Felsen war, oder von seiner Lage, nach welcher er theils ein Rainstein d.i. Grenzstein de Felder der in der Nähe gelegenen Dörfer, theils ein Felsen auf einem Rain d.i. auf einem langen und schmalen mit Gras bewachsenen Strich Landes zwischen den Aeckern war. Regenstein wurde er nur nach der von der oberdeutschen abweichenden, niederdeutschen Mundart genannt.

Diese Ansicht Stübner's scheint aber keineswegs die richtige zu sein. Die Schreibart Regenstein findet sich schon 1173 in einer Urkunde Kaiser Friedrichs I., in welcher Conradus comes de Regenstein als Zeuge genannt wird, auch anderweitig im 12ten Jahrhundert. Desgleichen wird Henricus comes de Regenstein in einer Urkunde vom Jahre 1512 genannt, welche von Leukfeld in seinen Antiquitates Blankenburgenses pag. 80 angeführt wird. Im Jahre 1197 schreibt der Graf Conrad selbst: Ego Conradus comes de Regenstein. Diese Benennung ist auch in den spätern Urkunden bei weitem die gewöhnlichere. Es ist also kein Grund vorhanden, die Form Reinstein für die ursprüngliche und einzig richtige zu erklären, wiewohl diese Zusammenziehung der Benennung Regenstein üblich und zulässig ist und in neuerer Zeit häufig gebraucht wird.«

Meine eigene Ansicht über den Namen Regenstein habe ich schon früher in der deutschen Reichszeitung, 1854, No. 41 ausgesprochen. Der Artikel ist folgender: »Der Name des Regensteins, dieser in einen Sandsteinfelsen bei Blankenburg gehauenen ehemaligen Ritterburg, hat zu manchen Vermuthungen Anlaß gegeben, da für Regenstein auch der Name Reinstein vorkommt. Der Regenstein ist weder ein Stein, auf dem es immer regnet, noch ein rein aussehender Stein: deshalb suchte man den Namen von Reihe abzuleiten. Man ging also davon aus, daß mehre Steine hier in derselben Reihe lägen, wobei man vielleicht an die Teufelsmauer dachte, und daß der Regenstein, der hauptsächlichste davon, deshalb vorzugsweise der Reinstein genannt sei. So will man auch in Harzburg den Namen des Elfensteins unweit des neuen herzoglichen Lustschlosses nicht von den Elfen herleiten, sondern davon,[219] daß der Elfenstein der hauptsächlichste von elf in einer Reihe liegenden Felsen sei. Wenn dem wirklich so wäre, so wäre der Elfenstein zwar einer von den elf Steinen, aber darum noch kein Elfstein.

Mehr hat die Ableitung des Regensteins von Reihenstein für sich. Aus Reihe konnte allerdings Rege werden, wie Jeder weiß, der den plattdeutschen Dialekt kennt, und wie sich außerdem noch durch Analogien aus andern Dialekten, welche die historische Grammatik ergiebt, nachweisen ließe.

Allein auffallend bliebe es immer, warum dann bei der nun einmal schwankenden Schreibung neben Reinstein der Name Reihenstein – so viel wir wissen, gar nicht, und wenn überhaupt, doch gewiß nur selten, vorkommt. Ich erkläre deshalb den Namen Regenstein auf folgende Weise, durch die ich seinen Namen zugleich mit seiner großen Vergangenheit in Einklang setze.

Im Althochdeutschen heißt ragin, auch ragan, regin Berathschlagung, Rath. Man findet dies bereits in Grimms Grammatik angeführt, und Otto Abel hat schon weiter entwickelt, wie aus ragin, regin, dann rein geworden, wie davon herkommt Reginhard oder Reinhard, abgekürzt Reineke, der im Rathe starke, ein Name, welchen der Fuchs führt, dann Reginald oder Reinald, der Rathwaltende, dann auch Reginmar oder Reinmar, und wie manche andere Namen daraus entstanden sind.

Der Reinstein oder Regenstein ist also ein Raginstein, ein Stein, auf dem Rath gehalten wurde, ein alter Versammlungsstein.

Diese Versammlungen auf dem Regensteine waren in der ältesten Zeit jedenfalls religiöser Art, sie brauchen aber darum nicht bloß zu Opfern gehalten zu sein, sondern können namentlich auch Gerichtsversammlungen gewesen sein.

Daß der Regenstein ein heidnischer Gerichtsort gewesen sein mag, dafür spricht eine schon bekannte Sage, wonach man dort noch oft das Hämmern vieler Schmiede vernimmt. Diese Sage deutet auf Donar (Thor), den Gott des Donners, der Schmiede und des Gerichts, welcher auf dem Regensteine verehrt sein wird.

Der Regenstein wurde von einem der ältesten Grafengeschlechter des Harzes bewohnt, und die Grafen standen[220] überall dem Gerichte vor. Weit erstreckte sich das Gebiet der Grafen von Regenstein, und vom nahen Blankenburg wenigstens wissen wir, wie es einem weiten Gerichtssprengel vorstand.«

Zu dem Worte moete s. das Bremer Wörterbuch; J. Grimm, deutsche Gramm., 1. Thl., 3. Aufl., S. 243; auch Benecke's ausführliche Anm. zu Z. 5331 des Iwein (2. Ausg. von Benecke und Lachmann) und Benecke's Wörterbuch zu Iwein unter ich muote.

Steine auf dem Regensteine. Nr. 113. Aus Behrens Hercynia curiosa, S. 162. Nach anderer Quelle, jedoch wenig abweichend, auch bei Grimm, deutsche Sagen, I. Nr. 109.

Quelle:
Heinrich Pröhle: Unterharzische Sagen. Aschersleben 1856, S. 218-221.
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