Rübezahl betreugt einen Korn-Juden.

[181] Wie unlängst das Getreyde in unserm Vaterlande / so muthwillig theuer gemachet wird / in deme es von den Wuchern hinausgeschafft / und den Fremden verkauffet ward; da sol es geschehen seyn / dz ein Korn Jude etliche hundert Wispel Rocken auf seinen Boden liegen gehabt: Umb welches zuverkauffen er auch vielmal von bedürfftigen Landesleuthen angeredet ist worden: Aber vergebens; denn dem unbilligen Menschen war es noch nicht theuer genug gewesen; ungeacht / ob man es schon für 5 oder 6. Gülden verkaufft und eingekaufft: Derohalben er es[181] noch immer länger liegen zulassen gesonnen war: biß es noch mehr möchte austragen. Wie solches aber der schlaue Rübezahl vermercket hat; da sol er den Schinder also geäffet haben: Er hat ihn die Augen verblendet / daß /wie er auff seinen Boden einmahl gegangen welches denn offte gnug von ihme vorgenommen: Wenn er seine Herrligkeit admiriren wollen / und seine Seele mit jenem Biblischen Dardanario glückseelig preisen: es geschienen sol haben / wie alle Körnerichen lebendig und zu Würmen würden und nach einander zum Kapfenstern hinausflögen: den Boden aber leer verliessen. Ach wie sol der Galgenschwengel da angefangen haben zu grausen: Ja er sol bedacht gewesen seyn ietzt einem Strick zu suchen / unn seinen Schelmischen Rumpf drein zu hencken / wie man denn auch sagen wil / daß es in gegenwertigen Leufften sich anderswo begeben: Daß / wenn andere Geitzhälse vernommen / daß das Korn beginne abzuschlagen /sie gleichfalls nach[182] dem Striche sich umbgesehen /und schier in Verzweiffelung gerathen. Aber wie jener König sich ietzt stranguliren wil / und das Seil angeknüpfft gehabt: Da sol der Geist dem Henckers Gebrathens die Glutzen eröffnet haben / daß alles Getreyde noch vorhanden gewesen / derentwegen er sich denn nicht gehangen / sondern mit Freuden herunter mitten ins Korn gesprungen. Aber nichts desto minder war er in seiner Schinderey fortgefahren / hat das Korn nicht loß schlagen wollen / ob gleich viel Mangel-leidende Menschen es für einen ziemlichen bahren Pfennig begehret / solches sol dem Rübezahl verdrossen haben / daß er mit der vorigen Bedräuung den Kerl nur gestärcket / und unverhofft seine unbarmhertzige Seele verhärtet gehabt / derentwegen sol er ihn härter angegriffen haben / folgender Massen: Wie etliche Tage hernach der Wucherer abermal seine Augen-Weyde und ungebührliche Hertzens-Lust / an Beschauung des Getreydigs[183] pflegen wolte / da sol er (der Geist) sich hinder das Korn gestellet haben /indem er sich wie ein greulicher grosser Riese præsentiret / grosse Augen wie Käse-Näppe mit feurigen Strahlen erblicken lassen / und ein Maul gehabt wie ein auffgethaner Sack: In solcher Positur, sol er geschwinde alles Korn angefangen haben zu verschlingen / daß der bestürtzte Rocken-Matz vom Boden gelauffen / wie ihn der Hencker herunter jagte / und hiermit war alle seine Hoffnung aus gewesen / da doch sonsten es heisset / Spes alit agricolas; da hat diesen ungerechten Haußhalter die Cura, (qvasi cor edens) überfallen / und allgemählig gantz abgezehret / daß er für Leyd mit Ach und Weh den allerletzten Virgilischen Vers scandiren oder descendiren gelernet: Vitaqve cum gemitu fugit indignata sub umbras. O recht! Das ist die rechte Scherne / darinnen der Teuffel sein Korn ausdrischet / wenn er auff seine fasciculos mortuorum, (da hingegen der liebe[184] GOtt die seinigen in fasciculo viventium, oder Bündlein der Lebendigen / abgefasset hat:) oder höllische Bünde mit Feuer Flegeln herwischet / und sie dermassen tribuliret, daß sie in Ewigkeit büssen müssen / wie denn jener Mäyntzische Bischoff / der dockmäusigter Hatto sich gewißlich unendlich leidet. O ihr ungerechten Einerndter / kommet mit Freuden / und bringet eure Garben / so wird euch solches Unheil nicht begegnen / sondern werdet Freude die Fülle haben / und liebliches Wesen zur Rechten GOttes ewiglich. Weiter kan ich auch alhier nicht verbergen / daß ich nicht aus Hertzens Grunde solte der löblichsten Obrigkeit / an meinem geringen Theile gebürlich dancksagen / dz sie der begonnenen Schinderey weiter abzuhelffen / sich eusserstes bemühet haben: Indeme sie allhier im gantzen Lande scharffe Befehl angeschlagen / daß man das Korn im Lande behalten möchte / welches der gnädige GOTT uns allhier zum gemeinen Auskommen[185] und Erhaltung / im vorigen Jahr noch wachsen lassen. Der grundgütige GOtt erhalte sie im vorgenommenen Eyfer und väterlicher Auffsicht / damit mit dem neuen Korn / so allgemählich vom Felde angefahren und beygeleget wird / uns nicht auffs neue möge entwendet / sondern / weil es uns GOtt gönnet /mit geniessen mögen. Hingegen wolle der gerechte GOtt die heyllosen Saturninos entweder bekehren /oder in ihrer Ungerechtigkeit umbkehren / weil sie mit solchen GOttes Gaben ungebührend umbgehen / die sie gleichsam geschenckt bekommen / und zwar aus der Erde / unser aller Mutter. Was gedencken doch die boßhafftigen Schacherer / solte wohl dermaleins die liebe Erde solche verzweiffelte Söhne beherbergen / und nicht ausspeyen / wie mit etlichen Parriodis geschehen.

Quelle:
Praetorius, Johannes: Des Rübezahls Dritter und gantz Nagel-neuer Historischer Theil. Leipzig, Arnstadt 1673, S. 181-186.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Rübezahls Dritter und gantz Nagel-neuer Historischer Theil
Rübezahls Dritter und gantz Nagel-neuer Historischer Theil