Drey und Zwanzigstes Kapitel.

[291] Wie die Königinn beym Abendessen bedienet ward, und wie sie aß.


Die Dam', nach Endigung dieser Red, wandt sich an ihre Cavalierer und sprach zu ihnen: Der Magen-Mund, als allgemeiner Hof-Fourier und Proviantvogt aller Glieder, unterer wie oberer, bestürmt uns, mittelst Auftragung bastanter Nahrungsmittel ihnen zu refundiren, was durch stete Wirkung der natürlichen Wärm auf unsre radicalischen Säft ihnen entzogen worden war. Spodizatoren, Cesininer, Nemanen, Parazonier! an euerm Eifer fehl es nicht daß sich die Tafeln schleunig decken, daß sie von allen Gattungen rechtmässiger Erfrischung strotzen. Ihr auch, Präguster, edle Herrn! mit meinen lieben Massiteren treu verbundne! Die Gewähr eurer mit Treu und Fleiß bordirten Geschicklichkeit macht daß ich euch nicht erst gebieten darf, euch also in euerm Dienst zu zeigen und stets aufmerksam zu seyn. Nur was ihr thut zu thun, erinnr ich euch. – Nach diesem Spruch begab sie sich nebst etlichen von ihren Zofen auf kurze Zeit hinweg, und zwar ins Baad, wie man uns sagt': als welches bey den Alten ein so allgemeiner Brauch war, wie bey uns vor Tisch das Händewaschen. Sogleich schlug man die Tafeln auf, und deckt' sie mit erlesnen Zwehlen. Die Hausordnung war, daß die Dam' nichts aß als himmlische Ambrosia, nichts trank als Götter-Nektar. Aber die Herrn und Damen ihres Hofes und wir deßgleichen, wurden mit so raren, leckern, köstlichen Gerichten als Apicio nur je im Traum erschienen, bedient.

Zum Tafel-Schluß kam ein Potpourry, wenn ja der Hunger noch gemuckt hätt; und war von solcher Größ und Umfang, daß es der güldne Platanus den einst Pythius Bithynus dem König Dario schenkte, kaum bedeckt hätt. Dieß Potpourry stak voll Potagen aller Art, Salaten, Pojenten, Frikasseen, Rebhuhn-Tunken, Karbonaden, Gesottnem[292] und Gebratnem, braungeschmauchten uralten Schunken, voll grosser Stücken Pökel-Rindfleisch, Sau-Eiter zum Entzücken, Torten, Pasteten, Backwerk, Kuskusgräuplein à la moresque die Hüll und Füll, Gelee, Creme, Käsen, Rahm-Schnee, Obst von allen Sorten. Ob mir nun zwar all dieß gut und lecker schien, hab ichs doch gleichwohl nicht angerührt, weil ich schon ziemlich voll und satt war. Nur dieß noch melden muß ich, daß ich daselbst auch blinzende Blinzen sah, ein ziemlich rar Gebäck, und waren die Blinzel-Blinzen in den Pot mit eingeplinzt. Auch fanden wir auf dem Boden desselben eine grosse Meng Würfel, Karten, Schach-Tarock-Bret- und Kockenspiel nebst ganzen Schaalen voll Sonnenthaler, wär etwann Lust zu spielen hätt.

Ganz zu unterst sah ich endlich noch eine Anzahl schön gezäumter Maulthier mit sammtenen Satteldecken, item Zelter für Damen und Herrn, mit Sammt schön ausgeschlagne Sänften, hab nicht einmal gezählt wie viel, und etliche Kutschen auf Ferraresisch, für Die spazieren fahren wollten.

Dieß schien mir eben nicht wunderbar. Neu aber fand ich doch die Art der Dam wie sie zu essen pflegt'. Sie käuet' nichts, nicht weil ihrs etwann an guten derben Zähnen gefehlt hätt, oder weil ihre Speissen nicht des Käuens wären bedürftig gewesen; sondern es war so ihr Gebrauch und Lebensart. Wenn die Prägusten ihre Speissen zuvor erprobt, empfingen sie die Massiteren, und käuten sie ihr zierlichst für: wobey ihr Schlund mit Karmesin-Atlaß von zarter Gold-Cantilg und Stickerey und ihr Gebiß mit schönem weissen Elfenbein gefuttert war: und wenn sie ihr damit das Essen sattsam klar und fein zerschroten, ward es ihr durch einen Seiher von feinem Gold bis in den Magen hinabgeseihet. Deßgleichen ward uns auch erzählt daß sie nicht anders zu Stuhle ging als per procuram.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 291-293.
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