Fünftes Kapitel.

[48] Wie Pantagruel auf ein Schiff mit Reisenden traf, die aus Laternen-Land kamen.


Am fünften Tag, als wir uns schon sacht um den Pol, vom Gleicher abwärts zu drehn begannen, entdeckten wir ein Handelsschiff, das luvwärts auf uns ankam. Die Freud war nicht gering, sowohl bey uns als den Handelsleuten: bey uns, daß wir vom Meer; bey ihnen, daß sie vom Festland Zeitung erhielten. Als wir zusamen kamen, sahn wir daß es Santogner Franzleut waren. Aus dem Gespräch und Verkehr mit ihnen erfuhr Pantagruel, sie kämen aus dem Laternen-Land; darob er, wie auch die ganze Schiffsmannschaft, noch eins so froh ward. Denn auf unsre Erkundigungen nach dem Land und Sitten des Laternen-Volks ward uns gemeldet daß Ende nächsten Julii das laternische General-Capitel anberaumt wär, und wenn wir alsdann (wie uns leicht thunlich) dorthin kämen, wir eine schöne, würdige und lustige Laternen-Gesellschaft vorfinden würden; man träf dazu schon grosse Anstalt, gleich als wenn man recht aus dem Grund laternen wollte. Deßgleichen ward uns angezeigt, daß, wenn wir das grosse Königreich Gebarim passirten, uns der Herr desselben,[48] König Ohabé stattlich empfangen und pflegen würde; denn er nebst seinem ganzen Volk sprächen gleichfalls die Franzen-Sprach, Tourainer Mundart.

Während wir dieß noch erkundigten, bekam Panurg mit einem Kaufmann namens Zinshahn aus Taillebourg, Streit. Dessen Anlaß war folgender. Wie dieser Zinshahn den Panurg ohn Hosenlatz und mit der Brill an der Mütz sah, sagt' er zu seinen Gefährten von ihm: Schaut 'mal die saubre Hahnrey-Fratz! – Panurg, der wegen seiner Brill weit leiser denn gewöhnlich hört, frug, als er diese Wort vernahm, den Handelsmann: Wie Teufel soll ich Hahnrey seyn, der ich noch nicht einmal ein Weib hab, wie du hast? denn das seh ich schon an deinem ungewaschnen Maul.

Wohl, sprach der Kaufmann, hab ich eins; und gäb's nit hin für alle Brillen in ganz Europa, nicht um die Lupen von Afrika. Denn, mit Gunst der Andern, Ich hab eins der allerschönsten, gätlichsten, bravsten und züchtigsten Weiber in ganz Santonge. Ich bring ihr auch von meiner Reis einen schönen rothen, eilf Zoll langen Corallen-Zinken zum heiligen Christ mit. Was schiert's dich? Worein mengst du dich? Wer bist du? Woher kommst du, o du Brillner des Antichrist? Wenn du von Gott bist, so gieb Antwort.

Ich frag dich, sprach Panurg: wenn ich, mit Fug und Uebereinstimmung der vier Element, itzt dein so schönes, gätlichs, braves und züchtigs Weiblein schickschackuranzirapunzulirt hätt, so daß ihr der steife Garten-Gott Priapus, der hie frank und frey der Nestelhaft entledigt wohnt, so unglückseeligerweis im Leib säß, daß er nicht wankt' und nicht wich, auf ewig drinn bleiben müßt, wo du ihn nicht mit den Zähnen auszögst: was thätest du? liessest ihn drinnen ewiglich? wie? oder zögest ihn heraus mit gutem Zahn? Gieb Antwort, o du Hammler Mahoms! der du[49] von allen Teufeln bist! – Ich gäb dir, antwort ihm der Kaufmann, einen Schwertstreich auf dieß dein Brillen-Ohr, und schlüg dich, wie einen Hammel todt. – Damit griff er zu seinem Schwert. Allein er bracht es nicht vom Leder, wie ihr wohl wißt daß alle Wehr zur See leicht Rost ansetzt, von wegen der vielen salzigen Feuchtigkeit. Panurg floh zu Pantagruel. Bruder Jahn zog seinen frisch gewetzten Fochtel, und hätt den Kaufmann grimmig erschlagen, wenn nicht der Schiffspatron und die andern Passagierer Pantagruelen gebeten hätten, auf seinem Schiff kein Skandal zu gestatten. So ward ihr Zwist denn bald gestillt, schüttelten sich die Händ einander, Panurg und der Kaufmann, und tranken sich frisch zum Zeichen vollkommener Sühn Bescheid zu.

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 48-50.
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