Neun und Zwanzigstes Kapitel.

[114] Wie Pantagruel an dem Eiland Duckdich vorbey kam, wo Fastnacht regierte.


Nachdem die muntre Flott itzt wieder in Stand gesetzt und repariret, mit Lebensmittel frisch versehn, die Makräonen ob des Aufwands den Pantagruel gemacht, mehr als vergnügt und contentirt, auch unsre Leutlein fröhliger als jemals waren, stachen wir am andern Tag mit hellem holden Aquilonischen Sporen-Wind sehr lustig in See. Am hohen Tag wies uns von fern Xenomanes das Eiland Duckdich, wo Fastnacht regierte: von dem Pantagruel zuvor schon erzählen hören, und ihn gern von Angesicht gesehen hätt. Doch widerrieth's ihm Xenomanes, sowohl des grossen Umwegs halber, als weil man auch, wie er behauptet', sehr magern Spaß auf dem ganzen Eiland, sowie am Hof des Königs fänd. In Bausch und Bogen, sprach er, seht ihr an ihm einen grossen Erbsbreyfresser, ein unersättlich Heringsmaul, einen gewaltigen Maulwurfsfänger, Heubinder, und halb ausgewachsenen Riesen mit Milchbart und Doppel-Tonsur, gebürtig aus Laternenland, auch selbst ein grosser Laternen-Mucker, Großbannerherr der Ichthyophagen, Dictator von Sinapien, Klein-Kinderfochtler,[114] Aschenbrenner, Vater und Brotherr aller Aerzt, von Indulgenzen, Stationen und Ablaß strotzend, ein frommer Gesell, Betbruder und eifriger Katholik. Drey Viertel des Tages heult und greint er. Zu keiner Hochzeit kommt er nicht. Allein die Wahrheit zu gestehen, ihr findet keinen geschickteren Spicknadelmacher und Bratspießschnitzer in vierzig Herren Ländern als Ihn.

Es sind etwann sechs Jahr, da kam ich einmal durch Duckdich, und nahm zwölf Dutzend davon mit: ich hab sie nachmals den Fleischermeistern in Quande verehrt; die hielten grosse Stück darauf, und das mit Recht. Bey unsrer Heimkunft will ich euch noch ein Paar davon weisen, die über der grossen Kirchthür hängen.

Seine Speissen, von denen er lebt, sind eingepöckelte Pickelhauben, Salz-Kästen, gesalzene Brücken und Waffen, die ihm oft schwere Harnstreng machen. Seine Kleidung ist gar lustig von Farb und Schnitt; den grau und luftig geht er montirt, hat weder hinten noch vorn was an. Die Aermel deßgleichen.

Es wird mich freuen, sprach Pantagruel, wenn ihr, wie ihr mir seine Nahrung, Kleidung, Sitten und Zeitvertreib geschildert, nun auch seine Gestalt und Leibesstatur nach allen Theilen beschreiben wollt. – Thu's, mein Cujonel, sprach Bruder Jahn, ich bitt dich drum: denn in meinem Brevier da steht er auch, und nach den beweglichen Festen entwischt er. – Ganz gern, antwort Xenomanes. Vielleicht erfahren wir mehr von ihm, wenn wir das Grimm-Eiland passiren, wo die quapplichen Fleischwürst wohnen, seine Todfeindinnen, mit denen er ewig Krieg führt; und wenn der edle Herr Carneval ihr alter Schirmvogt und Nachbar ihnen nicht Fürschub thät, hätt dieser grobe Laternenschmidt Fastnacht sie längst von Haus und Hof vertrieben. – Seyns Männer oder Weiber? frug Jahn: haben's Rock oder Hosen an? Seyns Engel oder sterblich Leut? Noch Jungfern, oder schon gefreyt?

Sie sind, antwort Xenomanes, von sterblicher Natur,[115] und weiblich von Geschlecht und Angesicht: etlich Jungfern, andre nicht. – Ich sey des Teufels, rief Bruder Jahn, wo ich nicht für sie bin! Ist dieß in der Natur auch wohl erhört, mit Weibern Krieg zu führen? Rechtsum! und laßt uns diesen Lümmel kuranzen. – Was! Krieg mit Fastnacht? schrie Panurg: o alle Teufel, so vermessen und tolldreist bin ich wahrlich nicht. Quid juris, wenn wir nun zwischen Würst und Fastnacht mitten inne kämen, wie zwischen Hammer und Amboß? Pest! fort, fort von hier! Fahr zu! Bonsdies, Herr Fastnacht! ich recommandir euch die Würst; vergeßt mir auch die Schlackwürst nicht!

Quelle:
Rabelais, Franz: Gargantua und Pantagruel. 2 Bände, München, Leipzig 1911, Band 2, S. 114-116.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Gargantua und Pantagruel
Gargantua. Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, 2 Bände
Gargantua und Pantagruel
Gargantua und Pantagruel, in 2 Bdn.
Gargantua und Pantagruel